- Tansania setzt gegen Corona auf Kräuterkuren und Gebete. Impfungen lehnt der Präsident ab.
- Angeblich gibt es im Land keine akuten Fälle.
- Experten warnen derweil vor Mutationen.
Viele Länder auf der ganzen Welt warten auf mehr Impfstoff gegen das Coronavirus – nur Tansania nicht: Das Land mit seinen rund 60 Millionen Einwohnern bezeichnet sich selbst als frei von Corona und hat ausländischen Impfstoff abgelehnt.
Nach offiziellen Angaben gibt es in dem afrikanischen Land nur 509 bestätigte Corona-Fälle mit insgesamt 21 Toten. Das allerdings hängt auch damit zusammen, dass Tansania seit Mai 2020 keine Zahlen mehr gemeldet hat. Im Juni behauptete Präsident John Magufuli bei einem Gottesdienst, das Land durch einen dreitägigen Gebetsmarathon von dem Virus befreit zu haben.
Keine Impfstoffe aus dem Ausland
Insgesamt fährt die Regierung beim Umgang mit Corona einen anderen Kurs als die meisten anderen Länder: Nachdem es ab März 2020 zunächst einen Lockdown gab, von dem unter anderem Kirchen ausgenommen waren, liess Präsident Magufuli Schulen und Universitäten im Juni wieder öffnen. Einschränkungen gibt es seitdem quasi keine. Sollten doch einmal Coronafälle auftreten, müsse es sich dabei laut Präsident um Ausländer handeln, die das Virus ins Land getragen hätten.
Ungeachtet der Behauptungen, dass das Land frei von Corona sei, häufen sich allerdings aus Krankenhäusern Berichte über Infektionen. Ärzte sollen angehalten worden sein, Fälle von COVID-19 als virale Lungenentzündungen oder Atembeschwerden zu registrieren.
Die amerikanische Botschaft warnt indes ungewohnt deutlich davor, dass das Risiko, sich mit dem Coronavirus zu infizieren, in Daressalam, der grössten Stadt des Landes, extrem hoch sei. Die Krankenhäuser seien überfüllt.
Nahezu keine Einschränkungen im Tourismus
Auch Sorge um die Wirtschaft dürfte beim Umgang mit dem Virus in Tansania eine Rolle spielen, insbesondere mit Blick auf den Tourismus: Zur beliebten Insel Sansibar etwa dürfen ausländische Touristen nahezu ohne Beschränkungen reisen. Lediglich ihre Temperatur wird am Flughafen gemessen, allerdings mit unklaren Konsequenzen. Viele Fluggesellschaften verlangen inzwischen einen negativen Coronatest bei einer Ausreise aus Tansania.
Allerdings gab es immer wieder Fälle, in denen vermeintlich negativ getestete Personen später doch positiv getestet worden sind, laut dem Auswärtigen Amt beispielsweise bei einem Umstieg oder der Einreise in ihr Heimatland. Grossbritannien hat Personen, die zuvor in Sansibar waren, bereits die Einreise verboten, viele anderen Staaten warnen, dorthin zu reisen.
Impfstoffe sollen gefährlich und eine Papaya positiv getestet worden sein
Nicht nur, dass es angeblich keine Coronafälle in Tansania gibt: Der Präsident lehnte jüngst auch Impfstoffe aus dem Ausland ab, da diese gefährlich seien. Wenn weisse Menschen in der Lage seien, Impfstoffe herzustellen, hätten sie inzwischen auch Impfungen gegen Aids, Tuberkulose, Malaria und Krebs entwickelt, sagte er. Tansania habe nun bereits ein Jahr mit dem Virus gelebt, weil Gott geholfen und, so der Politiker, Satan immer scheitern werde.
Schon gegen Coronatests hatte sich Magufuli in der Vergangenheit ausgesprochen. Er bezeichnete sie als wenig zuverlässig und berichtete, dass er unter anderem eine Ziege und eine Papaya habe testen lassen. Für beide habe er ein positives Ergebnis erhalten. Quellen oder Beweise legte er allerdings nicht vor.
Kräuter sollen vor dem Virus schützen
Kürzlich trat ausserdem Gesundheitsministerin Dorothy Gwajimadie in Tansania im Fernsehen auf. Sie kreierte aus Ingwer, Zitrone und Pfeffer öffentlichkeitswirksam einen Drink, den sie gemäss "BBC" den Zuschauern als sehr wirksames Mittel gegen COVID-19 empfahl. Ausserdem inhalierte sie Kräuterdämpfe.
Statt auf das internationale Impfprogramm zu setzen, hat die Regierung einen Kräutertrunk auf Basis von Artemisia aus Madagaskar geordert. Es gibt Nachweise, dass die Substanz gegen Malaria wirkt. Gegen COVID-19 ist es allerdings noch nicht klinisch getestet worden.
Bevölkerung ist unzureichend geschützt
Experten auf der ganzen Welt sind besorgt darüber, was passieren wird, wenn Tansania sich weiter dem Impfprogramm verweigert. Catherine Kyobutungi, Leiterin des African Population and Health Research Center, weist darauf hin, dass die Bevölkerung unzureichend geschützt ist und vor allem Gefahr für Menschen droht, die im Gesundheitssektor arbeiten. Es sei zudem extrem schwierig, die Pandemie in den Nachbarländern Tansanias in den Griff zu bekommen, da es kaum Grenzkontrollen gebe.
Matshidiso Moeti, Regionaldirektorin des Regionalbüros der Weltgesundheitsorganisation für Afrika, hat Tansania deshalb dazu aufgerufen, Daten zu Corona zu liefern, das Impfprogramm zu nutzen und stärker auf den Schutz der Bevölkerung zu achten.
Sorge vor Mutationen
Eine Gefahr besteht ausserdem darin, dass in Tansania eine neue Variante des Virus entstehen könnte: Je häufiger sich das Virus verbreitet, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Mutationen kommt. Diese können harmlos sein, können aber auch dazu führen, dass Impfstoffe nur unzureichend wirken oder Menschen, die schon einmal erkrankt waren, sich neu infizieren.
Kürzlich empfahl Präsident Magufuli übrigens doch, Masken zu tragen – allerdings nicht wegen Corona, sondern um sich vor anderen Atemwegserkrankungen wie Tuberkulose zu schützen. Dazu rät nun auch das Gesundheitsministerium – neben spirituellen Heilverfahren und traditioneller Medizin.
Verwendete Quellen:
- World Health Organization: United Republic of Tanzania Situation
- Africanews: Tanzania minister: No interest in procuring COVID-19 vaccines
- U.S. Embassy in Tanzania: Health Alert: U.S. Embassy Dar es Salaam
- Coronavirus in Tanzania: The country that's rejecting the vaccine
- Rick Sheridan: Does Madagascar's herbal remedy, COVID-Organics work? Flavonoid antiviral inhibitory studies of SARS-CoV-2
- Auswärtiges Amt: Tansania: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung)
- The United Republic of Tanzania: Ministry of Health, Community Development, Gender, Elderly and Children, Tanzania Covid-19 Pandemic Emergency Financing Facility Project
- Twitter-Account von Matshidiso Moeti, Regionaldirektorin des Regionalbüros der Weltgesundheitsorganisation für Afrika
- Catherine Kyobutungi, Leiterin des African Population and Health Research Center, zu Covid-19 und der Situation in Tansania: Tanzania Isn't Vaccinating Against COVID-19. What Does That Mean for the World?
- Quartz Africa: Tanzania’s president is blaming the sharp rise of coronavirus cases on faulty testing kits
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