Er hat in den Vorwahlen überraschend gut abgeschnitten und geht als Favorit in die Präsidentschaftswahlen im Oktober: Javier Milei soll ein unberechenbarer Politiker sein, der ultralibertäre und ultrarechte Positionen miteinander verbindet. Wer ist der Mann, der den Klimawandel leugnet und Donald Trump bewundert?

Ein Porträt
Dieser Text enthält neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Marie Illner sowie ggf. von Expertinnen oder Experten. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man meinen, es handele sich um einen Konzert-Auftritt. Schliesslich trägt er Lederjacke, sein Haar ist verwuschelt und ungekämmt, im Hintergrund läuft Hard-Rock-Musik. Tatsächlich geht es aber um die Wahlkampf-Auftritte des argentinischen Politikers Javier Milei.

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Seit der 52-Jährige bei den Vorwahlen zur Präsidentschaftswahl überraschend gut abgeschnitten hat, wird er als Favorit für die Wahlen im Oktober gehandelt. Der Politiker der "Partido Libertario", einer wirtschaftsliberalen bis libertären Partei, sitzt seit 2021 im argentinischen Parlament. Milei ist Gründer der libertären und ultrarechten Parteienkoalition "La Libertad Avanza" – was etwa "Die Freihet schreitet voran" bedeutet.

Javier Milei gilt als unberechenbar

Mit ihr kam er in den Vorwahlen auf 30 Prozent der Stimmen – ein Ereignis, das die Medien als "Tsunami" und "Überraschung" werteten. Die argentinischen Märkte reagierten deutlich auf den Erfolg des Ökonomen, der italienische Wurzeln hat und in Buenos Aires geboren wurde: Sie fürchten laut "Euronews" den unberechenbaren libertären Populisten – die Preise schnellten um 30 Prozent in die Höhe.

Denn zu Mileis Plänen gehört unter anderem eine Dollarisierung der argentinischen Wirtschaft, die Abschaffung der Zentralbank und die Aufhebung von Kapitalverkehrskontrollen. Ebenso lehnt Milei die Einführung neuer Steuern ab, ausserdem will er das Bildungssystem privatisieren.

Der Sohn eines Busfahrers und einer Hausfrau bezeichnet sich selbst als "Anarcho-Kapitalist". Hinter dem Begriff steckt eine ökonomische Theorie, die den Staat quasi abschaffen will. Die Gesellschaftsordnung soll vom freien Markt, freiwilligen Verträgen und Übereinkünften bestimmt werden.

Und all das in einer Lage, in der die jährliche Inflation in Argentinien bei über 100 Prozent liegt und inzwischen 40 Prozent des Landes als arm gelten. Das Vertrauen in die Politik befindet sich auf dem Tiefststand.

Liberalisierung des Organhandels

Einige Menschen werteten den Erfolg Mileis daher vor allem als Ausdruck der Wut gegenüber der politischen Elite. Vor allem junge Menschen sollen ihm zuletzt seine Stimme gegeben haben – in der Hoffnung auf eine Art Befreiungsschlag für Argentinien.

Der Ökonom, der einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften und weitere Master-Abschlüsse an argentinischen Privatuniversitäten gemacht hat, prangert laut "Le Monde" eben jene als "politische Kaste" mit "nutzlosen, parasitären Politikern" an.

Beobachter betonen immer wieder die Widersprüche, die den einstigen Chefsvolkswirt, Regierungsberater und Dozenten umgeben. Immer wieder verbindet er ultrarechte mit ultralibertären Positionen. So fordert er die Liberalisierung von Organhandel, ist aber strikt gegen Abtreibungen.

Verehrer von Trump und Bolsonaro

Ausserdem will er Drogen legalisieren, setzt sich für unbegrenzte Einwanderung und die gleichgeschlechtliche Ehe ein und leugnet den Klimawandel. Er soll zudem Bewunderer des ehemaligen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro und Amerikas Ex-Präsident Donald Trump sein.

Mit ihnen teilt er nicht nur rechtsextreme Ansichten: Bekannt wurde Milei, der früher als Torhüter und Tantra-Sex-Lehrer aktiv war, vor allem durch seine regelmässigen provokanten Fernsehauftritte in nächtlichen Talkshows.

Darin teilte er vor allem gegen die ehemaligen Präsidenten Cristina Fernández de Kirchner und Mauricio Macri aus. Auch der amtierende Staatschef Alberto Fernández bekam sein Fett weg. Seit 2017 hat Milei ausserdem eine eigene Radiosendung. Beim Sprung in die Politik half ihm vor allem Eduardo Eurnekian – einer der reichsten Unternehmer des Landes und früherer Arbeitgeber von Milei.

Neben der "Corporacion America Airports", dem grössten privaten Flughafenbetreiber weltweit, gehört dem Unternehmer auch eine Fernsehstation. So bot er Milei, der seine fünf Hunde nach seinen Lieblingswirtschaftswissenschaftlern benannt hat, eine Bühne für seine kruden Ideen.

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Politische Achterbahnfahrt steht bevor

Dass Milei Präsident wird, ist trotz guter Vorwahlergebnisse noch nicht ausgemacht. Er müsste zunächst im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit holen, sonst käme er in die Stichwahl. Dort könnte die Kandidatin der traditionellen Rechten, Patricia Bullrich, auf ihn warten.

Wie gross die Sehnsucht nach einem Befreiungsschlag dann noch wäre, ist schwer vorherzusagen. Fest steht wohl nur, dass sich Argentinien in den nächsten Wochen auf eine politische Achterbahnfahrt gefasst machen muss.

Verwendete Quellen:

  • The Washington Post: Who is Javier Milei, Argentina’s right-wing presidential front-runner?
  • Spiegel: Der Siegeszug des Anarchokapitalisten
  • La Voz: El día después del tsunami Milei
  • Clarin Politica: Javier Milei, la sorpresa que pasó de las redes a las urnas
  • Euronews: Märkte schon in Angst vor Javier Milei
  • Le Monde: Javier Milei, l’ultralibéral qui joue les trublions de la politique argentine
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