Immer mehr Schweizer Grossfirmen versichern sich gegen Terrorismus – die Schweizerischen Bundesbahnen, Flughäfen und sogar das Opernhaus Zürich. Die Schweiz kennt aber keine staatliche Lösung für Grossschäden.

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Die Schweiz ist gemäss Einschätzung des Nachrichtendienstes nicht primäres Ziel von dschihadistischen Terroristen, weil sie sich nicht am militärischen Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) beteiligt. Dennoch ist auch hierzulande die Terrorgefahr laut Nachrichtendienst seit den Anschlägen von Paris, Nizza und Brüssel gestiegen.

Terror ist nicht nur menschlich ein Fiasko, sondern auch finanziell: Die Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA kosteten die Versicherungen 37 Milliarden Dollar. In der Folge kündigten die Versicherungen sämtliche Verträge und weigerten sich, Terrorrisiken fortan zu versichern. Der Staat musste eingreifen: Versicherungen wurden per Gesetz gezwungen, Terrorrisiken abzudecken – im Gegenzug übernimmt der Staat eine Mithaftung ab 100 Millionen bis zu 100 Milliarden Dollar.

Andere Länder wie Deutschland, Frankreich, Belgien, Grossbritannien und Israel führten ebenfalls so genannte Pool-Lösungen ein, bei denen sich Versicherungen mit Hilfe des Staates gemeinsam rückversichern. In Belgien beispielsweise funktioniert das staatlich organisierte Terrorversicherungsprogramm so: Für Schäden bis zu einer Summe von 300 Millionen Euro müssen die Versicherungen aufkommen, für übersteigende Beträge bis 700 Millionen Euro die Rückversicherungen und für den Rest bis zu 1 Milliarde der belgische Staat.

Kein Schweizer Pool

Nicht so in der Schweiz: Hier gibt es keine staatlich organisierte Pool-Lösung, bloss eine freiwillige Rückversicherungsplattform für Terrorrisiken. Würde also ein terroristischer Anschlag auf einen Schweizer Bahnhof, Flughafen, Atomkraftwerk oder Supermarkt nebst der menschlichen Tragödie auch zu einem finanziellen Desaster führen?

Der Bund sieht keine solche Gefahr. Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) schreibt auf Anfrage von swissinfo.ch: "Aufgrund der Praxis können wir festhalten, dass eine Terrordeckung in der Schweiz auf dem Versicherungsmarkt in der Regel ohne Probleme eingekauft werden kann."

Das ist grundsätzlich richtig: Die Grundversicherungen decken normalerweise Sachschäden und Betriebsunterbrüche durch Terrorismus bis 10 Millionen Franken. Wem das nicht reicht, kann Zusatzdeckungen abschliessen. Die AXA Winterthur hat etwa 130 Kunden mit spezieller Zusatzversicherung, die Mobiliar 150 und die Helvetia knapp 250. Spezielle Deckungen abgeschlossen haben beispielsweise die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB), die Flughäfen Zürich und Basel-Mülhausen sowie das Zürcher Opernhaus. Atomkraftwerke sind sogar gesetzlich zur Absicherung verpflichtet (siehe Box).

Aber nicht alle Grossfirmen haben vorgesorgt: Die Supermarktketten Migros und Aldi Suisse haben keine spezielle Terrorversicherung und wollen im Moment auch keine abschliessen. "Bis jetzt haben wir keine Notwendigkeit für eine spezifische Terrorversicherung festgestellt", sagt der Migros-Sprecher. Konkurrent Coop will "aus Sicherheitsgründen" keine Angaben machen, behauptet aber, finanziell ausreichend aufgestellt zu sein. Auch die Supermarktkette Lidl fühlt sich ausreichend abgesichert.

Die Versicherungen sind naturgemäss skeptischer: "In der Tat wird das Risiko latent unterschätzt", schreibt Helvetia auf die Frage, ob gewisse Firmen und Branchen – wie beispielsweise Supermärkte – im Bereich Terror unterversichert seien. Und die AXA Winterthur erklärt: "Es gibt keine Zahlen oder Marktabklärungen, ob alle gefährdeten Betriebe auch tatsächlich über eine Terrorversicherung verfügen." Eine Terrordeckung sei für Kunden mit exponierten Standorten wie beispielsweise grosse Einkaufshäuser, Sportstadien, Bahnhöfe und Flughäfen "sinnvoll", so die AXA Winterthur.

Versicherungen wünschen keine Pool-Lösung

Wie aber steht es um die Versicherungen selbst? Schliesslich sollen Pool-Lösungen gerade auch Versicherungen vor dem Ruin schützen.

Diese haben jedoch keine Angst: "Die Folgen eines Terroranschlags sind für eine gesunde Versicherungsgesellschaft im Normalfall tragbar", schreibt etwa die AXA Winterthur. Erst Dutzende von grossen Ereignissen im gleichen Jahr würden ihrer Einschätzung nach zu Problemen führen. Die Helvetia erinnert daran, dass Überschwemmungen und Erdbeben meist viel grössere Schäden verursachen als ein Terroranschlag und meint: "Die Versicherer haben in der Vergangenheit gezeigt, dass sie solche Katastrophen finanziell bewältigen können." Auch Professor Martin Eling vom Institut für Versicherungswirtschaft der Universität St. Gallen bestätigt: "Ein Terroranschlag hat nicht so grosse finanzielle und wirtschaftliche Auswirkungen wie Naturkatastrophen." Es müsse schon ein sehr spezielles Ereignis sein, dass Firmen und Versicherungen in Bedrängnis gerieten.

Weder bei den angefragten Versicherungen, noch beim Schweizerischen Versicherungsverband SVV oder dem Bund ist denn auch die Einführung einer staatlichen Pool-Lösung ein Thema. Auf die Fragen, in welchen Fällen der Staat einspringen müsste und ob staatliche Rettungsaktionen via Notrecht wie bei der Bankenkrise denkbar wären, äussert sich das Finanzdepartement wie folgt: "Diese Fragen betreffen hypothetische Ereignisse. In einem konkreten Einzelfall müssten die zuständigen Gremien die Lage beurteilen und entsprechende Entscheide fällen."

Schweizer Firmen und Versicherungen sind im Grossen und Ganzen also vermutlich finanziell gegen Terror gewappnet, und falls nicht, würde am Ende aller Erfahrung nach doch der Staat einschreiten.

Soll der Staat Ihrer Meinung nach Schäden durch Terroranschläge finanziell mittragen? Diskutieren Sie mit uns in den Kommentaren.

Kontaktieren Sie die Autorin @SibillaBondolfi auf Facebook oder Twitter.  © swissinfo.ch

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