Wieder erschütterte ein Anschlag die Millionenmetropole Istanbul. Ziel war diesmal der Atatürk-Flughafen. Die türkische Regierung vermutet die Terrororganisation "Islamischer Staat" hinter der Tat. Wie kein anderes Land scheint die Türkei derzeit im Fadenkreuz des Terrorismus zu stehen. Regelmässig erschüttern Anschläge das Land, nicht nur durch die IS-Miliz, sondern auch durch die Kämpfer der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK.

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Kristian Brakel lebt als Leiter des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in Istanbul. Im Interview erklärt er, warum die Türkei immer wieder zum Ziel von Terroristen wird - und was die Regierung Erdogan aus seiner Sicht dagegen unternehmen könnte.

Herr Brakel, warum scheint vor allem die Türkei solch ein massives Terrorismus-Problem zu haben - und welche Gruppierungen sind dabei das Hauptproblem?

Kristian Brakel: Es spielen da zwei verschiedene Faktoren eine Rolle. Die Auseinandersetzungen mit der PKK sind hauptsächlich der türkischen Innenpolitik geschuldet. In Bezug auf die IS-Miliz ist die Türkei als direktes Nachbarland des Irak und Syriens schon geografisch besonders bedroht, weil das die beiden Hauptoperationsgebiete des "IS" sind.

Dazu kommt, dass sich in der Türkei relativ viele eigene Bürger dem "IS" angeschlossen haben - und viele sogenannte Kämpfer in den Irak und nach Syrien gegangen sind - und jetzt zurückkehren. Es gibt in der Türkei Kommandostrukturen und Operationseinheiten des "IS".

Worin liegen die Ursachen in der neuerlichen Eskalation des Konfliktes mit der PKK?

Im Gegensatz zum Kampf mit dem "IS" ist dieser Dauerkonflikt zu grossen Teilen hausgemacht. Es hat mit der PKK einen Friedensprozess gegeben, der um das Jahr 2009 begann. Und seitdem gab es von der PKK auch einen einseitig erklärten Waffenstillstand.

Diesen Waffenstillstand hat die PKK im letzten Jahr aufgekündigt, mit der Begründung, dass der türkische Staat es nicht ernst meine mit dem Friedensprozess. Das hatte sicherlich auch etwas mit Geländegewinnen der Kurden in Syrien zu tun, von denen sich die PKK vielleicht eine bessere Verhandlungsposition versprochen hat.

Aber viel entscheidender für die Reaktion der PKK war, dass die türkische Regierung begonnen hatte, diesen Konflikt für den Wahlkampf zu instrumentalisieren und die PKK zu dämonisieren. Es gab zwischenzeitlich erneut Signale von der PKK, dass sie wieder an einem Waffenstillstand interessiert sei. Die türkische Regierung sagt aber, daran haben wir kein Interesse, wir wollen bis zur Vernichtung der PKK kämpfen. Und das führt dann natürlich nicht zu einer Befriedung der Situation.

Vernichtung ist ja tatsächlich ein Wort, das nicht gerade zur Deeskalation beiträgt...

Genau. Es geht mir überhaupt nicht darum, die Schuld der PKK an diesem Konflikt in irgendeiner Form kleinreden zu wollen, aber es ist ganz klar: Gegen das PKK-Problem könnte die türkische Regierung mehr tun als gegen die Bedrohung durch den "IS".

Warum verhält sich die Regierung aus Ihrer Perspektive so wenig lösungsorientiert?

Das hat zum einen viel damit zu tun, wie der türkische Staat kontrolliert wird, der ja seit vielen Jahrzehnten stark vom Militär geprägt ist. Aber das hat auch sehr viel mit der politischen Richtung der Regierung Erdogan zu tun. Die haben sehr lange mit den Kurden verhandelt und zunächst auf einen Dialog gesetzt. Als es dann eigene Einbussen bei den Wahlen gab - und die Kurden im Aufwind erschienen, hat man den Konflikt plötzlich politisch instrumentalisiert.

Wie gesagt, die PKK hat eine Mitschuld an der Eskalation, aber die Art und Weise, wie die türkische Armee in den kurdischen Gebieten mit einer ungeheuren Brutalität auch gegen die Zivilbevölkerung vorgeht, provoziert geradezu Gegengewalt. Eine Bekannte aus einer Menschenrechtsorganisation sagte einmal zu mir: Der beste Rekrutierer für die PKK ist das türkische Militär.

Welche Handlungsoptionen gibt es jetzt für die Türkei?

Es sind wie gesagt zwei verschiedene Konflikte, die das Land erschüttern. Mit der PKK könnte die Türkei durchaus zu einem "Modus Vivendi" finden. Man könnte von Seiten der türkischen Regierung sagen, wir schliessen einen Waffenstillstand und ringen dafür der PKK bestimmte Garantien ab.

Die könnten zum Beispiel in einer Vereinbarung bestehen, dass die PKK in Nord-Syrien bestimmte Gebiete nicht besetzt hält, die mehrheitlich arabisch besiedelt sind. So ein Waffenstillstand wäre möglich und auch in beiderseitigem Interesse.

Wie beurteilen Sie die türkischen Handlungsoptionen in Bezug auf den Terror durch die IS-Miliz?

In Bezug auf die IS-Miliz ist die Situation sehr viel schwieriger. Es gibt von dieser Seite praktisch keine Verhandlungsbereitschaft. Und die Ziele des "IS", der ja auf die Vernichtung ihrer Gegner setzt, können einfach nicht zur Verhandlung stehen.

Da hilft tatsächlich nur ein verstärktes Vorgehen der Sicherheitsbehörden innerhalb des Landes. Das wird aber nicht ausschliessen, dass es weiterhin zu Anschlägen kommt. Ganz im Gegenteil: Ich glaube je mehr sich die IS-Miliz in die Enge getrieben sieht, desto mehr wird sie zu derartigen Massnahmen greifen.

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