Der brutale Anschlag auf die französische Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" erschüttert Europa. Sicherheitsexperte Joachim Krause erklärt im Interview, was diesen Terrorakt so besonders macht und wieso das Anschlagsrisiko auch bei uns gestiegen ist.
Herr Krause, statt eines aufwendigen Anschlags haben in Paris Männer mit Sturmgewehren die Redaktion des Magazins "Charlie Hebdo" gestürmt. Kann man von einer neuen Strategie der Terroristen sprechen?
Joachim Krause: Noch ist nicht klar, wer das wirklich war. Daher bin ich vorsichtig, daraus schliessen zu wollen, wessen Strategie sich wie verändert hat. Es deutet zwar auf einen islamistischen Hintergrund hin, aber es gibt eine Reihe von Ungereimtheiten: Die Täter haben sich maskiert, das ist ungewöhnlich für Dschihadisten. Ich finde es ausserdem merkwürdig, dass sie einen Ausweis im Auto liegen lassen haben. Ihr Vorgehen lässt erkennen, dass die Attentäter Kampferfahrung haben. Sie haben agiert wie ein ausgebildetes Killerteam, nicht wie wildgewordene radikalisierte Jungs aus einem Pariser Vorort.
Wäre es denn möglich, dass sie das in einem Terrorcamp gelernt haben?
Die Brutalität, die Kaltblütigkeit, die Professionalität – das könnten durchaus Leute sein, die in einem der IS-Camps gewesen sind. Aber es können auch Al-Kaida Kämpfer aus dem Jemen sein, ich würde vieles für möglich halten. Es kann auch sein, dass sich jemand als Islamist tarnt. Wer immer das gemacht hat, die Aktion polarisiert. Sie schürt den Islamhass und könnte weitere Muslime radikalisieren.
Ist allgemein die Bedrohung durch Rückkehrer aus Syrien oder dem Irak gestiegen?
Sie steigt permanent. Junge Leute radikalisieren sich in Europa, gehen nach Syrien oder in den Irak und bekommen dort militärische Ausbildung und Erfahrung. Wenn sie einmal Menschen umgebracht haben, ist die Hemmschwelle geringer, auch hier Menschen zu töten. Sollte sich herausstellen, dass es in Paris Leute waren, die eine solche Ausbildung erhalten haben, können wir uns warm anziehen. Das sind Menschen, die mir Angst machen in ihrer Brutalität und Professionalität. Aber es können auch Al-Kaida Terroristen aus anderen Regionen sein, die sind nicht minder gefährlich.
Ist eine neue Dimension des Terrors erreicht?
Ich bin mit solchen Aussagen eher vorsichtig. Fakt ist, dass derzeit Gruppen wie Al-Kaida und der Islamische Staat sich auf Syrien, den Irak, Libyen und Nigeria konzentrieren und dort in Konkurrenz zueinander stehen. Es ist zu befürchten, dass sie als Teil dieser Konkurrenz versuchen, sich gegenseitig mit spektakulären Terrorangriffen in Europa oder Nordamerika zu übertreffen. Vor allem Al-Kaida auf der arabischen Halbinsel betreibt massive Vorbereitungen für Anschläge im Westen und auf den zivilen Luftverkehr. Sie versuchen zum Beispiel Sprengstoffe zu entwickeln, die man bei Kontrollen nicht entdecken kann.
Ist ein Anschlag durch Rückkehrer also auch in Deutschland denkbar?
Die Bundesbehörden äussern diese Furcht seit Monaten, und das ist nachvollziehbar. Aber es sind nicht nur IS-Anhänger, sondern auch Al-Qaida-Aktivisten, vor denen wir uns vorsehen müssen. Diese Dschihadisten werden immer versuchen, Dinge zu planen, die uns überraschen. Einen Anschlag auf Redaktionen kann man auch hier nicht ausschliessen. Wir müssen mit allem rechnen.
Wie kann sich Europa vor solchen Anschlägen schützen?
Die rechtlichen Möglichkeiten sind gut. Es bringt wenig, jetzt Gesetze weiter zu verschärfen, es sei denn man will mehr im Bereich der Prävention tun und endlich salafistischen Hasspredigern bei uns das Handwerk legen. Viel wichtiger ist es, die personelle und materielle Ausstattung von Polizei, Staatsanwaltschaften und Nachrichtendiensten zu verbessern. Die deutschen Behörden gelangen recht schnell an die Grenzen ihrer Kapazitäten. Als die Sauerlandgruppe beobachtet wurde, hat das fast die gesamte Kapazität des zuständigen Landes- und des Bundeskriminalamts gebraucht. Wenn es da mehr Stellen gebe, würde ich nachts weitaus ruhiger schlafen.
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