Ein Beitrag der ORF-Sendung "Thema" widmet sich dem griechischen Dorf Idomeni, in dem über 10.000 Flüchtlinge festsitzen und vergeblich versuchen, über eine der Balkanrouten in die EU zu gelangen.
Seit die österreichischen Grenzen dicht gemacht wurden, endet die Flucht vieler Menschen auf dem Balkan: Die Flüchtlinge versuchen, nach Mazedonien zu kommen, um von dort aus weiter nach Serbien zu reisen und über die serbisch-kroatische oder die serbisch-ungarische Grenze weiterzukommen.
Weil Mazedonien wie viele andere Länder nun Einreiseobergrenzen gesetzt hat, sitzen derzeit in Idomeni an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien 14.000 Menschen fest – in einem Lager, das nur für 2.000 Menschen ausgerichtet ist.
Wie ist die Lage im Flüchtlingscamp?
Weil das Lager überfüllt ist, müssen viele Menschen illegal auf den umliegenden Äckern übernachten. Griechenland kann offenbar keine Lebensmittelversorgung mehr leisten, weshalb das internationale Rote Kreuz versucht, den Menschen mit dem Notwendigsten zu helfen.
Teilweise schenkt die griechische Bevölkerung den Flüchtlingen Bekleidung, andere nutzen die Lage aber auch aus und verlangen Geld für Brennholz. Viele der Flüchtlinge sind krank, vor allem ihre Kinder sind betroffen.
Was berichten die Menschen im Lager?
"Diese Menschen befinden sich hier im Niemandsland und wissen einfach nicht, wie es weitergehen soll", erklärt Christopher Bachtrog vom Roten Kreuz.
Sein Kollege Michael Kühnel, der als Arzt im Camp täglich bis zu 180 Menschen behandelt, bringt mit einfachen Worten auf den Punkt, warum er hilft: "Irgendwer muss es machen".
Auch ein Flüchtling kommt zu Wort – ein junger Student, der es wie fast alle bis nach Deutschland schaffen und nicht in Griechenland um Asyl ansuchen will.
"Nur Deutschland hat uns willkommen geheissen", betont er. Eine Frau meint, es gehe vielen hauptsächlich um die Möglichkeit einer Bildung für ihre Kinder.
Was kann passieren?
Pro Tag kommen zwischen 1.000 und 2.000 neue Flüchtlinge in das Lager in dem griechischen Dorf, aber nur 200 können weiterreisen.
Die bürokratische Abwicklung reisst Familien auseinander. "Eine humanitäre Katastrophe ist nur mehr eine Frage der Zeit", kommentiert die Sprecherin im Beitrag.
Aus der Perspektivenlosigkeit kann Wut werden: Es kam an der mazedonischen Grenze schon zu Ausschreitungen, bei denen Flüchtlinge versuchten, gewaltsam einen Grenzzaun niederzureissen. Die Polizei feuerte mit Tränengas auf die jungen Männer.
Wie sieht die österreichische Perspektive aus?
"Ich fürchte, dass wir solche Bilder nicht zum letzten Mal gesehen haben", glaubt die ehemalige ORF-Korrespondentin Barbara Coudenhove-Kalergi. Sie musste 1945 mit ihrer Familie aus Prag flüchten.
"Wir haben einiges geleistet an Integration und an Aufnahme", erklärt sie. "Darauf waren wir bis vor Kurzem noch stolz und können auch weiter darauf stolz sein."
Coudenhove-Kalergi räumt ein, dass die Lage schwieriger wird, wenn man es nicht mit Tausenden, sondern mit Zehn- oder gar Hunderttausenden zu tun hat.
"Die Angst, dass ihnen die Flüchtlinge die wenigen Arbeitsplätze wegnehmen könnten, fördert ein Klima der Angst, der Hysterie und auch der Demokratiefeindlichkeit", erläutert sie.
Man müsse durchaus aufpassen, sagt die Journalistin, betont aber, dass es noch lange keinen Grund gäbe, "die Demokratie über Bord zu werfen".
Wie geht es weiter?
Starker Regen hat das Lager am Montag völlig verschlammt. Das griechische Fernsehen zeigte Menschen, die mit blossen Händen versuchten, Wasser aus ihren Zelten zu schöpfen.
Andere versuchten, durchnässte Kleider an Feuern zu trocknen. Einzige gute Entwicklung: Der Dienstagmorgen startete sonnig.
Athen und das UN-Flüchtlingshilfswerk wollen die Migranten in Idomeni dazu bewegen, in organisierte Lager zu ziehen, die die Regierung wenige Kilometer südlich der Grenze in Betrieb genommen hat.
Die meisten Migranten weigern sich: Sie hoffen, dass Mazedonien den Zaun öffnet und sie dann nach Mitteleuropa weiterreisen können.
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