Mit der neuen britischen Premierministerin werden künftige Verhandlungen über den Brexit nicht einfacher. Denn Theresa May vertritt zwei zentrale Positionen, die eigentlich miteinander unvereinbar sind.

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Sie ist die Tochter eines Pfarrers und ein Kind der Fünfzigerjahre. Sie wandert gerne und schirmt ihr Privatleben vor der Presse ab. Sie ist verheiratet und kinderlos. Und: Sie ist die Regierungschefin einer der grössten Wirtschaftsnationen in Europa.

Die Rede ist nicht von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, sondern von ihrer neuen Kollegin Theresa May, die seit gestern als Premierministerin in der Downing Street 10 residiert - und Grossbritannien aus der vielleicht schwersten Krise der Nachkriegszeit herausführen soll.

Garantiert kein Rückzug vom Brexit

Wer einen Blick in die biografischen Daten der neuen Premierministerin wirft, stellt schnell überraschende Ähnlichkeiten mit der deutschen Bundeskanzlerin fest.

Doch bei aller Gemeinsamkeit: Vieles spricht dafür, dass May in Sachen Brexit eine harte Verhandlungspartnerin für die EU und damit auch für die deutsche Kanzlerin werden wird. "Sie wird sicher - und das hat sie bereits mehrfach angekündigt - versuchen, das Beste und das Meiste für das Vereinigte Königreich rauszuverhandeln", betont der Politikwissenschaftler Thomas Poguntke im Deutschlandfunk.

Nachdem sich May in der Brexit-Debatte vor der Abstimmung vorsichtig für einen Verbleib in der EU ausgesprochen hatte, will sie jetzt "den Brexit zum Erfolg" machen. Einen Rückzug werde es mit ihr "garantiert" nicht geben, glaubt Poguntke. Im Gegenteil: "Sie hat das auch ganz deutlich gemacht. Brexit bleibt Brexit".

Welche Forderungen May jetzt an die EU stellen wird, darüber sind sich bereits heute viele Beobachter einig.

Binnenmarkt öffnen und Grenzen schliessen?

Sie will ihrem Land auch künftig den Zugang zum EU-Binnenmarkt erhalten. Und sie will gleichzeitig die Zuwanderung aus Europa beschränken, auch wenn sie sich damit gegen einen zentralen Punkt der EU-Verträge stellt.

"Auf diesem Gebiet etwas vorzuweisen, wird ihr im Zweifel wichtiger sein, als ein paar mehr Handelsvorteile aus den Austrittsverhandlungen herauszuholen", schreibt der London-Korrespondent der FAZ, Jochen Buchsteiner. Nichts müsse May jetzt mehr fürchten als eine Rebellion, die aus enttäuschten Hoffnungen gespeist ist.

"Ihre Unterhausmehrheit ist dünn. Schon ein gutes Dutzend unzufriedener Tories könnte ihr das Regieren zur Hölle machen", glaubt Buchsteiner. Gleichzeitig braucht May die EU und den Binnenmarkt für einen wirtschaftlichen Erfolg ihrer Regierung. Denn eine Wirtschaftskrise würde genau jene Angehörige der ärmeren Schichten treffen, die sich von ihrem Votum für den Brexit eine bessere Zukunft erhofft haben.

May gilt in London als "bloody difficult woman"

Trotzdem glauben die wenigsten, dass May schnell von ihren Positionen abrücken wird. "Sie ist niemand, den man leicht über den Tisch zieht", betont der London-Korrespondent Jens-Peter Marquardt auf "tagesschau.de".

May werde in London als "bloody difficult woman" gefürchtet und bewundert, als "verdammt schwierige Frau" also. In ihrer Zeit als Innenministerin habe sie in Verhandlungen, zum Beispiel mit der Polizeigewerkschaft, immer wieder kompromisslose Härte gezeigt.

Angesichts Mays beiden Kern-Positionen, "die nicht zusammengehen", wie es der Politikwissenschaftler Poguntke nennt, sind langwierige Gespräche mit der EU sehr wahrscheinlich.

Verhandlungen, in denen die neue Regierungschefin auf eine deutsche Kanzlerin trifft, die bereits vor der Amtsübernahme Mays eine zügige Klärung der Frage forderte, "welches Verhältnis Grossbritannien in Zukunft zur Europäischen Union aufbauen möchte".

Es ist unwahrscheinlich, dass Merkel sich für grosse Konzessionen gegenüber den Briten aussprechen wird - und es ist ebenso unwahrscheinlich, dass May schnell von ihrer Doppelforderung nach einem Zugang zum Binnenmarkt und einer Beschränkung der Zuwanderung abrücken wird.

Erfolgreich auch ohne EU?

"Die politischen Volten der vergangenen Wochen haben es zu Mays Interesse werden lassen, den Briten, den Europäern und der Welt zu zeigen, dass das Königreich auch ausserhalb der EU erfolgreich sein kann", betont London-Korrespondent Buchsteiner in der FAZ. Dass viele in der Europäischen Union genau diesen Nachweis verhindern wollen, mache Mays Aufgabe nicht gerade leichter.

Es ist deshalb zu diesem Zeitpunkt sehr schwer, eine klare Prognose abzugeben, wie es mit dem Brexit unter Theresa May weitergehen wird. Sicher scheint nur, dass die neue Premierministerin selbstbewusst, kühl und ausdauernd mit den EU-Institutionen verhandeln wird.

Und dabei einer deutschen Kanzlerin gegenübersitzen wird, die sich trotz vieler Gemeinsamkeiten als eine zähe Gegnerin erweisen dürfte.

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