Thomas Minder und seine Abzocker-Initiative sind derzeit das brisanteste Gesprächsthema der Schweiz. Doch was hat es mit dem umstrittenen Vorschlag auf sich, über den das Land am 3. März abstimmen soll? Ein Blick hinter die Kulissen des Abzocker-Krimis, der weit über die Grenzen der SVP hinaus geht.

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Thomas Minder ist derzeit einer der berühmtesten Schweizer schlechthin. Der 52-jährige Unternehmer und SVP-Mann für Schaffhausen ist der Erfinder der Abzocker-Initiative - und macht sich mit diesem Vorschlag viele, aber nicht nur Freunde im Land. Vor allem in Politik und Wirtschaft beunruhigt seine Definition von Abzocke die Gemüter und stösst auf Widerspruch. Denn wird die Initiative mit einem "Ja" beantwortet, geht es in den hochdotierten Bereichen von Unternehmen um richtig viel Geld.

Laut Minder gelten als Abzocker Manager, bei denen ein Missverhältnis besteht zwischen der eigenen Performance und dem Lohn, und der Performance des Unternehmens, etwa bei Vorauszahlungen oder Abgangsentschädigungen: "Oftmals entsteht Missmanagement oder es werden Menschen an Stellen entlassen, wo es eigentlich nicht nötig gewesen wäre." Diesem Problem soll nun entgegengewirkt werden.

Bei "Schawinski" im Schweizer Fernsehen nimmt Thomas Minder Stellung zu seiner Initiative, die mehr Fairness in die Wirtschaft bringen soll: "Wir haben gesehen, wo die Abzockerei überall stattfindet - bei der Zürich Versicherung, bei der Winterthur Versicherung, bei der UBS." Einen Fall wie bei der UBS habe es noch nie gegeben, "dass ein Verwaltungsrat eine Vorauszahlung erhält, bevor er überhaupt im Amt ist. So etwas darf nicht passieren." Minder sieht von solchen Vorgängen vor allem die Wirtschaft des Landes und das Vertrauen des Volkes gefährdet: "Es braucht nur einige Wenige, um die gesamte Schweizer Volkswirtschaft irre zu führen."

Novartis-Chef Daniel Vasella und Nestlé-Oberhaupt Peter Brabeck gelten etwa als ausgemachte Gegner von Minders Idee. Sie prophezeihen höhere Belastungen für die Steuerzahler - sogar von Einbrüchen der Schweizer Wirtschaft ist die Rede, weil Firmen sich für einen Standortwechsel weg aus der Schweiz entscheiden würden, würde die Initiative erfolgreich sein. Minder wiederum verurteilt die schwarzmalerischen Einwände der Wirtschaftsbosse: "Bei allen Vorlagen, bei denen es um die Wirtschaftspolitik geht, schwingen auch immer Drohungen mit. Doch es ist nicht gut, wenn wir dem Schweizer Volk drohen."

Im Gegenteil: Das Volk braucht nach Minder jemandem, dem es vertrauen kann und auf dessen Einsatz zum Wohle und zur Gerechtigkeit aller es setzen kann. Diesen Einsatz finden Bürger allerdings nur bedingt im politischen System der Schweiz, wenn man Minder glaubt: "Es gibt viel Verlogenheit in der Politik. Doch ich spreche Themen ungefiltert an, weil ich weiss, was das Volk möchte - aber Bundes-Bern eben noch nicht." Bisher blieb Minders Initiative im Ständerat quasi ungehört und damit wirkungslos, doch der Politiker sieht dennoch optimistisch in die Zukunft: "Vielleicht bin ich meiner Zeit einfach schon etwas voraus."

Solch eine Einstellung zieht natürlich ihre Kreise. Partei-Kollege Christoph Blocher betont in einem Rededuell mit Minder, dass dessen Initiative wichtige Massnahmen verbiete, die zur gerechteren Strukturierung der Manager-Ebenen manchmal vonnöten seien. In einem Interview mit dem "Tages-Anzeiger" konkretisierte Blocher seinen Vorwurf: "Es muss möglich sein, einen unfähigen Manager loszuwerden. Manchmal ist es möglich, indem man ihm eine Entschädigung bezahlt. Das verbietet Minders Initiative. Der Gegenvorschlag lässt es zu." Aufgrund dessen stellt sich Blocher nun auf die Seite des Gegenvorschlags - und damit gegen Minder: "Dass mir Christoph Blocher in den Rücken fällt, damit habe ich nicht gerechnet. Aber er ist eine politische Wildsau." Schliesslich lagen beide Politiker "eine Zeit lang im selben politischen Bett".

Im Unterschied zum Gegenvorschlag setzt Minder wie erwähnt auf konkrete Verbote in seiner Abzocker-Initiative: Keine Vorauszahlungen, keine Prämien ans Management, keine Abgangsentschädigungen jedweder Art sollen mehr getätigt werden dürfen. Ein Limit sieht Minder dabei nicht vor, weder für die Initiative selbst noch für den indirekten Gegenvorschlag: "Es heisst so ja schon, ich würde mit der Initiative über das Ziel hinausschiessen." So will der SVP-Politiker bei seinen Vorschlägen keine individuellen Diskussionen über das Salär, sondern, dass die Aktionäre bei konkreten Fällen wie dem der UBS einen Riegel vorschieben, wenn Manager ihre Position ausnutzen.

Obwohl in der Initiative Themen wie beispielsweise die Boni-Frage gar nicht erst berücksichtigt sind, gesteht Minder seinem Entwurf keine Schwächen zu. Ausser vielleicht, dass fürs in die Wege leiten der Abzocker-Initiative nicht die finanziellen Mittel zur Verfügung stehen, die etwa der Gegenentwurf sein Eigen nennen kann. 80 Prozent des Geldes, das für Initiative notwendig ist, also ungefähr eine halbe Million Schweizer Franken, hat Minder aus eigener Tasche finanziert. Einige hunderttausend Franken sollen noch dazu kommen - darunter das Geld vieler Bürger, die die Initiative mit Spenden unterstützen.

Dem entgegen stehen allerdings acht Millionen Schweizer Franken, die die Economiesuisse in ihren Gegenvorschlag zur Initiative investiert. Wo diese Gelder genau herkommen, ist laut Minder nicht klar: "Es beteiligen sich Firmen an diesen Zahlungen, die wir Steuerzahler finanzieren. Ausserdem viele ausländische Firmen, die mit ihren Tochterunternehmen selbst Teil der Economiesuisse sind. Wenn ein Bäcker oder auch eine Kantonalbank diesen Gegenvorschlag finanziell unterstützen, fragt man sich schon, warum."

Der Abzocker-Krimi geht also vorerst ebenso weiter wie die Diskussionen über Nutzen und Makel des Vorschlags. Glaubt man dem Begehren des Volkes, stehen die Chancen für Minders Vorhaben gut. Allein 86 Prozent der GMX.ch-Nutzer wollen mit einem definitiven "Ja" für die Initiative abstimmen, wie unser Voting zur bevorstehenden Abstimmung ergeben hat.

Sollte die Abzocker-Initiative am 3. März abgelehnt werden, will sich Thomas Minder davon aber keineswegs in seinem politischen Wirken beeinflussen lassen: "Ich habe noch einen ganzen Köcher voll mit Themen, die man in Bundes-Bern dringend ansprechen müsste."

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