Eigentlich ist Toni Kroos dank des Podcasts "Einfach mal Luppen" mit Bruder Felix ja erfahren darin, welche Verantwortung mit grosser Reichweite einhergeht – und wie zuverlässig seine Aussagen medial aufgegriffen werden. Umso unverständlicher ist sein Auftritt bei "Lanz & Precht".

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Mara Pfeiffer dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Am Ende versucht Toni Kroos noch, den Karren aus dem Dreck zu ziehen, in den er ihn selbst mit Schwung bugsiert hat. Er fände es "sensationell", wenn Menschen nach Deutschland kommen, wo sie mit "offenen Händen" begrüsst würden, sagt der Weltmeister von 2014 im Podcast "Lanz & Precht". Es sei nur "zu unkontrolliert" passiert. Das Wort "Kontrollverlust" hatte zuvor Markus Lanz eingeführt, nach einem bemerkenswerten Monolog von Kroos als Antwort auf die Frage, wie sich Deutschland in den vergangenen zehn Jahren verändert habe.

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Der Reihe nach. Toni Kroos offenbart sich bei seinem Besuch im Podcast von Richard David Precht und Markus Lanz als treuer Hörer. Als solcher hatte er nach einer Bemerkung der Hosts zum Thema "Packing" eine Mail geschrieben, er würde da gerne mal was erklären. Precht und Lanz erkannten die Gunst der EM-Stunde und luden Kroos ein, der in den Tagen nach dem gewonnenen Achtelfinale mit ihnen sprach.

Ein wenig Smalltalk, ein bisschen gefährliches Halbwissen zur DFB-Reform des Kinder- und Jugendfussballs. "Wie kriegen wir unsere Kinder hungrig?", fragt Lanz mit Blick unter anderem auf die Bundesjugendspiele. "Wenn ich etwas mache, mache ich es gut", sagt Kroos, der eine Tendenz empfindet in diesem Land, mit weniger zufrieden zu sein. Nun ja.

Ein gefühltes Gefühl ist ein Gefühl

Dann die Frage, die alles einleitet: "Ist es 2024 etwas anderes, dieses Trikot zu tragen, als beispielsweise 2014? Oder anders gefragt: Wie nimmst du das wahr? Wie hat sich das Land verändert, Toni?" (Lanz)

"Grundsätzlich kann man sagen, ist jetzt bis vor kurzem die sportliche Entwicklung so ein bisschen Hand in Hand gegangen mit der gesellschaftlichen, das, was man zumindest fühlt. Natürlich werden jetzt wieder ganz viele sagen, okay, der ist seit zehn Jahren in Madrid." (Kroos)

"Ne, du kriegst ja genau mit, was passiert." (Lanz)

"Das Eine ist, ich bin ja auch durch euren Podcast und deine Sendung, Markus, sehr gut informiert." So sehr die Hosts sich angesichts von Kroos' Einschätzung gefreut haben mögen, ist doch zweifelhaft, dass der regelmässige Konsum von "Precht & Lanz" ausreicht, um sich ein Bild darüber zu machen, wie sich Deutschland in den letzten zehn Jahren entwickelt hat.

Und natürlich kann man generell die Frage stellen, wieso eine Person, die seit zehn Jahren im Ausland lebt, so meinungsstark über Deutschland spricht. Zumal, da Kroos diesen einschränkenden Faktor selbst erkennt. Und ganz abgesehen davon, dass die Lebensrealität eines Fussballmillionärs ohnehin eine andere sein dürfte, als die eines Grossteils der Bevölkerung, egal ob in Spanien oder Deutschland.

Diese verdammte rechte Ecke …

"Ich finde Deutschland nach wie vor wirklich ein tolles Land, bin auch super gerne da, aber es ist zumindest nicht mehr ganz das Deutschland, wie es vielleicht vor zehn Jahren war, wo wir gegangen sind", greift Kroos das Thema nach einem Intermezzo zu Packing erneut auf. "Was hat sich verändert?", möchte Lanz wissen.

"Es hat sich auf jeden Fall ein Gefühl verändert. Weil ich ja auch gar nicht so viel mehr beitragen kann als ein Gefühl. Es sind ja jetzt nicht diese extrem vielen Begegnungen, die ich habe. Aber ein Gefühl davon … Wie drückt man das am besten aus, ohne in eine Ecke gestellt zu werden?" Kroos lacht, aber die Frage ist nun wirklich sehr einfach zu beantworten: Wer nicht in die "rechte Ecke" gestellt werden möchte, sollte nicht argumentieren wie Menschen, die sich in dieser aufhalten.

Schon gar nicht basierend auf einem aus der Entfernung erarbeiteten Gefühl. Und nicht angesichts der Verantwortung, die Kroos, der seit Wochen als die Lichtgestalt des deutschen Fussballs bejubelt wird, mit seiner aktuellen Aufmerksamkeit hat. Wie der Spieler, der sich in der Vergangenheit durchaus schon klug zu gesellschaftlichen Themen geäussert hat, all das übersehen kann, ist rätselhaft.

"Ein Gefühl davon. Wenn ich jetzt sagen würde, wenn ich’s jetzt vergleiche mit Spanien. Ich habe eine siebenjährige Tochter zum Beispiel. Wenn die jetzt älter wird. Wenn die nachher 13, 14, 15 wird. Und wenn mich jetzt jemand fragen würde: Würdest du deine Tochter mit 14 tendenziell abends um 23 Uhr jetzt in Spanien rauslassen oder in einer deutschen Grossstadt? Wäre ich glaube ich tendenziell eher bei Spanien."

Man wünscht sich, neben vielem anderen, die Hosts würden fragen, was genau Kroos mit dem Begriff "rauslassen" meint. Natürlich passt es zur männlich geprägten Lebenswelt des Fussballs, dass der Vater oder Ehemann zu entscheiden hat, wo die Frauen seines Haushaltes sich aufhalten. Was nichts am unguten Eindruck ändert, den diese Aussage hinterlässt.

Aber Kroos macht noch weiter: "Einfach von einem Gefühl, was rüberkommt, was passiert ist hier auch schon. Ohne Frage. Ich glaube, da kann man sich auch sehr … Ich sage nicht, dass in Spanien nichts passiert. Ich möchte das jetzt nicht so pauschal ..., aber ... Deswegen sag' ich auch ganz bewusst, ein Gefühl. Aber, das hätte ich von mir aus vor zehn Jahren … So viele Bedenken, ob’s ihr dann wirklich gut ergeht und sie unbeschadet nach Hause kommt, hätte ich glaube ich vor zehn Jahren noch gehabt, das hätte ich jetzt nicht."

Das ist doch alles kein Rassismus …

Precht und Lanz, beeindruckt, erklären, Spanien sei als Gesellschaft eben weniger aggressiv (Precht) und setzen zugleich zur Verteidigung der hiesigen an: "Dieses Land ist im Kern kein rassistisches Land." Eine steile These angesichts der Tatsache, wie leichtfüssig die drei zuvor eine gemeinsame Gefühlslage ausgerollt haben, die vor Stereotypen, Vorurteilen und Rassismus zwischen den Zeilen nur so strotzt.

Kroos wird nun vielfach dafür bedauert, dass er von rechten Medien vor deren Karren gespannt werde. Er hat sich aber selbst das Geschirr dafür angelegt. Und das ist das deutlich kleinere Übel, verglichen mit dem Bärendienst, den er vielen, vielen Menschen in diesem Land mit seinen Aussagen erwiesen hat.

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