Internetplattformen nutzen eine Reihe von Tricks, um das Verhalten der Nutzer zu lenken. Der "Digital Service Act" der EU soll dem entgegenwirken. Doch Experten blicken noch immer kritisch auf das Verhalten der Internetkonzerne. Welche sind die grössten Tricks und wie kann man sich als Nutzer dagegen wappnen?

Mehr aktuelle News

Der Weg zur Kündigung eines Abos ist oft erstaunlich länger als der Weg zum Abschluss eines Abos. Dies ist ganz bewusst so gestaltet. Nutzer sollen auf dem langen Weg mit vielen Klicks zur Kündigung die Lust daran verlieren und das Abo doch weiter laufen lassen. Die Konzerne setzen auf die Klickmüdigkeit der Nutzer.

Ein solches Verhalten bemängeln Experten seit Jahren. Denn dahinter steckt Methode. "Nutzer:innen sollten sich bewusst sein, dass manche Onlinedienste bewusst auf psychologische Tricks setzen, um Leute zu Klicks oder Käufen zu verleiten", sagt Julian Jaursch von der Stiftung Neue Verantwortung in Berlin. Dazu zähle auch etwa die angezeigte Zahl von Produkten, die angeblich noch verfügbar sind, oder wie viele andere Menschen sich gerade etwas Bestimmtes ansehen würden.

Um Nutzer im Netz besser zu schützen, hat die EU vor einem Jahr den "Digital Service Act" verabschiedet. Julian Jaursch begrüsst dieses Gesetzeswerk grundsätzlich. Damit liege der Schwerpunkt nicht mehr auf freiwilligen Selbstverpflichtungen der Internetkonzerne, sondern auf verbindlichen Regeln. Diese würden nicht, wie bisher, nur überwiegend national unterschiedlich gelten, sondern seien europaweit einheitlich.

Wie gut die Plattformaufsicht in der EU letztlich funktioniere, müssten die Behörden in Brüssel und den Mitgliedstaaten künftig aber erst noch beweisen. Wenn es ihnen gelingen würde, nutzerfreundlich, offen und unabhängig zu arbeiten, könne dies ein Gewinn für Verbraucher sein. "Wenn nicht, drohen nutzlose Bürokratie oder sogar Nachteile für Nutzende, wenn Plattformen oder Staaten zu hart durchgreifen", sagt Jaursch.

Verwirrende AGBs, farbliche Hervorhebungen und sprachliche Verallgemeinerungen

Internetnutzer sind täglich von solchen Mechanismen betroffen, die Internetkonzerne einsetzen, um das Verhalten der Nutzer in ihrem Sinne zu steuern. Und die EU hat erst kürzlich gegen einen davon eingegriffen, als sie im September ein Bussgeld von 345 Millionen Euro gegen TikTok verhängte, wie tagesschau.de berichtete. Die EU-Behörde warf der Social-Media-Plattform vor, dass sie insbesondere gegenüber Minderjährigen durch ein bestimmtes Design ihres Mediums diese Nutzer dazu verleitet habe, wenig datenschutzfreundlichen Bedingungen zuzustimmen.

So werden in Plattformen ganz bewusst Irrwege und Hindernisse eingebaut. Dies gilt etwa, wenn Nutzer ein Konto bei einer Social-Media-Plattform anlegen wollen und wiederholt gefragt werden, ob sie bestimmte persönliche Daten nicht vielleicht doch angeben wollten. Zu dieser Methode der Verwirrung zählen auch etwa tote Links, falsche Informationen oder lange Klick-Wege, während derer viele Nutzer dann nicht mehr so genau hinsehen, wie auf netzpolitik.org nachzulesen ist.

Dies geht noch weiter, wenn etwa durch eine andere Sprache oder nicht eindeutige Begriffe die Nutzer zusätzlich verunsichert werden. So lagen etwa bis vor wenigen Jahren die Datenschutzbestimmungen von WhatsApp gar nicht auf Deutsch vor. Weit verbreitet ist auch die Vorgehensweise, Auswahlmenüs sehr kompliziert zu gestalten. Diese "Privacy-Labyrinths" führten laut Netzpolitik.org dazu, dass Nutzer nur unter viel Aufwand die Datenschutzeinstellungen so anpassen können, wie sie es tatsächlich wollen.

Ebenfalls kommt es vor, dass Nutzer dazu gebracht werden, ihren Standort zu teilen. Man könne so besonders sozial sein und die Welt zu einem besseren Ort machen, heisst es dann. Beliebt ist es auch bei Konzernen, den Nutzern ein schlechtes Gewissen einzureden, wie Experten von datenschutz.org erläutern. Wenn zu lesen ist: "Nein, ich weiss schon alles und möchte keine neuen Informationen zum Thema erhalten", lassen sich viele Nutzer erst recht dazu verleiten, den jeweiligen Newsletter doch zu abonnieren.

Lesen Sie auch

Experte: "Was will die Webseite von mir?"

Doch nicht nur Soziale Medien arbeiten so. Auch andere bekannte grosse Internetportale gehen ähnlich vor. Wie die Verbraucherzentrale Bundesverband kürzlich herausfand, handeln die Plattformen Amazon, Booking, Google Shopping und Youtube so, dass Nutzer "getäuscht, manipuliert oder anderweitig an einer freien Entscheidung gehindert werden können". Hierzu zählen etwa farbliche Hervorhebungen.

Die vom Konzern gewünschte Auswahloption ist dann etwa gelb unterlegt, die anderen Buttons in weiss gehalten. Dies sei etwa der Fall, wenn Kunden überlegen, ihre Amazon Prime-Mitgliedschaft zu kündigen. Auch wiederholte Aufforderungen nutzen die Konzerne gerne. Wenn etwa Nutzer über ihr Google-Konto die Aktivierung ihres Wiedergabeverlaufes bei Youtube abgelehnt haben, fragt die Videoplattform dennoch immer wieder nach, ob sie die Daten nicht doch mit dem Konzern teilen wollen.

Ein weiterer wesentlicher Aspekt auf Internetplattformen ist die omnipräsente Werbung. Laut "Digital Service Act" müssten die Konzerne eigentlich transparent machen, nach welchen Massstäben sie welche bestimmten Gruppen mit Werbung ansprechen. Hier sieht die Verbraucherzentrale den grössten Handlungsbedarf. Die untersuchten Plattformen erklären zwar, dass Faktoren wie Alter, Hauptstandort oder Systeminformationen dafür entscheidend sind, wem welche Werbung angezeigt wird. Welcher Faktor aber welche Rolle genau spielt, bleibt dabei allzu oft im Dunkeln, wie die Verbraucherschützer bemängeln.

Was also sollten Internetkonzerne ändern? Nötig sei "eine leicht verständliche und einfach zu findende Erläuterung, anhand welcher Daten Nutzer:innen zu Werbezwecken getrackt werden", sagt Julian Jaursch von der Stiftung Neue Verantwortung in Berlin. Zentral sei dabei vor allem, dass es kein "irreführendes Design" geben dürfe. Doch bis es so weit ist, können die Nutzer auch versuchen, sich selber zu schützen.

Julian Jaursch empfiehlt den Nutzern "ein kurzes Innehalten, um zu verstehen, was die Seite oder der Shop gerade von mir will". Gleichzeitig dürfe dies aber nicht dazu führen, dass die Verbraucher damit allein gelassen werden, sagt der Netzexperte. "Es muss auch klare Regeln geben, was erlaubt ist und was nicht."

Über den Gesprächspartner

  • Julian Jaursch ist Projektleiter "Policy Plattformregulierung" bei der Stiftung Neue Verantwortung Berlin.

Verwendete Quellen

Wolf

EU-Kommission will Schutzstatus von Wölfen senken

Die Europäische Kommission hat bekannt gegeben, die strengen Schutzregeln für Wölfe lockern zu wollen: Der Status des Wolfs soll von "streng geschützt" auf "geschützt" herabgestuft werden.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.