Nicht erst beim Fernsehduell der beiden Spitzenkandidaten vor der Parlamentswahl in Griechenland wird klar, Evangelos Meimarakis, der Spitzenkandidat der Nea Dimokratia, tritt auf wie das genaue Gegenteil von Alexis Tsipras. Der Herausforderer unterscheidet sich vom Amtsinhaber ungefähr so wie Angela Merkel von Gerhard Schröder - und genau deshalb könnte er Tsipras gefährlich werden.

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Da steht kein charismatischer, überdurchschnittlich gut aussehender und extrem empathischer Politiker, sondern ein älterer Mann mit Glatze, der mit seinem zugeknöpften Sakko und der obligatorischen Krawatte kein grosses Charisma versprüht. Evangelos Meimarakis, der Vorsitzende der konservativen Partei Nea Dimokratia, ist einer, der ruhig spricht und in seinem ganzen Auftreten ein Understatement verkörpert, das dem eitlen Tsipras fremd ist.

"Er ist nüchtern und besonnen und kommt vielleicht sogar etwas bieder daher", sagte Markus Kaiser, der als Griechenlandexperte für die Friedrich-Naumann-Stiftung die aktuelle Entwicklung verfolgt. Und dieses Auftreten spiegele durchaus gut den Menschen wieder. "Meimarakis ist auf jeden Fall ein pragmatischer Politiker", betont Kaiser.

Meimarakis verkörpert das System der Seilschaften

Aufgewachsen ist der 61 jährige auf der Sonneninsel Kreta. Die Politik wurde ihm bereits in die Wiege gelegt. Schon sein Vater war Abgeordneter der Konservativen. Meimarakis wurde in Athen geboren, studierte Jura und Politische Wissenschaft und begann seine politische Karriere 1974 in der Jugend der Nea Dimokratia, der konservativen Partei Griechenlands. Seine politische Sozialisierung ist stramm konservativ. "In der Zeit der Studentenunruhen in den siebziger Jahren engagierte er sich sogar in einer quasi paramilitärischen Organisation gegen die Linken und Kommunisten", betont Kaiser, "der Mann ist ein echter Parteisoldat”.

1989 wurde Meimarakis zum ersten Mal ins griechische Parlament gewählt. 2007 bis 2009 war er als Verteidigungsminister Regierungsmitglied, danach 2012 bis 2015 Parlamentspräsident. Für diese Ämter habe Meimarakis nie eine Wahl gewonnen, erklärt Kaiser, sondern er sei von den Parteizirkeln ernannt worden. Auch jetzt hat ihn der enge Kreis des Parteivorstands zum Vorsitzenden gekürt. Dem Parteivolk musste er sich bisher nie stellen. "Meimarakis verkörpert wie kaum ein anderer das alte System der Seilschaften", betont Kaiser, "und das ist auch vielen in Griechenland bewusst".

Gross aufgefallen ist Meimarakis während seiner bisherigen politischen Karriere nie, es gibt kaum Schlagzeilen über hin. Genau dieser Umstand macht ihn offenbar interessant für die alten Eliten seiner Partei, die sich mit seiner Ernennung selbst aus der medialen Schusslinie bringen konnten. Denn die konservative Nea Dimokratia wird von vielen Wählern mitverantwortlich gemacht für die griechische Misere der vergangenen Jahre. Diesen Vorwurf kann und will auch Meimarakis im TV-Duell nicht entkräften.

Pragmatische Politik und Suche nach Lösungen

Stattdessen lässt er keinen Zweifel daran, dass er in der derzeitigen Situation eine Regierung mit einer breiten parlamentarischen Mehrheit für die beste Lösung hält. Uneitel und entwaffnend bietet er Tsipras vor laufenden Kameras Gespräche über eine grosse Koalition an. Die Botschaft ist klar, ihm geht es um pragmatische Politik und eine Suche nach Lösungen, statt um eine Inszenierung des nächsten medialen Showdowns, wie sie die Griechen in den vergangenen Monaten nur all zu oft erleben mussten.

Und ganz offensichtlich kommt diese nüchterne, unaufgeregte Art bei vielen griechischen Wählern gut an. In fast allen aktuellen Umfragen liegt Meimarakis fast gleichauf mit Tsipras, der eine Koalition mit den Konservativen momentan noch ausschliesst. Allerdings seien griechische Umfragen häufig von Interessen geleitet und mit Vorsicht zu geniessen, betont Kaiser, der persönlich eher von einem Wahlsieg von Tsipras ausgeht.

"Die Regierung wird wenig Spielraum haben"

Allzugrosse Veränderungen dürften die Griechen jedoch weder unter einem Premier Meimarakis noch unter Tsipras zu erwarten haben. Denn die enorme Schuldenlast macht einschneidende und harte Reformen in Griechenland praktisch unumgänglich. Das hat niemand besser bewiesen als Tsipras, der zwar aus der Sicht vieler Wähler wie ein Löwe gekämpft, aber doch nicht viel gewonnen hat. Im Gegenteil, er habe fast alle seine Wahlversprechen gebrochen, wirft ihm Meimarakis im TV-Duell vor.

"Auch die nächste Regierung wird wenig Spielraum haben", betont Kaiser. "Das Hilfspaket ist jetzt beschlossen und sowohl der Tsipras- Flügel der Syriza-Partei als auch Meimarakis konservative Nea Dimokratia haben den Auflagen der Geldgeber zugestimmt". Und diese Vorgaben werden 90 Prozent des Programms der nächsten Regierung ausmachen, glaubt Kaiser.

Es gehe eher um Semantik, also um die Frage, ob Politik in Zukunft wieder anders präsentiert werden wird. Und genau darin liegt wohl die Chance von Meimarakis. Gut möglich, dass viele griechische Wähler genug von der grossen Polit-Show ohne grosse Erfolge haben. Der fast provokativ sachlich und nüchtern daherkommende Meimarakis könnte für sie eine wählbare Alternative sein.

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