Kürzlich wurde ein deutscher Ableger der türkischen Regierungspartei AKP gegründet. Die neu gegründete Partei will offenbar bei der Europawahl antreten. Kritik kommt gleich aus mehreren Richtungen.
Die Gründung eines deutschen Ablegers der türkischen Regierungspartei AKP stösst auf Kritik. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan versuche, türkischstämmige Menschen in Deutschland zu "desintegrieren" und "eine Parallelwelt aufzubauen", sagte der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Volker Beck, am Montag dem Sender Welt TV. Die AKP versuche, "unsere Gesellschaft damit zu spalten". Kritik kam auch aus mehreren Parteien.
Die neu gegründete Partei tritt unter dem Namen Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch (Dava) auf und will Berichten zufolge bei der Europawahl antreten. Die türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete unter Berufung auf das Gründungsmanifest, die neue Partei wolle eine "starke Stimme der politisch Unterrepräsentierten" sein.
Anders als bei nationalen Wahlen gibt es bei der Europawahl in Deutschland derzeit keine Sperrklausel – also eine Mindestschwelle, die übersprungen werden muss, um im EU-Parlament vertreten zu sein. Rechnerisch reicht weniger als ein Prozent der Stimmen, um einen Abgeordneten zu entsenden.
Union erneuert Kritik an geplanter Reform des Staatsbürgerschaftsrechts
Die Union nahm die Parteigründung zum Anlass, ihre Kritik an der geplanten Reform des Staatsbürgerschaftsrechts zu erneuern. CDU und CSU hätten "ausdrücklich davor gewarnt, dass eine erleichterte doppelte Staatsbürgerschaft es attraktiv machen wird, einen Erdogan-Ableger in Deutschland zu gründen", schrieb Vize-Fraktionschef Jens Spahn am Montag auf X, vormals Twitter.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) äusserte sich nach einer Kabinettssitzung ähnlich: "Jetzt extra solche Parteien zu gründen, die den Eindruck erwecken, es soll von aussen die deutsche Politik beeinflusst werden, das finden wir falsch."
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) schrieb auf X: "Ein Erdogan-Ableger, der hier zu Wahlen antritt, ist das Letzte, was wir brauchen."
"Das ist eine Partei, die offenbar spalten will", sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr. "Da sollten wir die politische Auseinandersetzung sehr klar suchen." SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich zeigte sich zurückhaltend: Es müsse abgewartet werden, ob die Partei überhaupt Relevanz bekomme, sagte er. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken sagte, "spalterische Tendenzen eines Recep Tayyip Erdogan" dürften in Deutschland keine Rolle spielen.
Partei weist Kritik zurück: "Kein verlängerter Arm"
Die neu gegründete politische Vereinigung Dava hat die Kritik zurückgewiesen, ein Ableger der türkischen Regierungspartei AKP zu sein. "Wir haben weder vor der Gründung und auch nicht nach der Gründung Kontakt gehabt mit Vertretern von ausländischen Regierungen", teilte Dava-Sprecher Teyfik Özcan auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag mit. "Es ist uns wichtig, immer wieder zu betonen, dass die Dava kein verlängerter Arm irgendeiner ausländischen Regierung ist." Die Kritik an der Gründung der Vereinigung vor der kommenden Europawahl verstehe er nicht. Ziel sei es, "für Bürger, die sich nicht von den etablierten Parteien vertreten fühlen, eine politische Heimat zu geben".
Der Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion in der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe, Macit Karaahmetoglu, rät im Umgang mit Dava zu mehr Gelassenheit. Hier eine grosse Gefahr heraufzubeschwören, nutze nur der Erzählung von Rechtspopulisten. Er glaube weder, dass der türkische Präsident Erdogan und die AKP die Partei direkt, insbesondere finanziell, unterstützen werde, noch dass sich hinter der Gründung eine erhoffte Einflussnahme auf das Europaparlament verberge.
An der Europawahl 2024 können neben Parteien auch sonstige politische Vereinigungen teilnehmen, in die Dava fällt. Laut Statistischem Bundesamt hat Dava noch keinen Wahlvorschlag sowie Unterstützungsunterschriften bei der Bundeswahlleiterin eingereicht. Bei einer gemeinsamen Liste für alle Bundesländer seien Unterschriften von 4.000 Wahlberechtigten nötig. (AFP/dpa/tas)
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