Selbstbewusst, konservativ und erfahren: Die türkische Politikerin Meral Aksener will bei der nächsten Präsidentschaftswahl gegen Recep Tayyip Erdogan antreten. Wer sie ist, wofür sie steht - und ob sie dem Präsidenten gefährlich werden kann.
Planmässig findet die Präsidentenwahl in der Türkei Ende 2019 statt, vielleicht ist es aber auch schon in diesem Jahr soweit. Die Politikerin Meral Aksener jedenfalls glaubt, dass Staatsoberhaupt Recep Tayyip Erdogan den Urnengang auf den kommenden Juli vorziehen könnte.
Und sie selbst möchte dann antreten: für die "Gute Partei", die sie im vergangenen Herbst gegründet hat.
In einem Punkt ganz anders als Erdogan
Die "New York Times" bezeichnet Aksener bereits als ernstzunehmende Rivalin des amtierenden Präsidenten – und als "Anti-Erdogan".
Dabei sind sich der umstrittene Politiker und seine Herausforderin in vielen Punkten ähnlich: Beide gelten als nationalistische Hardliner, verfolgen eine marktliberale Wirtschaftspolitik und treten für eine harte Haltung im Kurden-Konflikt ein.
Trotzdem profiliert sich Meral Aksener mit einer klaren Abgrenzung zu Erdogan: Dass auf ihn zugeschnittene Präsidialsystem lehnt sie entschieden ab.
Als die Türken im vergangenen April über die neue Präsidialverfassung abstimmten, machte sich Aksener für ein "Nein" stark.
Während der türkische Präsident mit autoritären Zügen regiert, pocht die 61-Jährige auf Rechtsstaatlichkeit, freie Meinungsäusserung und die Unabhängigkeit der Justiz.
"Für Erdogan gefährlicher als ein linker Kandidat"
Zu dieser Zeit hatte ihre alte Partei, die rechtsextreme MHP, sie bereits ausgeschlossen: 2016 hatte sie erfolglos versucht, den Vorsitzenden herauszufordern.
Mit ihrer "Guten Partei" will sie nun gleich beide Lager der türkischen Wähler ansprechen: die Opposition, aber auch konservative Türken, die bisher für Erdogans AKP gestimmt haben.
"Ihre lange Geschichte verortet Meral Aksener klar im nationalistischen Lager", erklärt der Politikwissenschaftler und Journalist Ismail Küpeli im Gespräch mit unserer Redaktion.
"Für Erdogan stellt sie möglicherweise eine grössere Gefahr dar, als ein linker oder liberaler Kandidat, weil sie die gleichen Wählerschichten anspricht wie er."
Aufstieg durch Bildung
Meral Aksener wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Ihre Eltern stammen aus Griechenland und kamen in den 1920er Jahren in die Türkei, als beide Länder einen "Bevölkerungstausch" vereinbarten und mehr als 1,5 Millionen Menschen zwangsumsiedelten.
Aksener arbeitete sich hoch, promovierte in Geschichte. Dieser Aufstieg durch Bildung sei heutzutage schwieriger als vorher, wurde die Politikerin von der "New York Times" zitiert.
Sie prangert an, dass im Erdogan-Staat nur noch Anhänger seiner Partei eine Chance auf wichtige Posten haben.
Vor der Erdogan-Ära machte Aksener in der Politik Karriere: Von 1995 bis 2002 war sie Abgeordnete der konservativen Partei DYP, ab November 1996 ein halbes Jahr Innenministerin – als erste Frau in diesem Amt.
Dafür steht Aksener politisch
Auch in ihrer neuen Partei seien 48 der 200 Gründungsmitglieder Frauen, schreibt Sven-Joachim Irmer, Leiter des Auslandsbüros der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Istanbul, in einem Länderbericht.
Das sei "für eine nationalistische Mitte-Rechts-Partei sehr viel". In ihrem Parteiprogramm spricht sich die Mutter und Grossmutter, die kein Kopftuch trägt, für eine Frauenquote im öffentlichen Dienst aus.
"Für eine bestimmte Schicht von Frauen ist in der türkischen Politik und Gesellschaft durchaus eine aktive Rolle vorgesehen", erklärt Türkei-Experte Küpeli. "Frauen stehen dann aber unter dem Druck, besonders hart und konsequent aufzutreten."
Im Konflikt mit der kurdischen Bevölkerungsgruppe hat Aksener schon als Innenministerin jegliche Autonomiebestrebungen abgelehnt.
"Sie hat die AKP von Erdogan sogar dafür kritisiert, als diese eine Zeit lang einen Friedensprozess initiieren wollte."
Ein schwieriger Spagat
Ob Aksener Erdogan wirklich gefährlich werden kann, bezweifeln Beobachter. Um ins Parlament einzuziehen, müsste ihre Partei die 10-Prozent-Hürde überspringen.
Bei der Parteigründung im Oktober 2017 machte Sven-Joachim Irmer laut seines Berichts viele Anwesende aus, die mit den Händen Wolfsköpfe formten – das Symbol der türkischen Rechtsextremisten.
Gleichzeitig müsste Askener aber auch liberale Wähler an sich binden, wenn sie eine mächtige Bewegung formen will.
"Ihr politischer Erfolg wird daran gemessen werden, ob sie es schafft, verschiedene Lager von Erdogan-Gegnern zu vereinen", sagt Ismail Küpeli.
Ein weiterer Spagat für Askener: Wenn sie den Präsidenten allzu scharf kritisiert, gerät sie möglicherweise selbst in Gefahr. Die AKP stellt Aksener in die Nähe der Gülen-Bewegung, die Erdogan für den Putschversuch vom August 2016 verantwortlich macht. Sie selbst bestreitet das.
Wie die SPD-nahe Zeitung "Vorwärts" berichtet, lehnt Aksener Gespräche mit ausländischen Journalisten ab – aus Angst, als "Spionin und Agentin ausländischer Mächte angeprangert zu werden".
Meral Aksener scheint sich aber nicht unterkriegen zu lassen. In einem Interview mit dem türkischen Sender Fox TV sagte sie einmal: "Ich bin auf alles vorbereitet, selbst wenn es der Tod sein sollte."
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