Einst verkörperten sie die Hoffnung auf ein freies Syrien und wurden vom Westen massiv unterstützt. Mittlerweile sind die Kämpfer der Freien Syrischen Armee (FSA) zu einem korrupten Söldnerhaufen geworden. Warum baut die Türkei bei ihrer Invasion in Syrien trotzdem auf FSA-Unterstützung?

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Im Juli 2011 gründete Oberst Riad al-Asaad die FSA, nachdem er von der regulären syrischen Armee desertiert war. Es gelang ihm, aus den Anhängern verschiedener politischer Richtung eine schlagkräftige Truppe zu schmieden.

Säkular sollte die Rebellenarmee sein – unabhängig von den verschiedenen Glaubensrichtungen in Syrien, geeint von dem Wunsch, Machthaber Baschar Al-Assad aus seinem Amt zu vertreiben. Doch schnell brachen Widersprüche zwischen den verschiedenen Fraktionen der FSA auf, erlangten islamistisch orientierte Gruppierungen Einfluss.

Heute beherberge die FSA Söldner aus dem weltweiten islamistischen Umfeld, sagt Günter Meyer, Professor an der Universität Mainz und Leiter des Zentrums für Forschung zur Arabischen Welt.

Syrische Quellen berichten von FSA-Kämpfern aus Tschetschenien und Dagestan, sogar chinesische Uiguren sollen dazugehören. Sie verfolgen unterschiedlichste Ziele, so Meyer, seien jedoch weitgehend als fanatische Dschihadisten einzuordnen.

USA mussten nehmen, was sie kriegen konnten

Dass die Gruppe trotz ihrer uneinheitlichen Ausrichtung Unterstützung aus dem Ausland erhält und derzeit von der Türkei als Hilfstruppe im Kampf gegen die Kurden hofiert wird, hat Gründe.

Es sei anfangs eine Koalition aus den USA, dem Emirat Katar und Saudi-Arabien gewesen, berichtet Meyer, von der die FSA finanziert, militärisch ausgebildet und mit Waffen ausgerüstet worden sei.

Schon damals sei klar gewesen, "dass das ein völlig disziplinloser Haufen war". Die USA aber hätten in ihrem Bestreben, das Assad-Regime zu stürzen, "einfach genommen, was sie kriegen konnten".

Schon bald wanderten einzelne Fraktionen der FSA zu den Islamisten ab: Zur terroristisch-islamistischen Al-Nusra-Front etwa, oder gleich zum Islamischen Staat (IS).

Aus der FSA sei "ein korrupter Söldnerhaufen geworden, dessen Kämpfer in vielen Fällen zu der Kriegspartei überliefen, die am besten bezahlt hat", sagt Günter Meyer.

Das nutze jetzt der türkische Präsident Erdogan aus, um die FSA für seine politischen Ziele im Kampf gegen die Kurden einzusetzen.

Furcht vor einem Kurdenstaat in Syrien

Auslöser für die Eskalation im türkischen Konflikt mit den syrischen Kurden war nach Ansicht von Günter Meyer ein "schwerer Fehler der USA".

Die hatten angekündigt, eine Armee von 30.000 meist kurdischen Kämpfern im Nordosten Syriens aufzubauen, die unter anderem entlang der türkischen Südgrenze eingesetzt werden sollte.

"Das war eine Steilvorlage für Erdogan, der dies als akute militärische Bedrohung seines Landes durch kurdische Terroristen deklarierte", sagt Meyer.

Das von den Kurden zu schützende Gebiet interpretierte die türkische Regierung als die zukünftige Grenze eines von den USA unterstützten autonomen Kurdenstaates, der eng mit der kurdischen Terrororganisation PKK in der Türkei zusammenarbeiten würde.

Für Präsident Recep Tayyip Erdogan ein Kriegsgrund und zugleich die Chance, mit nationalistischen Parolen die Zustimmung grosser Teile der türkischen Bevölkerung für eine grossangelegte Militäraktion gegen die von Syrien ausgehende Bedrohung zu gewinnen.

Erklärtes Ziel der türkischen Invasion in Syrien: Ein dreissig Kilometer breiter "Sicherheitsstreifen" gegen die Kurden in der Provinz Afrin entlang der syrisch-türkischen Grenze.

Der Konflikt wird immer unentwirrbarer

Die Invasion richtet sich zunächst gegen die kurdische Enklave Afrin im äussersten Nordwesten Syriens.

Weil das Gelände schwierig ist, Kommandounternehmen und gefährliche Infanterieeinsätze notwendig sind und die Türkei grosse Verluste unter den eigenen Soldaten vermeiden möchte, greift sie auf unterschiedliche islamistische Söldnertruppen zurück, "die als Freie Syrischen Armee deklariert werden und unter türkischem Kommando kämpfen", so Meyer.

In einer zweiten Invasion soll dann der "Sicherheitsstreifen" im Nordosten Syriens entlang der gesamten türkischen Grenze ausgedehnt werden – ein Gebiet, das von den überwiegend kurdischen und den USA unterstützten Kämpfern der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) kontrolliert wird.

Damit droht eine direkte Konfrontation zwischen den Nato-Partnern Türkei und USA.

Nach der Invasion in Afrin soll sich der nächste türkische Angriff gegen Manbidsch richten. Diese Stadt liegt am westlichen Rand des SDF-kontrollierten Gebietes.

Erdogan hat versprochen, die Stadt "von den kurdischen Terroristen zu befreien", und die US-Regierung bereits aufgefordert, ihre dort stationierten Einheiten umgehend abzuziehen.

Washington hat zwar zugesagt, die Waffenlieferungen an die SDF einzustellen, lehnt jedoch den Rückzug der Truppen ab. Erdogan muss sich jetzt entscheiden, ob er einlenken oder die USA weiter provozieren will.

Der Konflikt im Norden Syriens ist also mit dem Eingreifen der türkischen Nachbarn noch unentwirrbarer geworden. Denn die Koalition der Assad-Gegner, allen voran die USA, Saudi-Arabien und Israel, will aus Syrien einen föderalen, in seiner Macht beschränkten Staat machen.

Erdogan dagegen plädiert für einen starken Zentralstaat, weil nur dieser die Kurden in Zaum halten könne. Man akzeptiere in der Türkei zunehmend, so Experte Günter Meyer, "dass man Assad braucht und dass er an der Macht bleiben sollte".

So verwirren sich die Fronten immer mehr. Die Türkei, einst Bündnispartner der USA im Kampf gegen die Islamisten, wird zum Assad-Freund und damit zum Gegner der USA.

Und im Kampf gegen die Kurden verbündet sie sich mit den Islamisten der FSA, die sie bisher zu bekämpfen vorgegeben hat.




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