Am Sonntag wählen die Türken ihr Parlament und ihren Präsidenten neu. Nach einem Wahlkampf unter ungleichen Bedingungen für Regierungspartei und Opposition liegt die Vermutung nahe, dass es auch bei der Abstimmung nicht mit rechten Dingen zugehen wird.

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Wie demokratisch sind die Wahlen in der Türkei am Sonntag? Die türkische Regierung versichert, dass sie fair ablaufen werden. Kritiker zweifeln aus verschiedenen Gründen. Sechs Beispiele:

Ausnahmezustand

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat einen nach dem Putschversuch vom Juli 2016 verhängten Ausnahmezustand bislang siebenmal verlängert. Unter ihm sind Grundrechte, wie etwa die Versammlungsfreiheit, eingeschränkt. Viele Oppositionspolitiker, darunter der pro-kurdische Präsidentschaftskandidat Selahattin Demirtas, sitzen in U-Haft.

Erst im Mai hatte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Said Raad al-Hussein, bemängelt, dass in einem Umfeld, in dem von der Regierungslinie abweichende Meinungen hart bestraft würden, "glaubwürdige" Wahlen "schwer vorstellbar" seien.

Schikanen

Kaum Erdogan-Anhänger finden sich unter den Kurden. 2015 hatte Erdogan den Friedensprozess mit der kurdischen Arbeiterpartei PKK, die auch in Deutschland als Terrororganisation gilt, abgebrochen. Die - beiderseitige - Gewalt in den Kurdengebieten im Osten des Landes nahm wieder zu.

Für den Putschversuch im Juli 2016 machte Erdogan die Kurden verantwortlich. Seit Februar bombardiert die türkische Armee die Stellungen der kurdischen YPG in Syrien.

Viele Kurden glauben, die Regierung wolle ihre Stimmabgabe verhindern. Wie das ZDF berichtet, haben kurdische Wähler aus Dyabakir in Südostanatolien bis heute keine Wahlunterlagen erhalten, weil sie offiziell noch in jenen vier Stadtvierteln gemeldet sind, die seit dem Krieg 2015 Sperrgebiet sind. Obwohl die Menschen nicht dorthin zurückdürfen, seien ihre Wahlunterlagen dorthin gesendet worden.

Auch seien Wahllokale kurzfristig verlegt worden - aus Sicherheitsgründen, wie es hiess. Informiert wurden die Bürger laut ZDF nicht.

Medien

Ein Grossteil der Medien in der Türkei stehen unter direkter oder indirekter Kontrolle der Regierung und geben der Opposition wenig Raum.

Wahlkampfreden Erdogans dagegen übertragen die wichtigsten Sender mehrmals täglich und in voller Länge live.

Wahlgesetz

Anfang des Jahres wurde auf Vorschlag von Erdogans AKP das Wahlgesetz geändert. Einige Punkte sind umstritten.

Unter anderem sollen Stimmzettel, die zuvor als ungültig eingestuft wurden, nun zählen - etwa dann, wenn der Stempel der Wahlkommission auf Kuverts und Stimmzetteln fehlt. Kritiker sagen, dass damit eine wichtige Schutzvorkehrung gegen Wahlbetrug weggefallen sei.

Gewalt

Die pro-kurdische Oppositionspartei HDP hat seit Ende April mehr als hundert Behinderungen im Wahlkampf registriert. Wahlkampfbusse seien mit Steinen beworfen, Parteibüros verwüstet und Infostände angegriffen worden. Die Behörden hätten ausserdem einige Versammlungen verboten. Mehr als 200 HDP-Anhänger seien festgenommen worden.

Nicht nur die HDP wurde zum Ziel: Im Mai griffen Unbekannte zudem einen Wahlkampfstand der oppositionellen Iyi-Partei mit Messern und Schlagstöcken an, nach Parteiangaben wurden fünf Anhänger verletzt.

Auch die grösste Oppositionspartei CHP beklagt Angriffe auf Wahlkampfstände.

Mitte Juni wurden vier Menschen bei einer Schiesserei zwischen Anhängern der Regierungspartei AKP und der HDP getötet. Beide Parteien machen sich gegenseitig verantwortlich.

Wahlbeobachter

Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und der Parlamentarische Versammlung des Europarates werden vor Ort sein. Für Kritik sorgte jüngst jedoch, dass die Türkei dem Linken-Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko und dem schwedischen Parlamentarier Amin Jabar die Einreise zu diesem Zweck verweigert hat.

Hunko war beim Verfassungsreferendum im April 2017 als Wahlbeobachter tätig gewesen und hatte von "undemokratische und unfaire Bedingungen" gesprochen.


Die türkische Regierung unterstellt Hunko seither Nähe zur PKK - dabei war er mit seiner Einschätzung nicht allein: Die OSZE bemängelte, Befürworter und Gegner des Präsidialsystems hätten im Wahlkampf "nicht die gleichen Möglichkeiten" gehabt. Bei der Klärung von Manipulationsvorwürfen habe sich die Regierung Erdogan nicht kooperativ gezeigt. (dpa/mcf)

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