Hass, Gewalt, Lynchjustiz: Die Beteiligten am missglückten Militärputsch in der Türkei wurden zum Teil bereits Opfer des Volkszorns der Erdogan-Anhänger. Nun müssen sie auch mit Rache-Massnahmen des türkischen Präsidenten rechnen: Recep Tayyip Erdogan macht sich für die Wiedereinführung der Todesstrafe stark. Die Verhafteten werden bis auf Weiteres in Massenlagern interniert.

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Ein Soldat hält sich die Hände vor Stirn und Ohr, um Fusstritte und Peitschenhiebe abzuwehren. Ein anderer krümmt sich vor einem Bus, während mehrere Männer mit wutentbrannten Gesichtern auf ihn eintreten.

Ein dritter Körper wird von einem Mob, der den Mann offenbar gelyncht hat, davongezerrt. Auf der Stirn des Toten sind Abdrücke einer Sohle zu erkennen.

Und schliesslich gingen auch die Bilder von mehreren Dutzend zusammengepferchten halbnackten Männern in einem Stall um die Welt.

Den Gefangenen wird vorgeworfen, am Staatsstreich gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan beteiligt gewesen zu sein. Noch während der chaotischen Ereignisse hatte Erdogan Härte gegen die Putschisten angekündigt. Sogar die Wiedereinführung der Todesstrafe, welche die Türkei 2004 abgeschafft hatte, scheint nun möglich zu sein.

"Zitternde junge Männer"

Aber wer sind die Putschisten, die den islamischen Staatschef und die regierende AKP stürzen wollten?

Viele rangniedrige, meist junge Soldaten, sollen involviert gewesen sein. Es gibt Berichte darüber, dass man ihnen den wahren Einsatzgrund gar nicht genannt, sondern sie im Glauben gelassen hatte, es handele sich um eine Übung.

Von dem Staatsstreich erfuhren manche demnach erst von den Demonstranten oder gar erst bei ihrer Verhaftung. Ein Mitarbeiter des vorübergehend besetzten Senders CNN Türk berichtete von zitternden jungen Männer, die sagten, "sie befolgten lediglich Befehle".

Wie viele Soldaten sich aktiv am Putsch beteiligten, ist unklar. Von mehr als 3.000 verhafteten Angehörigen aller Waffengattungen ist laut übereinstimmenden Medienberichten die Rede. Ob sie tatsächlich alle in den Coup involviert waren, ist nicht gesichert.

Darüber hinaus wurden mehr als 100 Generäle aus der Luftwaffe, der Panzertruppe, der Marine und der Gendarmerie verhaftet. Jedoch war im Gegensatz zu früheren militärischen Aufständen nicht die gesamte Armeeführung beteiligt.

Anführer der Putschisten soll der Ex- Luftwaffenchef Akin Öztürk gewesen sein. Andere hochrangige Generäle zeigten sich gegenüber der türkischen Regierung indes loyal.

Stall und Turnhalle dienen als Massenlager

Bisher gibt es kaum gesicherte Informationen, wohin die Verhafteten gebracht worden sind. Ein Foto, das sich rasant in den sozialen Netzwerken verbreitete, soll Festgesetzte in einer grossen Halle der Binicilik Garnison, einer Reitergarnison, zeigen.

Dutzende sitzen oder hocken in einem Stall, nur in Unterwäsche gekleidet und nebeneinander aufgereiht. Ihre Hände sind mit Kabelbindern hinter dem Rücken gefesselt.

Auch aus einem Sportzentrum in Ankara wurden Aufnahmen festgesetzter Soldaten publik. Um die 100 Männer warten gefesselt auf dem Spielfeld einer grossen Sporthalle. In den Gefängnissen scheint kein Platz mehr zu sein. Wie lange die Männer in den Internierungslagern ausharren müssen ist ebenso wenig bekannt, wie das genau Mass der Misshandlungen und Selbstjustiz.

Einige Putschisten sollen sich aus Angst vor Folter oder dem Tod bereits ins Ausland abgesetzt, darunter acht Soldaten einer Hubschrauberbesatzung nach Griechenland.

Den Preis für den missglückten Coup mussten zunächst die einfachen Soldaten zahlen. Nach einem Bericht der dem Militär nahestehenden Zeitung "Sözcü" habe ein aufgebrachter Mob einem Soldaten in Istanbul die Kehle durchgeschnitten.

Weitere Fälle von Lynchjustiz sollen sich ereignet haben, darunter die Enthauptung eines Soldaten. Im Chaos starben nach Regierungsangaben mindestens 290 Menschen, darunter 100 Putschisten.

Auch die verhafteten Generäle erwarten nun harte Strafen. Sie gelten als Landesverräter. Bereits am Montag sollen Akin Öztürk und weiterer Mitverschwörer einem Richter vorgestellt worden sein.

Beobachter bezweifeln, dass die Militärs nun rechtsstaatliche Prozesse nach demokratischen Standards erwarten. Zumal die mögliche Wiedereinführung der Todesstrafe wie ein Damoklesschwert über den Putschisten schwebt.

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