Neue Provokationen in der Ukraine: Die Spannungen zwischen der Regierung in Kiew und den Separatisten in der Ostukraine haben sich wieder verschärft. Nach Meinung der Osteuropa-Expertin Susan Stewart wird sich die Lage in absehbarer Zeit zuspitzen.

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Wie ist derzeit die Lage in der Ostukraine?

Die prorussischen Separatisten haben die umstrittenen Wahlen in den zwei selbsternannten "Volksrepubliken" Donezk und Lugansk gewonnen. Der Chef der Zentralen Wahlkommission, Roman Ljagin, erklärte laut der russischen Nachrichtenagentur Ria Novosti die Region Donbass damit als endgültig abgetrennt von der Ukraine.

Die Wahlen werden allein von Russland als legitim anerkannt, die ukrainische Regierung in Kiew, die EU und die USA lehnen sie ab. "Die Separatisten haben durch die Anerkennung von Russland einen moralischen Aufschub bekommen", sagt Dr. Susan Stewart, Expertin für Russland und die Ukraine von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Für die Bevölkerung hat die neue Situation im Osten des Landes fatale Folgen. Die Versorgung der Bürger könne derzeit von den Separatisten kaum gewährleistet werden, sagt die Expertin. "Das kleine Gebiet ist nicht überlebensfähig ohne Hilfe von Russland", meint Stewart. Die neuen Herrscher bilden eine sehr gemischte Gruppe und haben kaum Verwaltungskapazitäten. Die Situation ist "sehr chaotisch", sagt Stewart und warnt: "Es gibt die Gefahr, dass sich die Lage im Winter zuspitzt."

Flammen die Kämpfe wieder auf?

Die Wahlen in Donezk und Lugansk haben Kiew provoziert und den Ton zwischen den Konfliktparteien wieder verschärft. Die ukrainische Regierung droht damit, die per Gesetz über drei Jahre gewährte Teilautonomie und die Amnestie für die Separatisten in der Ostukraine wieder aufzuheben. Als Reaktion warnen die Aufständischen vor einem Scheitern des Friedensprozesses.

"Die Waffenruhe ist nie richtig eingetreten. In letzter Zeit droht die Situation wieder zu eskalieren", befürchtet Osteuropa-Expertin Stewart. "Die Lage wird in absehbarer Zeit nicht zur Ruhe kommen." Die Hindernisse für einen echten Friedensprozess konnten nicht aus dem Weg geräumt werden. Bisher sind mehr als 4.000 Menschen bei den Kämpfen gestorben.

Welche Rolle spielen der Westen und Russland?

Auch in den internationalen Beziehungen zwischen Russland und dem Westen nehmen die Spannungen zu. Die von den Separatisten beherrschten Gebiete werden weiter von russischer Seite unterstützt. Moskau kann inzwischen ungehindert Lastwagen-Konvois nach Donezk und Lugansk schicken. Nach Angaben der russischen Agentur Itar-Tass liefern sie Lebensmittel, Medizin, Benzin und Baumaterial.

Bundesaussenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) rief Russlands Präsident Wladimir Putin dazu auf, die Einheit der Ukraine zu respektieren. Die USA drohen Russland mit weiterer Isolation. Der Nato-Oberbefehlshaber in Europa, Philip Breedlove, hat das Pentagon ausserdem um mehr Truppen und Ausrüstung gebeten. Er warnte vor einem "strategischen Wendepunkt" in der Auseinandersetzung mit Russland.

"Wenn Russland seine Haltung nicht ändert, lässt sich keine Lösung finden", glaubt Stewart. Die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini hat Zweifel geäussert, dass die Sanktionen der Europäischen Union Russland zum Einlenken in der Ukraine-Krise bewegen werden. Die Russland-Expertin hält die Strafmassnahmen dennoch für sinnvoll: "Die Sanktionen haben eine mittel- bis langfristige Wirkung. An Russland wird das Signal gesendet, dass das Verhalten nicht akzeptabel ist - auch in Hinsicht auf andere Länder wie Georgien."

Mit Material der dpa
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