Die Abstimmung bei den Vereinten Nationen über eine sofortige Waffenruhe im Gazastreifen zeigt, wie sich die Welt im Krieg in Nahost positioniert. Dabei finden sich Bündnispartner wie die USA und Frankreich auf entgegengesetzten Seiten wieder. Wie begründen die Länder ihre jeweilige Abstimmung?
Bei UN-Resolutionen beginnt das Ringen um Positionen schon lange vor der Abstimmung. Welche Passagen und Worte schaffen es in den Text, über den abgestimmt wird, und welche nicht? Nach dem Ringen um die passenden Formulierungen fand sich am Freitag eine deutliche Mehrheit für eine "sofortige Waffenruhe im Gazastreifen".
120 Länder stimmten dafür, 45 enthielten sich, 14 waren dagegen. Das Papier erreichte damit die notwendige Zweidrittelmehrheit. Allerdings sind Resolutionen der UN-Vollversammlung nicht rechtlich bindend. Bemerkenswert war dennoch das unterschiedliche Abstimmungsverhalten - vor allem der westlichen Länder.
Während Frankreich und Spanien für die Resolution stimmten, enthielten sich Deutschland, Grossbritannien und Italien. Die USA stimmten zusammen mit kleineren EU-Staaten wie Österreich, Tschechien und Ungarn mit Nein.
Es kommt auf die Feinheiten an
Um das Abstimmungsverhalten der einzelnen Länder zu verstehen, muss man sich die Resolution genau anschauen. Es ging dabei nämlich nicht nur um eine Waffenruhe. In der internationalen Diplomatie spielen Feinheiten in der Wortwahl eine entscheidende Rolle. Wichtig ist nicht nur, was im Papier steht, sondern auch, was fehlt.
Die verabschiedete Resolution verurteilt unter anderem jegliche Gewalt gegen israelische und palästinensische Zivilisten und fordert die sofortige und bedingungslose Freilassung aller Zivilisten, die "illegal festgehalten" werden.
Ausserdem verlangt sie ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe in den Gazastreifen und ruft zu einer "sofortigen dauerhaften und nachhaltigen humanitären Waffenruhe" auf, die zu einer "Einstellung der Feindseligkeiten" führen solle.
Keine explizite Verurteilung des Hamas-Terrors
Den Ländern, die die Resolution ablehnten oder sich enthielten, fehlten einige Punkte. So bemängelte Aussenministerin
Ein von Kanada eingebrachter Zusatz hatte deshalb vorgeschlagen, die "Terrorattacken der Hamas" und die Geiselnahmen zu verurteilen und die sofortige und bedingungslose Freilassung der Geiseln zu fordern. Dieser Zusatz verfehlte aber eine notwendige Zweidrittelmehrheit - aufgrund der Ablehnung der arabischen Staaten, aber auch Chinas und Russlands.
Der Grossteil der europäischen und westlichen Partner wählte deshalb denselben Weg wie Deutschland und enthielt sich. Kanada, Grossbritannien, Japan, Südkorea und die Ukraine taten das ebenso wie die EU-Länder Dänemark, Schweden, Niederlande, Italien und Polen.
CDU und jüdische Verbände hätten sich Ablehnung gewünscht
In Deutschland gab es daraufhin Kritik von jüdischen Verbänden und der CDU. Man hätte die Resolution ablehnen und sich klarer an die Seite Israels stellen sollen, war der Tenor. Der aussenpolitische Sprecher der FDP, Ulrich Lechte, verteidigte die Enthaltung im "Tagesspiegel". So könnten "Gesprächskanäle offengehalten werden, um weiteres ziviles Leid auf beiden Seiten zu verhindern".
Andere FDP-Politiker gingen dagegen kritischer mit dem Abstimmungsverhalten des Aussenministeriums um. FDP-Generalsekretär Djir-Sarai nannte das Votum im "Tagesspiegel" "enttäuschend und nicht nachvollziehbar". Christian Lindner bemerkte: "Ich nehme nur wahr, dass die Hamas das Votum feiert und Israel stark kritisiert."
Israels Botschafter Ron Prosor forderte von Deutschland mehr Unterstützung in der UN: "Seit Jahren reflektiert zum Beispiel das Abstimmungsverhalten Deutschlands in der UNO nicht das besondere Verhältnis unserer beider Staaten", sagte Prosor der "Rheinischen Post" am Montag.
Wer gegen die Resolution gestimmt hat
Israel war eines von 14 Ländern, die gegen die Resolution stimmten. An seiner Seite fanden sich neben den USA noch Österreich, Kroatien, Tschechien, Ungarn und einige nicht-europäische Staaten wie Paraguay oder die Fidschi-Inseln.
Die USA störte sich an der in der Resolution festgehaltenen "sofortigen Waffenruhe". Die Regierung von Präsident Joe Biden argumentierte, das würde nur der Hamas dienen, sich neu aufzustellen. US-Aussenminister Antony Blinken schlug im UN-Sicherheitsrat stattdessen "humanitäre Pausen" vor. Eine Wortwahl, auf die sich auch die EU bei ihrem Gipfel geeinigt hatte.
Österreichs Kanzler Karl Nehammer begründete die Ablehnung Österreichs mit demselben Argument, mit dem Deutschland eine Enthaltung begründet hatte. Nämlich dass "die Gräuel der Hamas vom 7. Oktober nicht verurteilt werden" und "Israels völkerrechtlich verankertes Recht auf Selbstverteidigung nicht festgehalten wird". Von Seiten des grünen Koalitionspartners hiess es, dass man eine Enthaltung für angemessener gehalten hätte.
Warum Frankreich für die Resolution stimmte
Es gab allerdings auch Europäer, die für die Resolution abstimmten. Der prominenteste Vertreter dieser Fraktion ist Frankreich, aber auch Spanien und Portugal oder die Schweiz stimmten zu. In einer Mitteilung begründete der Vertreter Frankreichs bei den Vereinten Nationen, Nicolas de Riviere, die Zustimmung damit, dass "nichts das Leiden von Zivilisten rechtfertige". Man müsse gemeinsam an einem "humanitären Waffenstillstand" arbeiten, weil die Lage in Gaza katastrophal sei.
In der Mitteilung stellt de Riviere aber auch klar, dass Frankreich es bedauere, dass "einige wichtige Elemente", wie eine klare Verurteilung des Hamas-Terrors, im Text fehlten. Man betont, dass Israel das Recht habe, sich zu verteidigen, erinnert dabei aber an die Pflicht des Landes, dies im Einklang mit dem Völkerrecht zu tun.
Insgesamt grosse Mehrheit für die Resolution
Insgesamt stimmte eine grosse Mehrheit für die Resolution. Darunter muslimisch geprägte Staaten wie der Iran und Saudi-Arabien sowie grosse Teile Südamerikas und die meisten afrikanischen Länder. Manche Länder betreiben dabei ein doppeltes Spiel: So zündelt die vom Iran unterstützte Hisbollah weiter, indem sie Israel mit Raketen angreift. Auch Russland dürfte ein Interesse daran haben, dass der Konflikt andauert und die USA vom Krieg in der Ukraine ablenkt.
Am schlimmsten für Israel und die USA ist das Bild, das durch das Abstimmungsverhalten entsteht: Eine grosse Mehrheit, die angeblich Frieden will, steht vermeintlich einer Minderheit um die USA und Israel gegenüber, die das nicht will. Das befeuert eine Erzählung, die nicht nur in der arabischen Welt verbreitet ist, nach der Israel und die USA die Aggressoren im Nahostkonflikt seien. China und Russland können sich dagegen als neutrale Vermittler präsentieren.
Verwendete Quellen:
- Statement der Französischen UN-Vertretung
- Material der dpa und AFP
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