Ist die geplante EU-Asylreform nach den Entscheidungen der vergangenen Wochen und Monate in trockenen Tüchern? Das Vorgehen von Ungarn und Polen weckt Zweifel daran. Beim Gipfel in Granada sorgen die beiden Länder erneut für Ärger.
Polen und Ungarn haben beim EU-Gipfel im spanischen Granada eine geplante Erklärung zur Migrationspolitik und anderen strategisch wichtigen Themen blockiert. Das sagten mehrere EU-Diplomaten am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki kündigte beim Kurznaqchrichtendienst X (früher Twitter) an: "Ich habe beschlossen, gegen den Teil über die Migration mein Veto einzulegen."
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban kündigte weiteren Widerstand gegen Pläne für eine EU-Asylreform an, die eine Pflicht zur Solidarität mit besonders stark von Migration betroffenen Staaten vorsieht. Aus seiner Sicht gebe es keinerlei Chance mehr auf Kompromisse und Vereinbarungen, nachdem Ungarn und Polen "rechtlich vergewaltigt" worden seien.
Orban spielte darauf an, dass wichtige Entscheidungen für die geplante Reform des europäischen Asylsystems jüngst gegen den Willen von Ungarn und Polen per Mehrheitsentscheidung getroffen wurden. Die beiden Länder sind ungeachtet anderslautender juristischer Analysen der Meinung, dass dies nur im Konsens, also ohne Gegenstimmen, hätte geschehen können.
Interpretation von Polen und Ungarn: In Asylpolitik soll nur noch mit Konsens entschieden werden
Sie verweisen dabei auf EU-Gipfel-Erklärungen in den Jahren 2016, 2018 und 2019. So heisst es in einem Text der Staats- und Regierungschefs aus dem Juni 2019: "Es muss ein Konsens für eine Reform der Dublin-Verordnung auf der Grundlage eines ausgewogenen Verhältnisses von Verantwortung und Solidarität gefunden werden." Ungarn und Polen interpretieren dies so, dass in der gesamten Asylpolitik nur noch mit Konsens entschieden werden soll.
Sie wehren sich insbesondere dagegen, dass den Plänen zufolge stark belasteten Staaten wie Italien und Griechenland künftig ein Teil der Asylsuchenden abgenommen werden soll. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, würden zu Ausgleichszahlungen gezwungen werden.
Die Blockade der geplanten gemeinsamen Erklärung zur Migration hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf den laufenden Prozess für eine europäische Asylreform. Denkbar ist allerdings, dass Polen und Ungarn die derzeit laufenden Verhandlungen über eine Revision des langfristen EU-Haushalts nutzen, um weiteren Druck beim Thema Asylreform zu machen. Bei diesem Thema ist Einstimmigkeit erforderlich, und die Revision soll auch eine Fortsetzung der Finanzhilfen für die Ukraine ermöglichen.
Der polnische Ministerpräsident Morawiecki hatte am Rande des Gipfels zum Asylstreit betont, er habe keine Angst, sich dem "Diktat aus Brüssel und Berlin" zu widersetzen. (dpa/tas)
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