- Zahlreiche Frauen werfen Andrew Cuomo sexuelle Belästigung vor, der Gouverneur wies die Vorwürfe immer wieder zurück.
- Jetzt ergibt eine offizielle Untersuchung: Cuomo hat mehrere Frauen sexuell belästigt.
- Ist das das Ende seiner politischen Karriere?
Ungewollte Küsse und Berührungen, unangebrachte Kommentare und eine "feindliche Arbeitsatmosphäre" mit einem "Klima der Angst": New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo soll einer Untersuchung zufolge mehrere Frauen sexuell belästigt haben. "Wir stellen fest, dass der Gouverneur eine Reihe von früheren und derzeitigen Mitarbeiterinnen des Bundesstaats sexuell belästigt hat, indem er sie unter anderem ungewollt berührt hat, sowie beleidigende, sexuell-anzügliche Kommentare gemacht hat, die eine feindliche Arbeitsatmosphäre für Frauen geschaffen hat", heisst es in einem am Dienstag in New York von Generalstaatsanwältin Letitia James veröffentlichten 168 Seiten langen Bericht.
"Verstörendes Verhaltensmuster" des Gouverneurs
Für die Untersuchung sei mit 179 Zeugen gesprochen und rund 7.400 Beweismaterialien seien gesichtet worden, sagte James bei einer Pressekonferenz. Daraus sei "ein sehr verstörendes, aber klares Bild" von einem "verstörenden Verhaltensmuster" des Gouverneurs entstanden. Unter anderem habe es ungewollte Berührungen, Küsse, Umarmungen und unangebrachte Kommentare gegeben. Ausserdem habe Cuomo eine für Frauen "feindliche Arbeitsatmosphäre" und ein "Klima der Angst" geschaffen. Die Anschuldigungen kommen vor allem von elf Frauen. "Ich glaube diesen Frauen und ich danke ihnen für ihren Mut", sagte James.
Ihre Arbeit sei damit abgeschlossen, sagte die Generalstaatsanwältin weiter. "Der Bericht spricht für sich selbst." Es habe sich um eine zivile Untersuchung gehandelt, die nicht automatisch strafrechtliche Konsequenzen nach sich zöge - auch wenn sich diese auf Basis des veröffentlichten Beweismaterials separat ergeben könnten. "Die nächsten Schritte liegen beim Gouverneur, beim Parlament und bei der Öffentlichkeit." Von Cuomo gab es zunächst keine Reaktion.
Cuomo verteidigt sich: Er habe nur Dankbarkeit und Freundschaft ausdrücken wollen
Cuomo wies die Vorwürfe kurz nach der Pressekonferenz per Videobotschaft erneut zurück. "Die Fakten sind ganz anders als sie hier dargestellt werden", sagte der Gouverneur. "Ich will, dass Sie direkt von mir hören, dass ich niemals jemanden unangemessen berührt oder mich jemandem unangemessen genähert habe. Ich bin 63 Jahre alt. Ich habe mein gesamtes Erwachsenenleben im Auge der Öffentlichkeit verbracht. Das entspricht einfach nicht dem, der ich bin, oder der ich jemals war."
Cuomo entschuldigte sich erneut bei einigen der Frauen. Er habe nur helfen und Dankbarkeit und Freundschaft ausdrücken wollen. Er übernehme die Verantwortung und wolle Veränderungen herbeiführen. So habe er beispielsweise einen Experten engagiert, der sein komplettes Team fortbilden solle. Einen möglichen Rücktritt, den auch Parteigenossen immer wieder gefordert hatten, thematisierte Cuomo in der Videobotschaft nicht. Seine Entgegnung auf die Untersuchung legte er auch noch einmal in einem 85-seitigen Bericht seiner Anwältin dar, den er am Dienstag veröffentlichte.
Biden fordert Cuomo zum Rücktritt auf
US-Präsident
Es gilt als sehr ungewöhnlich, dass der US-Präsident einen rechtmässig gewählten Gouverneur zum Rücktritt auffordert - noch dazu, wenn dieser zur gleichen Partei gehört. Biden hatte sich aber bereits im März in einem Interview sehr kritisch zu den Vorwürfen gegen Cuomo geäussert. Auf die Frage, ob Cuomo zurücktreten solle, falls die Untersuchung die Vorwürfe bestätigen sollte, sagte Biden damals: "Ja." Frauen bräuchten "viel Mut", um solche Vorwürfe öffentlich zu machen, sagte Biden. Sie sollten daher sehr ernst genommen und die Vorwürfe genau untersucht werden, sagte Biden damals.
Cuomo soll Kritiker in der Politik eingeschüchtert haben
In der Corona-Pandemie war Cuomo anfangs zum Hoffnungsträger der Demokratischen Partei geworden. Er inszenierte sich als Gegenentwurf zum damaligen republikanischen Präsidenten Donald Trump. Fast täglich informierte er mit klaren Worten und Power-Point-Präsentationen über die Entwicklung des Infektionsgeschehens in seinem Bundesstaat und die Massnahmen dagegen. Die Pressekonferenzen bekamen Kult-Status, wurden weltweit von Millionen Menschen live verfolgt - und der Gouverneur dafür schliesslich sogar mit einem Emmy ausgezeichnet, dem wichtigsten Fernsehpreis der USA. Der geschiedene Vater dreier erwachsener Töchter, dessen Vater Mario bereits zwischen 1983 und 1994 Gouverneur von New York war, ist seit 2011 im Amt - und war 2019 für eine dritte Amtszeit wiedergewählt worden.
Neben den Vorwürfen sexueller Belästigung droht Cuomo noch weiterer Ärger: Wegen nachträglich stark nach oben korrigierter Zahlen zu Todesfällen in Pflegeheimen in Zusammenhang mit der Pandemie geriet der Gouverneur in den Verdacht, das wahre Ausmass des Dramas verschleiert zu haben. Auch soll er Kritiker aus der Politik aggressiv angegangen sein und versucht haben, sie einzuschüchtern. (Christina Horsten/dpa/ash)
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