Die Ukraine darf künftig US-Raketen gegen Russland einsetzen. Diese Entscheidung signalisiert einen Strategiewechsel in der Politik von Präsident Biden.

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Wenige Wochen vor dem Ende seiner Amtszeit hat Joe Biden dem Drängen aus Kiew nachgegeben: Die USA haben der ukrainischen Armee nun den Einsatz von Waffen mit grösserer Reichweite erlaubt, um Ziele jenseits der Grenze im russischen Hinterland angreifen zu können. Dies markiert einen Strategiewechsel, der offenbar im Zusammenhang mit dem Einsatz tausender nordkoreanischer Soldaten in der russischen Grenzregion Kursk steht.

Nach Informationen der "New York Times" (NYT) erlaubte Biden nun erstmals den Einsatz von Raketen des Typs ATACMS (Army Tactical Missile System) mit dem Ziel, die ukrainischen Kräfte in Kursk zu unterstützen. Diese Raketen haben eine Reichweite von bis zu 300 Kilometern und wurden konzipiert, um feindliche Truppen und Gerät weit hinter den Frontlinien bekämpfen zu können.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fordert von den westlichen Verbündeten seit Monaten die Erlaubnis für den weitreichenden Einsatz dieser Waffen, damit etwa Nachschubbasen der russischen Armee oder auch Startplätze für Kampfflugzeuge bombardiert werden können.

Die westlichen Verbündeten wiesen dies bisher stets zurück, da befürchtet wurde, dies werde zu einer weiteren Eskalation führen und Russland seinerseits zu noch heftigeren Gegenschlägen verleiten.

Putin reagiert alarmiert und spricht Warnung aus

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte gewarnt, die Zustimmung zum Einsatz solcher Waffen aus dem Westen werde von Moskau als Kriegseintritt der Nato-Staaten aufgefasst.

Sollte die Entscheidung in Washington offiziell bestätigt werden, würde sie zu einer "grundlegend neuen Situation in Bezug auf die Beteiligung der USA an diesem Konflikt" führen, warnte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag. Es sei offensichtlich, dass die scheidende US-Regierung "Öl ins Feuer" giessen wolle.

Unter Berufung auf US-Regierungsvertreter berichtete die "NYT" weiter, Russland habe in Kursk inzwischen rund 50.000 Soldaten inklusive der nordkoreanischen Kräfte zusammengezogen, um die ukrainischen Einheiten zu vertreiben. Die ukrainische Armee war dort im August überraschend eingedrungen und kontrolliert seither ein Gebiet von mehreren hundert Quadratkilometern. Mit den nun freigegebenen Raketen könnte sie militärische Ausrüstung, Munitionsdepots oder Versorgungslinien im russischen Hinterland treffen.

Kim Jong Un unterstützt Russland mit Waffen und Soldaten

Die US-Regierungsvertreter gehen laut "NYT" nicht davon aus, dass dies den Kriegsverlauf entscheidend verändern wird. Allerdings sei eines der Ziele der US-Regierung, eine Botschaft an Nordkorea zu senden, dass seine Soldaten verwundbar seien und dass es nicht noch mehr senden solle. Nach US-Angaben schickte Pjöngjang bisher rund 10.000 Soldaten in die Region.

Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un warf den USA vor, die ukrainischen Soldaten als "Strosstrupp" zu nutzen, um Erfahrungen im Kampf gegen Russland zu sammeln. Washingtons anhaltende militärische Unterstützung der Ukraine "weckt die Besorgnis über einen dritten Weltkrieg", zitierte die staatliche Nachrichtenagentur KCNA Kim.

Immer wieder wurde spekuliert, die Geländegewinne in Kursk könnten für Kiew Verhandlungsmasse bei etwaigen Gesprächen über eine Beendigung des seit nunmehr tausend Tagen dauernden Krieges sein. Sollte der russische Gegenangriff in Kursk jedoch erfolgreich verlaufen, stünde Kiew bei den Verhandlungen mit leeren Händen da.

Selensky plädiert zuletzt für Beendigung des Krieges "mit diplomatischen Mitteln"

Russland fordert die Abtretung der vier für annektiert erklärten Regionen im Osten und Süden der Ukraine, was Kiew als unannehmbar bezeichnet. Zuletzt sagte Selenskyj, er strebe für das kommende Jahr eine Beendigung des Krieges "mit diplomatischen Mitteln" an.

Der Russland-Experte John Hardy von der Washingtoner Denkfabrik Foundation for Defense of Democracies geht davon aus, dass die neue Schlagkraft der Ukraine "eine bessere Position in möglichen Verhandlungen" verschaffen könnte. "Das könnte überdies auch Moskau dazu bringen, die Angriffe auf die Energie-Infrastruktur auszusetzen", sagt Hardy.

Der Strategie-Wechsel in Washington erfolgt nur zwei Monate, bevor Donald Trump als US-Präsident antritt. Trumps Ankündigung, den Krieg schnell beenden zu wollen, könnte am Ende die Ukraine dazu zwingen, die Gebiete wie von Russland gefordert abzutreten.

Ähnlich wie in Berlin wurde auch in Washington hart um die Frage gerungen, ob die Ukraine von den USA gelieferte Waffen für die Bombardierung von Zielen im russischen Hinterland verwenden dürfe. Bidens Entscheidung befeuert auch in Deutschland, dem zweitgrössten Unterstützer der Ukraine, die Diskussion neu, namentlich über die Lieferung der Taurus-Marschflugkörper.

Diskussion in Deutschland neu entfacht

Noch am Mittwoch wiederholte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sein kategorisches Nein in dieser Frage, da Deutschland alles dafür tun müsse, "dass dieser Krieg nicht weiter eskaliert und wir nicht Kriegspartei werden". Seit dem Bruch der Ampel-Koalition ist noch fraglicher, ob Berlin diese Linie aufrecht erhalten wird.

Bundesaussenministerin Annalena Baerbock (Grüne) begrüsste jedenfalls die US-Entscheidung. Bei der Selbstverteidigung der Ukraine gehe es jetzt darum, "dass man die militärischen Abschussbasen zerstören kann", sagte Baerbock. Dies sei "im Rahmen des internationalen Rechts, des Selbstverteidigungsrechts".

China drang angesichts der Nachrichten aus Washington auf eine baldige Waffenruhe im Ukraine-Krieg. "Eine frühe Waffenruhe und eine politische Lösung dienen den Interessen aller Beteiligten", sagte Aussenamtssprecher Lin Jian. (afp/bearbeitet von lla)

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Washington weicht Berichten zufolge die Beschränkungen für Angriffe der Ukraine mit US-Waffen auf russische Ziele auf. Konkret soll es um den Einsatz von ATACMS-Raketen in der Region Kursk gehen.
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