- Die USA verfügen über enorme Impfstoff-Reserven.
- Doch die Zahl der Menschen, die sich impfen lassen wollen nimmt aktuell deutlich ab.
- Weil dadurch der Kampf gegen die Pandemie gefährdet wird, setzten die Verantwortlichen auf neue Anreize, um Menschen von der Impfung zu überzeugen.
Millionengewinne, Freiflüge und Stipendien, kostenlose Taxifahrten sowie reichlich Freigetränke: In den USA überbieten sich Bundesstaaten und Kommunen mit immer neuen Anreizen, um die Bürger zur Corona-Impfung zu bewegen.
Die USA sind im globalen Vergleich das Impf-Schlaraffenland: Hier redet niemand mehr über mangelnden Nachschub, hier geht es inzwischen nur noch darum, die Spritzen unters Volk zu bringen. Doch das ist Experten zufolge ein Problem: Es gibt zu viele Unentschlossene, Skeptiker und Impfgegner.
Sollte es nicht gelingen, einen Grossteil von ihnen zu überzeugen, dürfte eine effektive Eindämmung der Pandemie in den USA scheitern. Dann drohen mehr Infektionen, Erkrankungen und Todesfälle. Auch würde die ersehnte Rückkehr zu einer gewissen Normalität - und die damit verbundene Erholung der weltgrössten Volkswirtschaft - gefährdet.
Bidens Warnung an die Bürger
In vielen Landesteilen sind grosse Impfzentren inzwischen schon wieder geschlossen worden, weil es nicht mehr genug Nachfrage gibt. Dabei wird das Impfen den Amerikanern möglichst leicht gemacht: Seit Wochen gibt es keine Priorisierung für bestimmte Bevölkerungsgruppen mehr, zudem bieten inzwischen Tausende Apotheken und Kommunen Impfungen ohne Terminvereinbarung an.
US-Präsident
"Es wäre eine Tragödie - und eine vermeidbare - falls die COVID-Fälle unter den Ungeimpften wieder ansteigen, zumal die Impfungen kostenlos und praktisch sind", mahnte Biden. "Der Kampf gegen das Virus ist nicht vorbei."
Der US-Impfkampagne geht der Schwung aus
Die Hälfte der rund 260 Millionen Erwachsenen in den USA ist bereits vollständig geimpft. Doch nun geht der Impfkampagne der Schwung aus: An ihrem Höhepunkt wurden täglich mehr als drei Millionen Menschen geimpft, jetzt sind es im Schnitt nur noch 1,75 Millionen, Tendenz fallend.
Derzeit sind alle Bürger ab zwölf Jahren impfberechtigt, also knapp 280 Millionen Menschen. Doch bisher haben erst 166 Millionen die erste Impfung erhalten. Rund 114 Millionen Impfberechtigte haben also noch nicht mal die erste Spritze bekommen.
Experten befürchten daher, dass es in den USA nicht gelingen dürfte, die sogenannte Herdenimmunität zu erreichen. Das ist grob gesagt der Punkt, an dem so viele Menschen durch eine vorige Infektion oder die Impfung immun sind, dass sich das Virus nur noch schwer im Land verbreiten kann.
Vor allem auf dem Land sind viele Menschen skeptisch
Bei den Impfungen gibt es ein deutliches Stadt-Land-Gefälle. In urbanen Zentren wie zum Beispiel der Hauptstadt Washington haben bereits fast 70 Prozent der Bewohner mindestens die erste Impfung erhalten.
In ländlich geprägten Staaten im Süden wie Mississippi hingegen liegt die Quote gerade mal bei rund 44 Prozent. Als Gründe der zäheren Impfkampagne auf dem Land führen Experte mehrere Faktoren an.
In dünn besiedelten Gebieten kann sich Corona weniger bedrohlich anfühlen, zudem gehören viele Landbewohner eher zu den skeptischeren Bevölkerungsgruppen, sei es aus religiösen oder politischen Gründen.
Falschinformationen zur Impfung schrecken viele ab
In allen Bevölkerungsgruppen gibt es Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, weil sie Nebenwirkungen fürchten. Das gilt besonders für Angehörige von Minderheiten, die oft schlechter bezahlte Jobs haben, die es nicht ermöglichen, sich bei Lohnfortzahlung krank zu melden.
Zudem lassen sich viele Menschen durch Falschinformationen zur Sicherheit oder angeblichen Nebenwirkungen der Impfungen wie Verlust der Fruchtbarkeit und Impotenz abschrecken.
Viele Amerikaner unter 30 sind nach Umfragen mit Blick auf die Impfung noch unentschlossen. Für die Altersgruppe ist eine Erkrankung im Schnitt weniger gefährlich, viele warten daher ab. Die Unentschlossenen machen Experten etwas weniger Sorgen, denn sie können wohl - früher oder später - mit den richtigen Anreizen überzeugt werden.
Schwieriger ist es, Impfskeptiker umzustimmen. Dazu gehören laut Experten viele evangelikale Christen, Republikaner und Angehörige von Minderheiten, insbesondere Schwarze und Latinos.
Republikaner und Evangelikale sind misstrauisch
Umfragen zufolge gibt es bei Republikanern, vor allem bei Männern auf dem Land, ein grosses Misstrauen gegenüber der Regierung. Sie wollen sich nichts aus Washington vorschreiben lassen, auch keine Impfung.
Hinzu kommt die politische Dimension: Ex-Präsident Donald Trump spielte die Bedrohung durch das Virus stets herunter, und nun ist es ausgerechnet die Regierung des Demokraten Joe Biden, die für die Impfungen wirbt.
Bei den Millionen evangelikalen Christen ist die Skepsis ebenfalls verbreitet. Nach einer Pew-Umfrage wollen sich 45 Prozent der weissen Protestanten nicht impfen lassen. Das liegt, so die Experten, auch an einem Misstrauen gegenüber der Wissenschaft.
Minderheiten trifft die Pandemie besonders – trotdem lassen sich viele nicht impfen
Sorgen bereitet Experten die relativ niedrige Impfquote von Schwarzen und Latinos. Die beiden Minderheiten, die zusammen fast ein Drittel der US-Bevölkerung ausmachen, waren unter den am schwersten von Corona-Erkrankungen und Todesfällen betroffenen Gruppen. Aber sie hinken bei den Impfungen relativ zum Bevölkerungsanteil hinterher.
Viele Schwarze misstrauen Regierung und Gesundheitssystem, weil sie von beiden historisch betrachtet schlechter behandelt wurden als Weisse. Das übelste Beispiel dafür war die sogenannte Tuskegee-Studie, bei der schwarze und an Syphilis erkrankte Männer teils bis in die 1970er Jahr de facto als Versuchsobjekte missbraucht und nicht adäquat behandelt wurden.
Schwarze sind in den USA seit gut fünf Jahrzehnten rechtlich gleichgestellt, doch die Ungleichbehandlung Schwarzer im Gesundheitswesen ist bis heute weiter ein Problem. Bei Latinos wiederum kann die Sprachbarriere, ihr Einwanderungsstatus oder die Angst vor Verdienstausfällen eine Rolle spielen.
Millionen-Gewinne als Impf-Anreize
Universitäten und Krankenhäuser beginnen damit, eine Corona-Impfung zur Pflicht zu machen. Aber eine allgemeine Impfpflicht ist in den USA politisch undenkbar, weil es ein zu grosser staatlicher Eingriff in das Recht auf Selbstbestimmung wäre.
Doch zunehmend einig sind sich alle Parteien darin, die Impfquote mit Anreizen nach oben zu treiben. Im Bundesstaat Ohio können fünf Geimpfte je eine Million US-Dollar (820.000 Euro) gewinnen, in Kalifornien wurden unter anderem zehn Preise zu je 1,5 Millionen Dollar ausgelobt, in New York gibt es sogar die Chance auf fünf Millionen Dollar.
Zudem werden die Impf-Zögerer unter anderem mit grosszügigen Stipendien, kostenlosen Wertpapieren und sogar Luxus-Kreuzfahrten gelockt. (dpa/thp)
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