Das US-Repräsentantenhaus hat nun wieder einen Sprecher. Doch was bedeutet es für die Republikaner, dass ein Trump-Fan gewählt wurde? Und welche Folgen hat dies für die amerikanische Demokratie?

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Michael Freckmann sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

22 Tage lang war das US-Repräsentantenhaus auf der Suche nach einem neuen Vorsitzenden. Die Neuwahl wurde nötig, nachdem ultrarechte Abgeordnete der Republikaner ihren eigenen Parteikollegen Kevin McCarthy als Speaker des Hauses gestürzt hatten. Die drei Republikaner Steve Scalise, Jim Jordan und Tom Emmer fanden danach keine Mehrheit in der eigenen Fraktion. Jordan war den Moderaten in der Partei zu radikal. Die Ultrarechten wiederum verhinderten Scalise und Emmer, weil sie ihnen zu gemässigt waren. Letztendlich wurde Mike Johnson mit 220 zu 209 Stimmen gewählt.

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Die republikanische Fraktion habe bei der Suche nach einem Sprecher nur zwei Optionen gehabt, sagt der Berliner Politologe Christian Lammert von der Freien Universität Berlin im Gespräch mit unserer Redaktion: Mit den Demokraten zu kooperieren oder einen Anhänger Trumps zu wählen. Sie entschieden sich für Letzteres. Die Wahl Johnsons zeige, wie stark die Fraktion der Republikaner von Trump beeinflussbar sei.

Kandidaten, die keine Unterstützung Trumps hätten, seien nicht in der Lage, eine Mehrheit zu bekommen, erklärt Lammert: "Der Einfluss Trumps und die Angst vor der Reaktion der Trump-Anhänger ist inzwischen so gross, dass eine Zusammenarbeit mit Demokraten völlig ausgeschlossen ist."

Wird es weitere Hilfspakete für die Ukraine geben?

Seitdem Johnsons Vorgänger Kevin McCarthy von seinem Posten abberufen wurde, ist viel Arbeit liegen geblieben. Wenn bis Mitte November kein neuer Haushalt für die USA genehmigt wird, kommt es wieder zu einem "Shutdown" im ganzen Land. Dann werden die USA erneut die Gehälter ihrer Staatsbediensteten nicht mehr zahlen können. Kurz vor dem Aufstand gegen McCarthy war es gerade noch gelungen, sich auf einen Übergangshaushalt für einige Wochen zu einigen.

Doch wird Mike Johnson nun als Vertreter der Ultrarechten auftreten oder eher mässigend wirken? "Die Arbeit im Repräsentantenhaus wird extrem schwierig", sagt Lammert. Die republikanische Führung werde nun die "Anordnungen Trumps ausführen". Der neue Speaker Johnson werde ganz im Sinne des Mottos von Trumps Bewegung "Make America great again" (MAGA) handeln.

Damit stehe auch ein Amtsenthebungsverfahren gegen den amtierenden Präsidenten Joe Biden weiter im Raum. Ebenfalls geht Lammert davon aus, dass in den kommenden Haushaltsberatungen eine radikal rechte Politik ein stärkeres Gewicht bekommen könnte.

Gibt es weitere Hilfspakete?

In der Vergangenheit etwa machte Johnson immer wieder von sich reden, indem er sich gegen Abtreibungen oder eine Ehe für queere Menschen aussprach. Auch war er gegen Sexualkundeunterricht an Schulen, der sexuelle Vielfalt jenseits heterosexueller Familienbilder vermitteln soll. Zudem könnten Kürzungen im Sozialstaat drohen.

Ausserdem auf der Tagesordnung des Kongresses stehen aktuell weitere Hilfspakete für die Ukraine, Israel und palästinensische Zivilisten. Insbesondere die Hilfe für die Ukraine war in den vergangenen Wochen drängend geworden, weil sich die Akteure im Repräsentantenhaus nicht einigen konnten. Ob nun aber viel Geld nach Kiew geht, bleibt abzuwarten. "Das dürfte zu einem der grössten Probleme werden", sagt Lammert, "weil sich Johnson immer klar gegen Hilfe für die Ukraine ausgesprochen hat."

Kurz nach der Wahl habe er zwar gesagt, man wolle die Ukraine weiter unterstützen, dies solle aber an klare Bedingungen geknüpft werden. Zuerst müsse der US-Präsident deutlich machen, welche Ziele die USA konkret verfolgen würden. "Eine klare Solidaritätsbekundung hört sich anders an", schlussfolgert Lammert.

Zuletzt gab es Überlegungen seitens der Demokraten, die Hilfsgelder für die Ukraine und Israel zusammen zu verabschieden, um den Israel-freundlichen Republikanern die Zustimmung zu einem solchen Gesamtpaket erleichtern. Doch Johnson stellte sich vor kurzem gegen diese Idee: Die Gelder für Israel könne man durchs Parlament bringen, zur Ukraine gebe es aber noch Diskussionsbedarf.

Es könnte Trumps Wiederwahl nutzen, wenn der Speaker einer seiner Gefolgsleute ist

Derweil spitzt sich im Schatten der Wahl des Speakers und der Haushaltsdebatte auch die US-Präsidentschaftswahl immer weiter zu. Zwar ist Donald Trump durch diverse Gerichtsverfahren gegen ihn zunehmend eingespannt. Dennoch will er weiterhin gegen Joe Biden für die Republikaner bei der Wahl um was Weisse Haus antreten.

Mike Johnson gehörte immer zu dem Teil der Republikaner, die den Wahlsieg von Joe Biden nach wie vor anzweifelten. Durch die Wahl von Johnson habe Trump jetzt einen direkten Kontakt in die Führung des Repräsentantenhauses, sagt Christian Lammert. Dies ermögliche ihm, dort auch Untersuchungen zu fordern.

Trump kann in der republikanischen Fraktion zwar bereits ohnehin Druck auf das Geschehen im Parlament ausüben. Dennoch hat es noch eine andere Qualität, wenn der Sprecher selbst ein Trump-Unterstützer ist. Ein Speaker kann mithilfe seiner Fraktion Gesetzesentwürfe des Präsidenten blockieren; er bestimmt auch, welche Vorhaben auf die Tagesordnung kommen und welche nicht. Ein ultrarechter Sprecher könnte hier ganz anders vorgehen als ein moderater Republikaner. Zudem könnte Johnson als "dritter Mann im Staat" durch Reden, Reisen und Auftritte auch symbolisch Trumps "Make America great again"-Bewegung eine ganz andere öffentliche Bedeutung geben.

Ausserdem spielt der Speaker im Repräsentantenhaus eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, bei der nächsten Präsidentschaftswahl das Wahlergebnis für gültig erklären zu lassen. Auch hier hält Christian Lammert einen düsteren Ausblick bereit: "Mit Blick auf die Auszählung der Stimmen bei der nächsten Wahl und der Bestätigung des Wahlergebnisses lässt die Wahl Johnsons nichts Gutes für die Demokratie in den USA erwarten."

Über den Gesprächspartner:

  • Prof. Dr. Christian Lammert ist Professor für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Politische Systeme Nordamerikas an der Freien Universität Berlin

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