Grönland und Kanada eingliedern, den Panamakanal kontrollieren – in den letzten Tagen ist der designierte US-Präsident Donald Trump immer wieder mit seinen Aussagen aufgefallen. Mehrmals drohte er mit militärischer oder wirtschaftlicher Gewalt.
US-Experte Martin Thunert ordnet ein, wie ernst die Aussagen zu nehmen sind und warnt an einer Stelle: "Es geht für
Kontrolle über Grönland und den Panamakanal erlangen, Kanada zum 51. Bundesstaat machen – Trump fällt wieder mit jeder Menge provozierender Aussagen auf. Ist das Zufall?
Martin Thunert: Was sich gegenüber der ersten Amtszeit nicht wirklich verändert hat: Trump verspürt das Bedürfnis, möglichst immer im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen – selbst, wenn diese nicht positiv ist. Er will Chaos, er will Bewegung um ihn herum. Ihn reizen Intrigen, Dramen und Konflikte. Und jetzt ist er schliesslich in seiner zweiten Amtszeit.
Was bedeutet das?
Er denkt jetzt auch an sein Erbe, an sein politisches Vermächtnis. Trump hat einen guten Instinkt: Er weiss, dass er bei seinen zentralen Wahlkampfthemen Inflation und Migration derzeit nicht liefern kann. Die Inflationsrate wird in den nächsten Monaten zumindest nicht spürbar zurückgehen und auch die Ausweisungen werden länger dauern. Davon will er ein bisschen ablenken.
Trump will eine Fusion mit Kanada und droht dem Land mit "wirtschaftlicher Gewalt". Unter anderem hat er angedroht, Zölle von 25 Prozent zu verhängen. Was steckt dahinter?
Das erscheint ein bisschen wie Trolling gegen einen scheidenden Premierminister Trudeau, mit dem Trump schon oft zusammengerasselt ist. Es wird Gespräche mit Kanada über das USMCA-Handelsabkommen zwischen den USA, Kanada und Mexiko geben. In dem Abkommen ist vorgesehen, dass 2026 jede der drei Vertragsparteien das Recht hat, zu sagen: "Wir müssen hier nochmal neu verhandeln". Die jetzige Drohung gehört zu Trumps Verhandlungsstil. Er will in Kanada ein bisschen Panik auslösen. Für die kanadische Wirtschaft wären diese Zölle oder ein Abbau des Freihandels existenzbedrohend. Das Land hat momentan keine guten Wirtschaftsdaten. Gleichzeitig hilft Trump damit dem Oppositionsführer in Kanada.
Meint Trump eine solche Fusion ernst?
Die Frage "Warum ist Nordamerika, ähnlich wie Australien, nicht ein Land?" gibt es schon seit dem 19. Jahrhundert, bekannt unter dem Begriff Manifest Destiny. Später ging es zum Beispiel auch um eine Landverbindung nach Alaska. Ich kann mir aber kaum vorstellen, dass Trump jetzt ganz Kanada mit seinen 40 Millionen Einwohnern – etwa so viele wie Kalifornien – als einzelnen Staat angliedern möchte. Da würden auch die anderen US-Bundesstaaten nicht mitspielen. Für Trump ist das jetzt eher Begleitmusik für die harten wirtschafts- und sicherheitspolitischen Verhandlungen.
Ungefähr zeitgleich hat Trump angekündigt, Grönland in die USA eingliedern zu wollen – im Notfall auch mit militärischer Hilfe. Wieso kommt diese Forderung jetzt?
Dafür gibt es vor allem geostrategische Gründe. Die Arktis wird ein immer wichtigerer Schauplatz der Grossmarkt-Rivalität, es gibt Bodenschätze und auch Russland und China verstehen sich als arktische Mächte. Neu ist die Grönland-Thematik aber nicht. Die Amerikaner sind militärisch dort bereits präsent. Man könnte das ausbauen, auch die Dänen hätten sicherlich nichts dagegen, wenn sich die USA stärker engagieren würden, um Russland abzuschrecken, ohne die Rieseninsel zu annektieren.
Wieso soll es dann ein Kauf sein, wenn die Lösung mit einem befreundeten Partnerland auch anders aussehen könnte?
Trump wäre mit einem Kauf von Grönland der erste Präsident seit ganz langer Zeit, die USA wieder territorial erweitert – das wäre für ihn ein Vermächtnis. Im 19. Jahrhundert war dieses Vorgehen auch das dominante Muster: Alaska und das sogenannte Louisiana-Territorium beispielsweise wurden von den Russen beziehungsweise den Franzosen abgekauft.
Und diesen Modus Operandi will er wiederbeleben?
Trump gefällt sich in der Idee, das fortzusetzen. Grönland würde nicht als Bundesstaat, sondern nur als Bundesterritorium beitreten. Trump spekuliert noch auf etwas Weiteres: Es wird in Grönland in absehbarer Zeit ein Referendum geben, ob sich das Land völlig von Dänemark lösen will oder ob die Halbautonomie bleiben soll. Trump baut darauf, dass es in Grönland Menschen gibt, für die das Angebot, zu den USA zu gehören, attraktiv wäre. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Trump hier gegen den Willen von Dänemark militärisch einschreiten würde.
Anders im Panamakanal, oder? Auch den will der designierte Präsident unter Washingtons Kontrolle bringen.
Ja, hier geht es ganz klar um den Grossmachtkonflikt. Trump schätzt, wie fast alle in der Republikanischen Partei, die Rückgabe des Kanals 1978 durch Jimmy Carter als einen Fehler ein. Denn der Kanal wurde von Amerikanern gebaut und für Amerika ist es die zentrale Schiffspassage, nicht nur für Handelsschiffe. Wenn die USA in den heraufziehenden Konflikten, gerade im Indischen Ozean, schnell Kriegsschiffe vom Atlantik in den Pazifik verlegen wollen würde, müssen sie da durch.
Wie dürfte Trump also vorgehen?
Trump wird wohl mit sehr grossem Nachdruck fordern, dass amerikanische Militärschiffe sich nicht in die oft langen Schlangen einreihen müssen, sondern bevorzugt durchgelassen werden und die Gebühren gesenkt werden. Panama lässt derzeit zu, dass China die Ein- und Ausfahrt des Kanals managt. China versucht in Lateinamerika Fuss zu fassen und hat das zum Teil auch schon getan. Die USA wollen China hier zurückzudrängen. Bevor China weitere Kontrolle über den Kanal bekommt, würde Trump vermutlich sagen: "Wenn das nicht anders gelöst werden kann, müssen wir militärisch einschreiten". Hier droht am ehesten militärische Gewalt.
Vor dem Hintergrund all dieser Forderungen: Worauf muss man sich insgesamt bei Trump gefasst machen?
Normalerweise versucht man es bei Verhandlungen erstmal auf die freundliche Tour. Nicht so Trump. Er ist überzeugt, dass viele Länder die USA abzocken wollen – auch Deutschland gehört in seiner Sicht dazu. Er sieht die meisten Alliierten eher als Bittsteller und Trittbrettfahrer, die ohne eigene grosse Anstrengungen mitverteidigt werden wollen. Deswegen geht er direkt aggressiv vor. Gerade in wirtschaftlichen Fragen unterscheidet er nicht zwischen Freunden und Gegnern.
Ist die Forderung, dass die Nato-Länder fünf Prozent für ihre Verteidigung ausgeben sollen, nicht völlig unrealistisch?
Natürlich weiss Trump, dass momentan kein Nato-Land, auch die USA nicht, fünf Prozent für Verteidigung ausgibt. Trump startet Verhandlungen auf diese Weise, erstmal mit einer sehr hohen Forderung reingehen. Er ist mit dem Zwei-Prozent-Ziel nicht zufrieden, aber will, dass alle vielleicht bei um die 3,5 Prozent landen – wie etwa die USA, Polen und Estland.
Heisst aber unter dem Strich: An seinen Forderungen ist schon etwas dran?
Ja, man muss die Sache im Kern ernst nehmen, aber man muss nicht über jedes Stöckchen springen. Es reicht nicht, empört zu sein und Trump auf das internationale Recht hinzuweisen. Auch wir in Europa haben beispielsweise kein Interesse, dass Russland und China in der Arktis besonders stark werden. Wir müssen überlegen, was wir tun können. Wie können wir Grönland unter Umständen unterstützen, damit es nicht zu dieser Einverleibung in die USA kommt? Könnte Kanada vielleicht sogar ein Mitglied des europäischen Binnenmarkts werden, um die Abhängigkeit von den USA zu reduzieren?
Darauf zu hoffen, dass sich Trumps Politikstil ändert, ist also naiv?
Ja, das Einzige, was sich ändern wird: Die nächste Trump-Administration wird zumindest nach einer kurzen Eingewöhnungszeit besser vorbereitet sein und professioneller agieren. Das wird ihn eher dazu in die Lage versetzen, mehr zu erreichen von dem, was er erreichen will. Für Leute, die das ablehnen, was Trump macht, wird es umgekehrt eher noch schwieriger. Es geht für Trump jetzt nicht mehr um die Wiederwahl. Trump denkt jetzt in grossen Kategorien und einer "Legacy" – dieses Vermächtnis erreicht man nicht dadurch, dass man die Inflationsrate gesenkt hat. Würden die jetzigen Forderungen umgesetzt, würde er damit eher in die Geschichtsbücher eingehen, egal mit welchen Methoden man das erzielt hat. Es werden sicherlich keine einfachen Regierungsjahre.
Gibt es auch Grund zur Hoffnung?
Trump wurde oft unterstellt, er agiere als "Putins Pudel" und würde alles machen, was Putin will. Das Vorpreschen in Sachen Grönland kann den Russen aber überhaupt nicht gefallen, denn sie haben natürlich auch Interessen in der Arktis. Deswegen ist meine leise Hoffnung, dass Trump jetzt auch die Ukraine-Unterstützung nicht völlig zurückfahren wird. Ich hoffe, dass Trump weiss, dass es nicht im Interesse der USA sein kann, Russland in der Ukraine einen einfachen Sieg zu schenken.
Über den Gesprächspartner
- Dr. Martin Thunert ist Politikwissenschaftler und Dozent am Heidelberg Center for American Studies (HCA) der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.
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