Zum einen ist es sein hohes Alter, zum anderen sind da die schlechten Umfragewerte: Während Präsident Joe Biden an seiner erneuten Kandidatur festhält, werden hinter den Kulissen jedoch Alternativen diskutiert.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Lukas Hermsmeier sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Eigentlich sollte er ein "Übergangskandidat" sein, so hatte es Joe Biden bei einer Wahlkampfveranstaltung 2020 in Detroit selbst angekündigt. Ins Weisse Haus einziehen und nach vier Jahren Platz für eine neue politische Generation machen – das war der Plan.

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Nun, vier Jahre später, scheint dieser Plan jedoch wie in Luft aufgelöst. Die demokratischen Vorwahlen laufen zwar offiziell noch, aber Biden steht längst als Sieger fest. Er wird, wenn nichts Aussergewöhnliches mehr passiert, im November gegen Donald Trump antreten. "Ein Rematch aus der Hölle", wie es der ehemalige Kongressabgeordnete Will Hurd bei NBC News polemisch zusammengefasst hat.

Joe Biden: Hohes Alter, geringe Popularität

Historisch betrachtet ist es zwar Standard, dass der amtierende Präsident erneut antritt und ihm dabei niemand aus der eigenen Partei in die Quere kommt. Bei Biden allerdings stellen sich zwei massive Probleme. Zum einen ist da sein Alter. Der 81-Jährige fällt fast bei jedem öffentlichen Auftritt mit Patzern auf. Gegen Ende einer zweiten Amtszeit wäre Biden 86. Ein Jahr älter übrigens als Papst Benedikt XVI. war, als er 2013 seinen Rücktritt aus Altersgründen bekanntgab.

Zum anderen ist Biden enorm unbeliebt. Nur 40 Prozent der Amerikaner sind mit seiner Arbeit laut aktueller Studien zufrieden. Damit liegt er im Vergleich mit früheren Präsidenten weit hinten. Auch im direkten Vergleich mit Trump sieht es düster aus. In vielen der wichtigsten Bundesstaaten, zum Beispiel in Arizona und Georgia, liegt Biden zurück. Besonders unter Schwarzen und hispanischen Wählern hat er laut "New York Times" (kostenpflichtiger Artikel) an Boden verloren.

Angesichts dieser Faktoren wird in den USA immer wieder die Frage nach einer Alternative diskutiert – und zwar sowohl unter normalen Wählern, als auch unter politischen Experten. Im Februar etwa sprach sich der bekannte "New York Times"-Kolumnist Ezra Klein dafür aus, dass die Demokraten Biden zum Rückzug bringen und einen Ersatz beim Parteitag im August in Chicago bestimmen.

Ist so ein Szenario aber noch realistisch? Und was würde eigentlich passieren, falls Biden plötzlich aus gesundheitlichen Gründen ausfällt? Gibt es einen Plan B?

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Kamala Harris als Plan B

"Wenn Trump nicht antreten würde, bin ich mir nicht sicher, ob ich kandidieren würde. Aber wir können ihn nicht gewinnen lassen", sagte Biden bei einer Veranstaltung in Boston im Dezember. Biden ist tief davon überzeugt, dass er – und nur er – Trump noch aufhalten kann. Deshalb kann man es ausschliessen, dass er so kurz vor der Wahl aus freien Stücken zurückzieht. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass noch irgendein ernstzunehmender Kandidat dazwischenfunkt, liegt quasi bei null. Die Partei hat sich – wohl oder übel – auf Biden geeinigt.

Sollte Biden in den nächsten paar Monaten aus gesundheitlichen Gründen passen, müssten die demokratischen Delegierten beim Kongress in Chicago einen Ersatz wählen. Gehandelt werden unter anderem die ehemalige Aussenministerin Hillary Clinton, sowie die Gouverneure Gavin Newsom (Kalifornien) und Gretchen Whitmer (Michigan).

Wie die Politikwissenschaftlerin Laura Brown zu ABC News sagte, wäre Vize-Präsidentin Kamala Harris jedoch die wahrscheinlichste Wahl. Sollte Biden zwischen August und der Wahl im November ausfallen, würde die Partei über andere Verfahren einen neuen Kandidaten bestimmen. Auch hier gilt Harris als Top-Kandidatin.

Geraune um Michelle Obama

Eine Figur, die bereits seit Jahren immer wieder gehandelt wird, ist Michelle Obama, die Ehefrau von Ex-Präsident Barack Obama. Nachdem Sonderermittler Robert Hur im Februar seinen Abschlussbericht zu Bidens "Geheimunterlagen-Affäre" vorstellte und den Präsidenten darin als "wohlmeinenden älteren Mann mit schlechtem Gedächtnis" beschrieb, trendete der Name Michelle Obama auf der Plattform X.

Als das Meinungsforschungsinstitut Rasmussen kurz darauf fragte, wer Biden im Falle der Fälle ersetzen sollte, landete die 60-Jährige mit 20 Prozent auf Platz eins. Dahinter Kamala Harris und Hillary Clinton.

Abstruser Weise wird Michelle Obama häufig auch von rechter Seite als mögliche Biden-Nachfolgerin ins Spiel gebracht. Dahinter steckt in vielen Fällen allerdings nicht mehr als der Verschwörungsgedanke, dass Biden klammheimlich durch eine progressive schwarze Frau ersetzt werden soll. Das Büro von Obama hat derweil in einem Statement klar gemacht, dass eine Kandidatur ausgeschlossen ist. "Frau Obama unterstützt die Wiederwahlkampagne von Präsident Joe Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris", hiess es darin nüchtern.

Wenn man diese Aussagen zusammennimmt, kann man Bidens Kandidatur als quasi besiegelt betrachten. Wenn man die Umfragen anschaut, scheint allerdings auch klar, dass der Präsident bis November irgendetwas ändern muss.

In einen Jungbrunnen wird Biden nicht mehr fallen. Bleibt eigentlich nur das politische Programm. Bislang hat er in seinen Reden vor allem betont, warum Ex-Präsident Trump gestoppt werden muss. Um zu gewinnen, wird es allerdings mehr brauchen: politische Inhalte, die vor allem die Millionen unentschlossenen Amerikaner überzeugen.

Verwendete Quellen

Donald Trump verbreitet Video mit gefesseltem Joe Biden

Ex-US-Präsident Donald Trump hat ein Video verbreitet, auf dem sein Amtsnachfolger Joe Biden scheinbar in misslicher Lage gefesselt auf der Ladefläche eines Pick-up-Trucks zu sehen ist. Bidens Wahlkampfteam reagierte umgehend. © ProSiebenSat.1
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