Tel Aviv/Riad - Während die Menschen im Gazastreifen und die Angehörigen der von der Hamas entführten Geiseln auf einen Durchbruch bei den Gaza-Verhandlungen in Katar hoffen, geht der Krieg vorerst weiter. Bei israelischen Luftangriffen sollen nach Angaben des von der islamistischen Hamas kontrollierten Zivilschutzes am Samstag mindestens 20 Menschen im Gazastreifen getötet worden sein.

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In Israel demonstrierten unterdessen am Abend erneut Tausende für ein Abkommen über eine Freilassung der Geiseln und ein Ende des Kriegs. Bei einer Kundgebung in Tel Aviv forderte auch der Freund eines kürzlich tot im Gazastreifen gefundenen Entführungsopfers einen Deal mit der Hamas. Die Angehörigen der übrigen Geiseln sollten nicht auch Särge umarmen müssen, sagte Masen Abu Siam, ein arabischer Israeli.

Sein 53 Jahre alter Freund und dessen 22-jähriger Sohn waren vor wenigen Tagen tot in einem Tunnel im Gazastreifen entdeckt worden. Die beiden Männer, die zu einer Beduinengemeinschaft gehören, wurden am 7. Oktober verschleppt und laut Armee in der Gefangenschaft der Hamas getötet. Der Gaza-Krieg habe auf beiden Seiten zu viel unnötigem Blutvergiessen geführt, betonte der Freund des Vaters in Tel Aviv.

Tote bei Angriffen im Gazastreifen

Im Gazastreifen gehen die Angriffe unterdessen unvermindert weiter. Bei mehreren israelischen Bombardements in der Stadt Gaza seien am Samstag mindestens neun Palästinenser getötet worden, sagte ein Sprecher des von der Hamas kontrollierten Zivilschutzes der Deutschen Presse-Agentur.

Bei einem Luftschlag auf ein ehemaliges Schulgelände in Dschabalija im nördlichen Gazastreifen wurden den Angaben zufolge zudem mindestens acht Menschen getötet und mehrere verletzt. Nach Darstellung der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa waren auf dem getroffenen Gelände geflüchtete Familien untergebracht. Ein israelischer Armeesprecher teilte mit, bei dem Luftangriff einen Kommandoposten der Hamas zerstört zu haben. Angaben über getötete oder verletzte Hamas-Kämpfer oder andere Opfer gab es von israelischer Seite nicht. Die Angaben beider Seiten liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Nahostkonflikt - Tel Aviv
Tausende haben in Israel für einen Geisel-Deal demonstriert. © dpa / Ariel Schalit/AP/dpa

Im nördlichen Gazastreifen kamen Armeeangaben zufolge zugleich vier israelische Soldaten ums Leben, zwei weitere wurden schwer verletzt.

Forum der Geiselfamilien sieht "historische Gelegenheit" für Deal

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu beschloss am Abend nach Angaben seines Büros, eine Spitzendelegation zu den Verhandlungen über eine Waffenruhe und die Geisel-Freilassung zu schicken. So sollen unter anderem der Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, David Barnea, sowie der Chef des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet, Ronen Bar, in Katars Hauptstadt Doha reisen. Das Forum der Geiselfamilien sprach von einer "historische Gelegenheit", die Freilassung der Entführten zu erreichen.

Auch der designierte US-Präsident Donald Trump drängt Berichten zufolge auf einen raschen Deal noch vor seinem Amtsantritt am 20. Januar. Trumps Kandidat für das Amt des US-Gesandten für den Nahen Osten, Steve Witkoff, habe Netanjahu dies bei einem Treffen am Samstag mitgeteilt, berichteten israelische Medien.

Bericht: Armee genehmigt Pläne für raschen Truppenabzug aus Gaza

Die israelische Zeitung "Haaretz" berichtete unterdessen, Israels Armee habe Pläne für einen schnellen Truppenabzug aus grossen Teilen des Gazastreifens genehmigt. Sie sei in der Lage, jede von der politischen Führung genehmigte Vereinbarung umzusetzen, hiess es weiter. Die Hamas pocht auf einen Abzug des israelischen Militärs aus dem Gazastreifen. Berichten zufolge zeigt sie inzwischen aber Flexibilität bei der Umsetzung dieser Forderung. Der Abzug soll demnach schrittweise erfolgen.

Berichte über Siedlerüberfälle im Westjordanland

Die Lage im Westjordanland bleibt derweil angespannt. Bei Angriffen israelischer Siedler in zwei Dörfern im nördlichen Westjordanland sollen am Samstag mehrere Menschen verletzt worden sein, wie die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa meldete. Die palästinensischen Anwohner versuchten demnach, die Siedler abzuwehren. Dabei sei es auch zu Zusammenstössen mit der israelischen Armee gekommen.

Nahostkonflikt - Israel
Zerstörte Gebäude sind im Gazastreifen zu sehen. (Archivbild) © dpa / Tsafrir Abayov/AP/dpa

Die Angaben liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Israels Armee sagte auf Anfrage, es habe in beiden Fällen "eine gewaltsame Auseinandersetzung" zwischen Israelis und Palästinensern gegeben. Israelische Sicherheitskräfte hätten diese beendet. Die Angaben beider Seiten liessen sich zunächst nicht unabhängig verifizieren.

Nach einem Anschlag mit drei getöteten Israelis im nördlichen Westjordanland zu Beginn der Wochen häufen sich die Berichte über Übergriffe israelischer Siedler auf palästinensische Bewohner.

Israelische Siedler wollen Delegation zu Trumps Amtseinführung senden

Eine Dachorganisation für die Selbstverwaltung israelischer Siedlungen im Westjordanland teilte unterdessen mit, eine Delegation zur Amtseinführung des künftigen US-Präsidenten Donald Trump nach Washington schicken zu wollen. Während des Besuchs werde die Delegation einen Brief "als Ausdruck ihrer Wertschätzung übergeben", schrieb der Jescha-Rat auf Facebook.

Der Jescha-Rat sei zu der Veranstaltung eingeladen worden, sagte ihr Vorsitzender Israel Ganz dem rechtsreligiösen Nachrichtenportal "Arutz Sheva" zufolge. "Die Einladung, die wir von der Regierung erhalten haben, spiegelt die gemeinsamen Werte Israels, der Siedlungen und der USA wider, die auf biblischen Prinzipien beruhen", zitierte ihn das Portal.

Trump wird am 20. Januar als Präsident vereidigt. Er hatte im Wahlkampf angedeutet, die US-Aussenpolitik stärker auf die Interessen Israels ausrichten zu wollen. Er gilt als Unterstützer der politischen Rechten in Israel, die den Siedlungsbau der israelischen Regierung im Westjordanland vorantreibt.

Israel schiesst auf Verdächtige in libanesischem Grenzgebiet

Die israelische Luftwaffe hat nach Angaben der Armee auf drei Verdächtige im israelisch-libanesischen Grenzgebiet geschossen. Die drei hätten sich in der Gegend von Har Dov im Libanon in Richtung des israelischen Territoriums bewegt, teilte das israelische Militär am Samstagabend mit. Har Dov, auch als Scheeba Farmen bekannt, liegt ganz im Norden der israelisch besetzten Golanhöhen.

Nahostkonflikt - Grenze Israel-Gaza
Zerstörte Gebäude sind im Gazastreifen zu sehen. (Archivbild) © dpa / Ariel Schalit/AP/dpa

Man handle jedoch weiterhin im Einklang mit der Waffenruhe zwischen den beiden Ländern, betonte das Militär in der Mitteilung. Die Armee bleibe im Süden des Libanon stationiert und werde gegen jede Bedrohung für den Staat Israel und seine Bürger vorgehen.

Baerbock reist zu Syrien-Konferenz nach Saudi-Arabien

Um die Lage und die Zukunft Syriens nach dem Fall von Machthaber Baschar al-Assad geht es derweil bei einer Konferenz in Saudi-Arabien am Sonntag. Dazu reist auch die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in die saudische Hauptstadt Riad. An der Aussenministerkonferenz nehmen nach Angaben des Auswärtigen Amts Vertreter wichtiger Staaten der Region, westlicher Länder sowie der Vereinten Nationen teil.

Die Islamistengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) hatte Syriens Langzeitmachthaber Assad Anfang Dezember nach einer Blitzoffensive gestürzt und führt nun mit einer Übergangsregierung das Land.  © Deutsche Presse-Agentur

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