Zu seinem wohl letzten Besuch ist Joe Biden nach Deutschland gekommen. Den Abschied in Berlin verfolgt der US-Präsident sichtlich beeindruckt – und bedankt sich ausführlich.

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In den USA mag ein Präsident in seinen letzten Amtsmonaten als lahme Ente gelten. In Deutschland verursacht er trotzdem noch einen Ausnahmezustand. Das Berliner Regierungsviertel ist am Freitag stellenweise abgeriegelt, der Zugverkehr phasenweise ausgesetzt. Auf der Spree schlägt nur ein Polizeiboot Wellen. Berlin hält den Atem an für einen letzten Auftritt von Joseph Robinette Biden, Junior.

In weniger als drei Wochen werden die Amerikaner einen neuen Präsidenten oder eine Präsidentin wählen. Biden verabschiedet sich von Deutschland nach vier Jahren im Amt, in denen er Amerika und Europa wieder zusammengeführt hat – und in der so manche Gewissheit des sogenannten Westens doch ins Wanken geraten ist.

Steinmeier über Biden: "Ein grundanständiger Mensch"

Es ist ein kurzer Abschied mit einer grossen Geste und grossen Worten. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verleiht Biden am Vormittag die "Sonderstufe des Grosskreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland". Der US-Präsident sei ein "Leuchtfeuer der Demokratie", sagt Steinmeier, und ein "grundanständiger Mensch". Der Ausgezeichnete reagiert mit grosser Bescheidenheit. Er sei "überwältigt", sagt Biden. Eigentlich habe er diese Ehre gar nicht verdient.

Vor 44 Jahren kam Biden – damals noch als junger Senator – erstmals nach Bonn. Mit ihm verlässt ein echter Transatlantiker das Weisse Haus. Die Beziehungen zu Europa hat er in seiner langen Karriere immer hochgehalten und gepflegt. Spätestens mit seiner Amtszeit wird auch die Zeit enden, in der Europa sich auf der Unterstützung der USA ausruhen konnte. Unter Bidens Nachfolgerin oder Nachfolger werde sich Europa stärker um seine eigene Sicherhit kümmern müssen, lautet eine in Berlin und Brüssel immer wieder wiederholte Weisheit.

Biden: "Deutschland gehört zu den engsten Verbündeten"

Der russische Überfall auf die Ukraine hat die USA und Europa vor grosse Herausforderungen gestellt. Er spielt die Hauptrolle bei den kurzen Pressestatements, die Biden am Mittag zusammen mit Bundeskanzler Olaf Scholz gibt. Scholz bedankt sich für eine "ausserordentlich enge und vertrauensvolle" Zusammenarbeit: "Thank you, Mister President!", sagt er. "Deiner Führung ist es zu verdanken, dass Putins Plan gescheitert ist."

Biden und Scholz verstehen sich gut. Bei der Unterstützung der Ukraine im Verteidigungskampf gegen Russland liegen sie auf einer Wellenlänge: Militärhilfe ja – aber mit Grenzen. Diesen Standpunkt verdeutlicht der Kanzler noch einmal: Gemeinsam werde man die Ukraine unterstützen, gemeinsam setze man sich für eine starke Nato ein. Gleichzeitig werde man verhindern, dass die Nato-Staaten in den Ukraine-Krieg hineingezogen werden und damit ein noch grösserer Krieg entsteht. "Diese Verantwortung ist uns sehr bewusst und niemand kann sie uns abnehmen."

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Der Gast ist sichtlich beeindruckt vom warmen Abschied. "Deutschland gehört zu den engsten und wichtigsten Verbündeten meines Landes", sagt Biden. Er lobt Deutschlands Bemühungen, zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung für die Verteidigung auszugeben. Und er lobt die ausgerufene Zeitenwende des Bundeskanzlers. Die Zusammenarbeit zwischen den USA und Deutschland gehe über die Ukraine hinaus. Sie werde auch im Nahen Osten oder im Umgang mit Iran gebraucht.

"Danke, danke, danke", sagt Biden – und dann nochmal an Scholz: "Danke für deine Freundschaft!". Eine Freundschaft zu seiner Nachfolgerin oder seinem Nachfolger wird Scholz erst noch knüpfen müssen.

Verwendete Quelle

  • Pressestatements von Olaf Scholz und Joe Biden im Bundeskanzleramt
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