- Zum ersten Mal seit 100 Jahren wurde der Sprecher des Repräsentantenhauses in den USA nicht im ersten Wahlgang gewählt.
- Der rechte Flügel der Republikaner kritisiert Kandidat Kevin McCarthy für mangelnde politische Haltung.
- In der Vergangenheit war McCarthy durch ein unklares Verhältnis zu Ex-Präsident Donald Trump aufgefallen.
Er konnte es wohl selbst nicht glauben. Aufnahmen zeigen Kevin McCarthy mit fassungslosem Gesicht im Washingtoner Kapitol, wo am vergangenen Dienstag der neue Sprecher des Repräsentantenhauses gewählt werden sollte. Es handelt sich eigentlich um eine Formalie. Die stärkste Fraktion in der Kammer, in diesem Fall die Republikaner, stellt einen Kandidaten und die Mehrheit der Abgeordneten stimmt dem Vorschlag zu.
So lief es zumindest die letzten hundert Jahre. Dieses Mal nicht. Dreimal wurde insgesamt abgestimmt, nachdem McCarthy im ersten Durchgang keine Mehrheit erhalten hatte, dreimal erlangte der Kandidat der Demokraten mehr Stimmen als McCarthy. Ein republikanischer Gegenkandidat blockierte die erforderlichen Stimmen zur absoluten Mehrheit für einen der beiden Kandidaten.
Revolte bei den Republikanern
So etwas hatte Washington sehr lange nicht mehr erlebt. Was sich gerade im Kapitol abspielt, ist nicht weniger als eine Revolte innerhalb der Republikanischen Partei im Repräsentantenhaus. Nach den ernüchternd ausgefallenen Halbzeitwahlen im vergangenen November ist die Partei zerstritten. Es geht vor allem um den Einfluss von Ex-Präsident
Zum einen wird also gerade ein Machtkampf zwischen den verschiedenen Lagern im Kongress ausgetragen. Der rechte Flügel verweigert dem Kandidaten der Moderaten die Gefolgschaft. Es wäre aber auch falsch zu sagen, die aktuelle Auseinandersetzung hätte nichts mit Kevin McCarthy persönlich zu tun. Es ist nicht das erste Mal, dass er vom rechten Flügel als Kandidat abgelehnt wird. 2015 wollte er bereits zum ersten Mal für das Amt des Sprechers kandidieren, musste dann aber auf Druck des "Freedom Caucus", dem rechten Flügel der Partei, seine Kandidatur zurückziehen. Nun scheitert er womöglich zum zweiten Mal und dieses Mal vor aller Augen.
Unklares Verhältnis zu Trump
Dabei geht es auch um die inhaltliche Wendigkeit des Kandidaten. Ein republikanischer Abgeordneter erklärte am Dienstag, er wisse nicht, wofür McCarthy stehe. Dieser würde ständig seine Positionen ändern. Die Kritik ist nachvollziehbar. In der Vergangenheit hatte McCarthy oftmals kontroverse Positionen bezogen, nur um sie genauso schnell wieder zu räumen. Er würde eben gerne auf der Seite der Gewinner stehen, sagen Kritiker.
Am meisten fallen diese Positionsänderungen ins Gewicht, wenn es um das Verhältnis zu Ex-Präsident Trump geht. So war McCarthy vor dessen Präsidentschaft einer der grössten Befürworter des Immobilien-Unternehmers als Präsidentschaftskandidaten. Gleichzeitig erklärte er gegenüber Kollegen, Trump würde von Russlands
Nach dem Sturm auf das Kapitol geriet McCarthy dann abermals in die Schlagzeilen, weil er als einer der wenigen Republikaner die Schuld für die Ausschreitungen klar beim Ex-Präsidenten sah. Es dauerte nicht lange, da kassierte er auch diese Haltung wieder ein und reiste in das Domizil von Donald Trump nach Mar-a-Lago, um Busse zu tun.
McCarthy weigert sich, Wahlniederlage anzuerkennen
Aus diesen Fehlern hatte McCarthy offenbar gelernt. Um sich die Gunst der Trump-Unterstützer innerhalb der republikanischen Abgeordneten zu sichern, hatte der Abgeordnete aus dem kalifornischen Bakersfield vor der vergangenen Wahl mit klar konservativen Positionen geworben, wie beispielsweise einer verstärkten Sicherung der Südgrenze zu Mexiko. Geholfen hat das wenig. Scheinbar nehmen ihm viele seine Kurswechsel nicht mehr ab oder sind nach wie vor erbost über seine Kritik am ehemaligen US-Präsidenten in der Vergangenheit.
Dabei hat der 57-jährige Kalifornier eines mit Donald Trump gemein: Die Unfähigkeit, Niederlagen anzuerkennen. Laut eines republikanischen Kollegen im Kongress hat McCarthy sich bereits im Büro des Sprechers des Repräsentantenhauses einquartiert und weigert sich, dieses zu verlassen. Der republikanische Abgeordnete Matt Gaetz forderte daraufhin den Verantwortlichen für die Instandhaltung des Gebäudes auf, McCarthy entfernen zu lassen. Ob er das Büro wirklich verlassen muss, könnte sich noch am Mittwoch entscheiden. Dann soll die vierte Abstimmungsrunde laufen.
Verwendete Quellen:
- washingtonpost.com: House majority leader to colleagues in 2016: ‘I think Putin pays’ Trump
- spiegel.de: Republikanischer Hardliner Matt Gaetz bezeichnet Kevin McCarthy als "Besetzer"
- faz.net: Biegsamer Republikaner
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