• US-Republikaner Kevin McCarthy kann sich auch im sechsten Anlauf bei der Wahl des Repräsentantenhaus-Chefs nicht durchsetzen.
  • Es ist das erste Mal seit hundert Jahren, dass bei der Wahl mehr als ein Anlauf nötig ist.

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Der Republikaner Kevin McCarthy ist auch im sechsten Anlauf bei der Wahl zum Vorsitzenden des Repräsentantenhauses gescheitert. Das ergab sich aus dem Ergebnis der mündlichen Abstimmung am Mittwoch, das formell noch von der Leiterin der Sitzung in der Parlamentskammer bestätigt werden musste. McCarthy hatte bereits in den vorherigen Wahlgängen nicht die erforderliche Zahl an Stimmen erreicht, weil ihm diverse Parteikollegen die Unterstützung verweigerten.

Auch dieses Mal hatten die Republikaner wieder einen Gegenkandidaten nominiert - und zwar erneut den republikanischen Abgeordneten Byron Donalds. Auf ihn entfielen wie im Wahlgang zuvor 20 Stimmen. Donalds wurde von einer glühenden Anhängerin des ehemaligen Präsidenten Donald Trump nominiert, Lauren Boebert. Trump hatte Stunden zuvor noch die Partei dazu aufgerufen, sich hinter McCarthy zu stellen und diesen zu wählen.

Trump solle McCarthy sagen, dass dieser sich zurückziehen ziehen müsse, forderte Boebert - die eigentlich eine der lautesten Trump-Unterstützerinnen ist. Der Ex-Präsident hatte McCarthy bereits vor der Wahl seine Unterstützung ausgesprochen, was den Feldzug gegen diesen aber nicht verhinderte.

Es ist eine historische Schlappe für den 57-jährigen McCarthy, denn es ist das erste Mal seit hundert Jahren, dass bei der Wahl eine Fraktion ihrem Kandidaten im ersten Durchgang die Gefolgschaft verweigert hat.

Nach den Parlamentswahlen im November war der Kongress am Dienstag erstmals in neuer Konstellation zusammengekommen. Die Republikaner übernahmen die Kontrolle im Repräsentantenhaus - im Senat haben die Demokraten von Präsident Joe Biden weiter eine knappe Mehrheit. Doch der erbitterte Machtkampf der Republikaner um die Führung im Repräsentantenhaus überschattete den Auftakt in eine neue Legislaturperiode.

McCarthy fehlten knapp 20 Stimmen

Angesichts einer knappen Mehrheit ist McCarthy in der Kammer auf fast jede Stimme angewiesen. Wenn alle Abgeordneten anwesend sind und abstimmen, benötigt er 218 Stimmen. In den ersten beiden Anläufen fielen nur 203 auf ihn - bei der dritten sogar nur noch 202. Damit holte er weniger Stimmen als sein demokratischer Konkurrent Hakeem Jeffries. Der Fraktionschef der Demokraten wurde von seiner Partei für den Posten nominiert. Es gilt aber als ausgeschlossen, dass er das Rennen macht. Dafür würde er Stimmen der Republikaner benötigen, denn die Demokraten sind in der Kammer die kleinere Fraktion. Republikanische Abgeordnete sprachen nach den Wahlgängen von "Chaos".

Trump-Unterstützer verweigern McCarthy ihre Stimmen

Der Widerstand gegen McCarthy kommt vom rechten Rand der Fraktion. Trump versuchte am Mittwoch, den Abweichlern ins Gewissen zu reden. Auf der von ihm mitbegründeten Social-Media-Plattform Truth Social schrieb der Ex-Präsident: "Gestern Abend fanden einige wirklich gute Gespräche statt, und jetzt ist es an der Zeit, dass alle unsere grossartigen republikanischen Abgeordneten für Kevin stimmen." Er appellierte an seine Parteikollegen: "Verwandelt einen grossen Triumph nicht in eine riesige und peinliche Niederlage." McCarthy werde einen guten Job machen, "und vielleicht sogar einen grossartigen".

Trump hatte zur Wahl McCarthys aufgerufen

Trump hatte McCarthy bereits vor der Wahl seine Unterstützung ausgesprochen, was den Feldzug gegen diesen aber nicht verhinderte. Am Dienstagabend nach dem Wahlchaos im Kongress hatte Trump dem Nachrichtensender NBC auf die Frage, ob er McCarthy weiter unterstütze, lediglich schmallippig geantwortet: "Wir werden sehen, was passiert." Nun folgte seine klare Ansage zugunsten McCarthys.

Dieser hatte sich kurz vor der Sitzung noch kämpferisch gegeben und gesagt, er habe kein Problem damit, einen Rekord aufzustellen für die meisten Wahlgänge bei einer Abstimmung zum Vorsitz im Repräsentantenhaus. Bis der Vorsitz geklärt ist, geht gar nichts: Die Kongresskammer kann nicht ihre Arbeit aufnehmen, nicht mal die neuen Abgeordneten können vereidigt werden.

Wird ein neuer Kandidat aufgestellt?

Möglich ist jetzt, dass ein neuer Kandidat aufgestellt wird, auf den sich möglicherweise eine Mehrheit der Republikaner verständigen kann. Ein Name, der dabei immer wieder genannt wird, ist Steve Scalise. Der Republikaner gehört zur Führungsriege der Partei. Er hatte sich am Dienstag hinter McCarthy gestellt. Genannt wird ebenfalls Elise Stefanik. Sie wurde 2014 als damals jüngste Frau ins Repräsentantenhaus gewählt und galt als moderat. Mittlerweile zählt sie zu den eisernen Unterstützerinnen von Trump.

Die rechten Trump-Anhänger in der Fraktion der Republikaner bevorzugen allerdings den Abgeordneten Jim Jordan. Er stand bereits am Dienstag zur Wahl und luchste McCarthy Stimmen ab. Jordan betonte nach dem Debakel bei der Abstimmung, er selbst wolle gar nicht Vorsitzender des Repräsentantenhauses werden. Der Rechtsaussen dürfte auch für viele in der Partei kein tragbarer Kompromisskandidat sein. (dpa/cgo)

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