Hunderte Menschen werden bei Angriffen Israels im Libanon getötet, Zehntausende flüchten. Die Hisbollah feuert mit Raketen - und auch die Hamas bleibt eine Gefahr. Hat die Diplomatie noch Chancen?
Nach massiven israelischen Luftangriffen im Libanon schwankt die Stimmung im Land zwischen Sorge vor einer Bodenoffensive und der Hoffnung auf eine diplomatische Lösung.
Seit Beginn der intensiven israelischen Angriffe wurden nach Angaben der libanesischen Behörden mehr als 600 Menschen getötet, darunter Dutzende Frauen und Kinder. Zehntausende sind nach UN-Angaben im Libanon auf der Flucht vor den Bombardements. Während Israel eine Bodenoffensive vorbereitet, dringt eine Staatengruppe um die USA und Deutschland zusammen mit wichtigen arabischen Ländern auf eine Kampfpause.
Staaten fordern dreiwöchige Waffenruhe in Nahost
Die geforderte Waffenruhe soll 21 Tage dauern und Raum schaffen für eine diplomatische Lösung des Konflikts zwischen Israel und der Hisbollah-Miliz im Libanon sowie des seit fast einem Jahr andauernden Gaza-Kriegs - so steht es in der gemeinsamen Stellungnahme, die von den USA, Deutschland, der EU, Australien, Kanada, Frankreich, Italien, Japan, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar getragen wird. Deren Grundaussage: Diplomatie können keinen Erfolg haben, wenn der Konflikt eskaliere.
Der kollektive Aufruf geht zurück auf eine Initiative der USA und Frankreich. US-Präsident Joe
Die gemeinsame Stellungnahme der Staatengruppe richtet sich an alle Konfliktparteien, ausdrücklich auch an "die Regierungen Israels und des Libanons". Ob Israels Ministerpräsident
Vorbereitungen auf israelische Bodenoffensive
Im Kampf gegen die vom Iran unterstützten Schiitenmiliz Hisbollah mobilisiert die israelische Armee unterdessen zwei weitere Reservebrigaden. Ziel sind nach Militärangaben "operative Einsätze im nördlichen Bereich". Generalstabschef Herzi Halevi sagte, die Armee bereite sich auf eine mögliche Bodenoffensive vor. Intensive Luftangriffe im nördlichen Nachbarland seien eine Vorbereitung darauf, während man die Schlagkraft der Hisbollah verringere. Aus Kreisen der libanesischen Miliz hiess es dazu, ihre Kämpfer seien "bereit, sich jeglicher möglichen Bodeninvasion entgegenzustellen".
Die Hisbollah hatte am Mittwoch erstmals eine Rakete auf den Grossraum Tel Aviv gefeuert. Das Geschoss wurde nach Militärangaben von der israelischen Raketenabwehr abgefangen. Die Hisbollah erklärte, der Angriff habe dem Hauptquartier des israelischen Auslandsgeheimdiensts Mossad in einem Vorort der Küstenmetropole Tel Aviv gegolten. Insgesamt feuerte die Hisbollah nach Militärangaben rund 110 Raketen auf Israel.
Vor seiner Abreise zur UN-Vollversammlung in New York traf der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sein sogenanntes Sicherheitskabinett zu Beratungen über das weitere Vorgehen.
Biden warnt vor umfassendem Krieg
Angesichts der extrem angespannten Lage im Nahen Osten warnten Frankreichs Präsident Macron und die Regierungen etlicher Länder vor einem umfassenden Krieg. "Aber ich denke, dass wir immer noch die Chance auf eine Einigung haben, die die gesamte Region grundlegend verändern könnte", sagte US-Präsident Joe Biden in der Talkshow "The View" des US-Senders ABC.
Auch Bundeskanzler
Israel: Waffenruhe entweder vor oder nach einem Krieg
Israels Vertreter betonten bei den Vereinten Nationen in New York indes weiterhin die Möglichkeit eines grossen Krieges. "Ich möchte eine Waffenruhe und die Rückkehr der Israelis in ihre Häuser im Norden - und der Südlibanesen in ihre Häuser im Südlibanon. Das ist es, was wir alle erreichen wollen", sagte der israelische Botschafter Danny Danon. "Das wird entweder nach einem Krieg oder vor einem Krieg geschehen. Wir hoffen, dass es vorher sein wird."
Israel: Mehr als 2.000 Hisbollah-Ziele angegriffen
Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari sagte, binnen drei Tagen habe die Luftwaffe des Landes mehr als 2.000 "Terror-Ziele" im Libanon angegriffen, darunter mehrere Raketenabschussrampen. Am Mittwoch seien auch Ziele an 70 verschiedenen Orten beschossen worden, die dem Hisbollah-Geheimdienst zuzurechnen seien. Damit würden Lageeinschätzungen der Miliz erschwert.
Panik und Verzweiflung unter Zivilbevölkerung im Libanon
Die Bombardierungen trafen vor allem den Süden Landes am Mittelmeer, aber auch die Bekaa-Ebene im Osten. Zehntausende der knapp 6 Millionen Menschen im Libanon gerieten durch die Angriffe in Panik und flüchteten in andere Landesteile oder gar über die Grenze ins benachbarte Bürgerkriegsland Syrien. In den betroffenen Gebiete im Süden suchten Verzweifelte teils am Strand Schutz - fern von möglichen Zielen und in der Hoffnung, dort sicherer zu sein.
Die Lage im Libanon war schon vor der jüngsten Eskalation der Gewalt prekär. Seit Jahren leidet das Land unter einer schweren Wirtschaftskrise, die auch das Gesundheitssystem an den Rand des Zusammenbruchs gebracht hat. Zudem hat der kleine Küstenstaat seit dem Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs im Jahr 2011 etwa 1,5 Millionen Flüchtlinge aufgenommen - gemessen an der Einwohnerzahl ein Vielfaches der Zahl an Geflüchteten, die etwa in Deutschland unterkamen.
Seit Beginn des Gaza-Kriegs nach dem Terrorangriff der Hamas und anderer islamistischer Extremisten auf Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres beschiesst die Hisbollah regelmässig den Norden des jüdischen Staats - aus Solidarität mit der Hamas, wie sie sagt. Nach den massiven israelischen Bombardierungen im Libanon seit dem Wochenende droht nun ein offener Krieg zwischen Israel und der Hisbollah. Israels will die Miliz so weit schwächen, dass sie ihren Beschuss einstellt und vertriebene Israelis in ihre Wohngebiete im Norden des Landes zurückkehren können. (dpa/bearbeitet von fab)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.