- Mit einem neuen Gesetz werden Abtreibungen im US-Bundesstaat Texas massiv erschwert.
- Bürgerrechtler und Politiker zeigen sich empört über die neuen Regelungen.
- Durch diese könnten sogar Vergewaltiger Abtreibungshelfer ihrer Opfer verklagen – und dafür noch Tausende Dollar kassieren.
In den USA sorgt ein neues Abtreibungsgesetz, das seit Mittwoch im Bundesstaat Texas gilt, für hitzige Debatten und Empörung. Durch das Gesetz werden Abteibungen ab dem Zeitpunkt, zu dem der Herzschlag des Fötus festgestellt werden kann, verboten – also etwa ab der sechsten Schwangerschaftswoche.
Viele Frauen wissen zu diesem Zeitpunkt aber noch gar nicht, dass sie schwanger sind. Nach Angaben der Bürgerrechtsgruppe ACLU wurden in dem Bundesstaat bislang zwischen 85 und 90 Prozent aller Abtreibungen nach der sechsten Schwangerschaftswoche vorgenommen.
Selbst im Fall einer Vergewaltigung oder bei Inzest sieht das Gesetz keine Ausnahmen vor. Abtreibungen zu einem späteren Zeitpunkt sind nur erlaubt, wenn die Gesundheit der Schwangeren in Gefahr ist.
Neues Gesetz setzt "Kopfgeld" auf Abtreibungshelfer aus
Auch der Umstand, dass künftig nicht Behörden das Gesetz durchsetzen sollen, sondern Privatleute, wird scharf kritisiert. Bürger werden ermutigt, jene zu verklagen, die sie verdächtigen, Frauen bei einer Abtreibung nach der sechsten Woche geholfen zu haben. Das könnte beispielsweise Abtreibungskliniken oder deren Mitarbeiter treffen.
Die Kläger erhalten im Falle einer Verurteilung mindestens 10.000 Dollar, die vom Verurteilten zu zahlen sind. Der Klagende muss auch nicht in Texas leben, wodurch Abtreibungsgegner aus allen US-Bundesstaaten de facto dafür sorgen können, dass dort Abtreibungskliniken geschlossen werden müssen.
Dass Bürger mit der Durchsetzung der neuen Regeln betraut werden, macht es schwieriger, das Gesetz vor Gericht anzufechten. Bereits im April hatten mehr als 370 Rechtsexperten aus Texas in einem offenen Brief scharfe Kritik an dem Gesetz geübt. Darin wiesen sie unter anderem darauf hin, dass die neuen Regeln es sogar einem Vergewaltiger möglich machen würden, Helfer seines Opfers zu verklagen und dafür auch noch Tausende Dollar zu kassieren.
Die Bürgerrechtsgruppe ACLU verurteilt diesen Umstand als "Kopfgeld"-Schema. US-Präsident Joe Biden erklärte am Mittwoch, es sei "empörend", Bürger dazu anzuhalten, die Regelungen mit Zivilklagen durchzusetzen. Zudem stelle das "extreme" Gesetz einen "eklatanten" Verstoss gegen das Grundrecht von Frauen auf Schwangerschaftsabbrüche dar. Seine Regierung werde das Recht auf Abtreibungen "schützen und verteidigen".
Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Bidens Parteifreundin Nancy Pelosi, sprach von einem "unmoralischen und gefährlichen Angriff" auf die Rechte von Frauen. Wie sie weiter erklärte, müsse jede Frau im ganzen Land Zugang zu Abtreibungen haben. Dass der Oberste Gerichtshof der USA das "radikale Gesetz" nicht gestoppt habe, sei eine "Katastrophe" für Frauen in Texas.
Supreme Court weist Eilantrag gegen Gesetz ab
Das als Senate Bill 8 - kurz SB8 - bekannte Gesetz war im Mai vom konservativen Gouverneur von Texas, Greg Abbott, unterzeichnet worden und gilt als das strengste Abtreibungsgesetz in den USA.
Bürgerrechtsgruppen und Anbieter von Abtreibungen hatten am Montag beim Supreme Court einen Eilantrag gegen die Regelungen eingereicht. Der Oberste Gerichtshof der USA hatte diesen allerdings abgelehnt. Seine Entscheidung begründete er am Mittwochabend mit "komplexen und neuartigen verfahrenstechnischen Fragen". Damit traf er allerdings keine Entscheidung über die Verfassungsmässigkeit des umstrittenen Gesetzes.
Die Entscheidung erfolgte durch eine knappe Mehrheit von fünf Richtern, von denen drei vom ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump ernannt worden waren. Damit bilden Richter aus dem konservativen Lager in dem neunköpfigen Gremium die Mehrheit.
Die liberale Richterin Sonia Sotomayor bezeichnete die Entscheidung als "verblüffend" und sagte, ihre Kollegen hätten sich dafür entschieden, "den Kopf in den Sand zu stecken", anstatt ein "offenkundig verfassungswidriges Gesetz zu verhindern".
Mehrere ähnliche Abtreibungsgesetze wurden bereits gekippt
Vor Texas hatte bereits ein Dutzend anderer konservativ geprägter Bundesstaaten ähnliche Abtreibungsgesetze beschlossen. Sie wurden aber allesamt von Gerichten kassiert, weil sie im Widerspruch zu einem Grundsatzurteil des Supreme Court aus dem Jahr 1973 stehen. In dem Urteil Roe v. Wade hatten die Verfassungsrichter Abtreibungen bis zum sechsten Schwangerschaftsmonat legalisiert.
Das Abtreibungsrecht gehört zu den strittigsten gesellschaftlichen und politischen Themen in den USA. Abtreibungsgegner wollen erreichen, dass der Oberste Gerichtshof das Grundsatzurteil von 1973 kippt.
Sie setzen darauf, dass der Supreme Court während der Präsidentschaft von Bidens Vorgänger Donald Trump weiter nach rechts gerutscht ist: Sechs der neun Richter gehören dem konservativen Lager an. Der Gerichtshof wird sich im Herbst mit einem Abtreibungsgesetz des Bundesstaates Mississippi befassen. (afp/thp)
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