Für US-Präsident Biden dürfte es die letzte Zusammenkunft seiner Amtszeit mit Chinas Staatschef Xi sein. Im Januar folgt auf ihn der Republikaner Trump. Biden will die Gelegenheit noch einmal nutzen.
Der scheidende US-Präsident Joe
Washington setzt auf Stabilität
Bidens Berater haben monatelang auf das Treffen in der peruanischen Hauptstadt Lima hingearbeitet. Über das geplante Gespräch sagte Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan: "Es ist eine wichtige Gelegenheit, die Fortschritte in unseren Beziehungen zu markieren und sie in dieser heiklen Übergangsphase zu steuern, in der wir ein gewisses Mass an Stabilität aufrechterhalten wollen. Auch wenn wir weiterhin mit der Volksrepublik China im Wettbewerb stehen."
Kurz vor dem Treffen hatte Xi mit Perus Staatschefin Dina Boluarte einen grossen Containerhafen in der peruanischen Stadt Chancay eingeweiht. Es ist der erste von China kontrollierte Hafen Südamerikas, der eine direkte Route nach Shanghai einrichten wird. China steckt seit Jahren über seine Investitionsinitiative "Neue Seidenstrasse" Geld in Infrastrukturprojekte in Mittel- und Südamerika und gewinnt damit Einfluss in der Region.
Zum ersten Mal hatten sich Biden und Xi als Präsidenten vor zwei Jahren am Rande des G20-Gipfels auf der indonesischen Urlaubsinsel Bali getroffen. Danach ging es mit den Beziehungen der beiden Länder bergab. Hauptgrund dafür war ein riesiger chinesischer Überwachungsballon, der wenige Wochen nach dem Treffen auf Bali über US-Territorium auftauchte. Die USA warfen Peking damals ein grossangelegtes Spionageprogramm vor und schossen den Ballon ab. China wies die Vorwürfe zurück und sprach von einem Wetterballon.
Vor einem Jahr kamen Biden und Xi dann erneut zu einem Gespräch zusammen - am Rande des damaligen Apec-Gipfels im US-Bundesstaat Kalifornien. Damals gelang es den Präsidenten, die Spannungen zwischen den beiden Supermächten etwas zu lösen. Biden und Xi schlugen nach ihrer Unterhaltung betont versöhnliche Töne an. Der US-Präsident machte gleichzeitig deutlich, dass er Xi weiter für einen "Diktator" halte - was in Peking auf Kritik stiess.
Bidens Position ist geschwächt
Besonders bei ihrer ersten Zusammenkunft auf Bali ging Biden aus einer Position der Stärke heraus in das Treffen. Kurz zuvor hatten seine Demokraten überraschend stark bei den Zwischenwahlen abgeschnitten. Das sieht nun völlig anders aus. Bidens Vize Kamala Harris unterlag klar bei der Präsidentenwahl vor anderthalb Wochen, die Demokraten verloren ihre Mehrheit im US-Senat, und im US-Repräsentantenhaus konnten die Republikaner ihre Mehrheit verteidigen. Biden zieht also nicht nur aus dem Weissen Haus aus, auch seine Partei hat auf Bundesebene nicht mehr viel zu melden.
Bei dem Gespräch in Lima stehen nun folgende Themen auf der Agenda:
- Taiwan: Die Inselrepublik, die nur durch eine Meerenge von China getrennt wird, hat seit Jahrzehnten eine demokratische Regierung. China sieht das Land jedoch als Teil seines Territoriums an. Der Westen fürchtet deshalb, Chinas Armee könnte in Taiwan einmarschieren. Biden hat Taipeh für einen solchen Fall militärischen Beistand versprochen. Peking sieht die Taiwan-Frage im Verhältnis zwischen China und den USA als rote Linie, die nicht überschritten werden darf, und kritisiert die regelmässigen US-Waffenlieferungen an die Inselrepublik.
- Ukraine: China hat Russlands Vorgehen bislang nicht verurteilt und gibt ihm Zugang zu waffentauglicher Technologie für den Angriffskrieg gegen die Ukraine. Ein von China und Brasilien vorgelegter Friedensplan spiegelt hauptsächlich die russische Position wider und hat Kiew verärgert. Angesichts der in Kursk stationierten nordkoreanischen Soldaten versucht der Westen zudem, China zum Einwirken auf Pjöngjang zu bewegen. Öffentlich kommentierte Peking den Einsatz bislang nicht und verweist darauf, dass er Sache der russisch-nordkoreanischen Beziehungen sei. In Lima betonte Biden deshalb die Wichtigkeit der US-Allianz mit Südkorea und Japan, um "der gefährlichen und destabilisierenden Zusammenarbeit Nordkoreas mit Russland" entgegenzuwirken.
- Militär-Kommunikation: Die Wiederaufnahme der Militär-Kommunikation der beiden Länder galt als wichtigstes Ergebnis des Krisentreffens von Biden und Xi in Kalifornien vor einem Jahr. Offen ist nun, ob sich diese Entwicklung unter Trumps Regierung so fortsetzen wird.
- Drogenhandel: Im Kampf gegen die Einfuhr der tödlichen Droge Fentanyl in die USA sicherte sich Biden vergangenes Jahr in Kalifornien mehr Unterstützung aus China. Biden und Xi vereinbarten Massnahmen gegen die Ausfuhr von Bestandteilen für die Produktion des Opioids aus China. Die US-Regierung wirft China vor, eine entscheidende Rolle in der Drogen-Epidemie Amerikas zu spielen.
- Klimawandel: China ist für fast ein Drittel der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich, die USA standen 2022 mit rund 14 Prozent an zweiter Stelle. Peking und Washington haben zuletzt stärkere Zusammenarbeit beim Thema Klima vereinbart. Mit Trump könnten diese Anstrengungen zurückgefahren werden. Er will verstärkt Öl fördern und hat sich in seiner ersten Amtszeit vom Pariser Klimaabkommen abgewendet.
Wegen des anstehenden Regierungswechsels in den USA können Biden und Xi nun schwerlich neue Projekte anstossen oder Verpflichtungen eingehen. Laut Biden Sicherheitsberater geht es dem scheidenden Präsidenten vor allem um die Bewahrung von "Stabilität, Klarheit und Vorhersehbarkeit". (dpa/bearbeitet von jum)
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