Donald Trump bezeichnet den Präsidenten der Ukraine als einen "Diktator ohne Wahlen". Wolodymyr Selenskyj ist nach geltendem Kriegsrecht weiterhin das Oberhaupt der Ukraine, auch ohne Neuwahlen. Bundeskanzler Olaf Scholz hat Trumps Vorwurf zurückgewiesen.
US-Präsident Donald Trump hat den ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj als "Diktator" bezeichnet und damit seinen Ton gegenüber Kiew verschärft. "Ein Diktator ohne Wahlen, Selenskyj sollte sich besser beeilen, oder er wird kein Land mehr haben", erklärte Trump am Mittwoch auf seiner Online-Plattform Truth Social. Selenskyj bezeichnete ihn zuvor als Opfer russischer Desinformation. Die verbalen Attacken dürften grössere Auswirkungen auf die Bemühungen zur Beilegung des Krieges zwischen Russland und der Ukraine haben.
"Ich liebe die Ukraine, aber Selenskyj hat einen furchtbaren Job gemacht", erklärte Trump weiter auf Truth Social. Der US-Präsident hatte bereits am Dienstag kritisiert, dass in der Ukraine seit der russischen Invasion im Februar 2022 keine Wahlen mehr organisiert worden seien.
Selenskyjs Amtszeit war im Mai 2024 offiziell zu Ende gegangen, wegen des Kriegsrechts dürfen in der Ukraine derzeit aber keine Wahlen abgehalten werden. Zudem sind Millionen Ukrainer ins Ausland geflohen und 20 Prozent des ukrainischen Territoriums stehen unter russischer Besatzung.
Kanzler Scholz sagte dem "Spiegel", es sei "schlicht falsch und gefährlich, Präsident Selenskyj die demokratische Legitimation abzusprechen". Selenskyj sei das gewählte Staatsoberhaupt der Ukraine. "Dass mitten im Krieg keine ordentlichen Wahlen abgehalten werden können, entspricht den Vorgaben der ukrainischen Verfassung und den Wahlgesetzen. Niemand sollte etwas anderes behaupten", sagte Scholz.
Baerbock warf Trump im ZDF vor, mit seinen Äusserungen über Selenskyj die Realitäten zu verkennen: "Wenn man nicht nur schnell twittert, sondern die wirkliche Welt sieht, dann weiss man, wer in Europa leider unter diktatorischen Verhältnissen leben muss: die Menschen in Russland, die Menschen in Belarus."
Trump macht Selenskyj für die russische Invasion verantwortlich
Die Ukraine kämpft seit Februar 2022 mit finanzieller und militärischer Unterstützung europäischer Staaten und der ehemaligen US-Regierung von Joe Biden gegen eine russische Invasion.
In einem abrupten Politikwechsel seit seinem Amtsantritt hat Trump Gespräche mit Moskau über eine Beendigung der Kämpfe aufgenommen, Europa und die Ukraine dabei jedoch ausgeschlossen.
In einer Pressekonferenz am Dienstag machte Trump Selenskyj faktisch für die russische Invasion in der Ukraine verantwortlich. "Ihr hättet nie damit anfangen sollen", sagte Trump und wiederholte mehrere Aussagen des Kreml über den Konflikt.
Selenskyj sagte daraufhin am Mittwoch in Kiew, Trump sei ein Opfer russischer Desinformation, indem dieser der Ukraine vorwarf, den Krieg "angefangen" zu haben, und wie der Kreml die Rechtmässigkeit Selenskyjs in Frage stellte.
Trump erwiderte auf Truth Social: "Stellt Euch vor, ein Komiker mit bescheidenem Erfolg, Wolodymyr Selenskyj, hat die Vereinigten Staaten von Amerika überzeugt, 350 Milliarden Dollar auszugeben und sich in einem Krieg zu engagieren, der nicht gewonnen werden kann, der niemals hätte beginnen dürfen." Ohne die USA und Trump könne der Krieg niemals beendet werden.
Umfrage attestiert Selenskyj hohe Zustimmung
Nach Berechnungen des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) beläuft sich die Hilfe der USA für die Ukraine auf 114,2 Milliarden Dollar (109 Milliarden Euro) seit 2022.
Trump wiederholte zudem die Behauptung, dass der ukrainische Präsident "zugegeben" habe, dass die Hälfte der US-Hilfen für Kiew verschwunden sei.
Am Dienstag hatte Trump behauptet, Selenskyj habe in der ukrainischen Bevölkerung eine Zustimmungsrate von nur vier Prozent. Eine am Mittwoch veröffentlichte Umfrage attestierte Selenskyj allerdings 57 Prozent Zustimmung. "Wir haben diese Falschinformation gesehen, wir nehmen an, dass sie aus Russland kommt", sagte Selenskyj dazu.
Die Umfrage, die Zustimmungswerte von 57 Prozent für Selenskyj ermittelte, war von dem anerkannten Kiewer Internationalen Institut für Soziologie vorgenommen worden.
Die Vereinten Nationen sehen Selenskyj nicht als illegitimes Staatsoberhaupt. "Präsident Selenskyj ist nach den ordnungsgemäss abgehaltenen Wahlen im Amt", sagte der Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres, Stéphane Dujarric, in New York. Er war spezifisch auf eine Äusserung Trumps angesprochen worden, der Selenskyj zuvor einen "Diktator" genannt hatte. (afp/dpa/bearbeitet von fra)
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