- US-Präsident Joe Biden hat mit einer missverständlichen Aussage für Entsetzen bei der ukrainischen Regierung gesorgt.
- Der US-Präsident stellte jedoch auch klar, dass Russland im Falle einer Invasion der Ukraine mit empfindlichen Sanktionen zu rechnen hätte.
- Auch Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz verschärft seinen Ton gegenüber Russland.
US-Präsident
Ukraine reagiert "schockiert" auf Bidens Aussagen
Der US-Sender CNN zitierte einen ungenannten ukrainischen Regierungsvertreter mit den Worten, er sei "schockiert, dass US-Präsident Biden zwischen Eindringen und Einmarsch unterscheidet". Das gebe dem russischen Präsidenten
Die Sprecherin des Weissen Hauses, Jen Psaki, bemühte sich kurz nach Bidens Auftritt um Klarstellung. "Präsident Biden hat sich gegenüber dem russischen Präsidenten klar geäussert: Wenn sich russische Streitkräfte über die ukrainische Grenze bewegen, ist das eine erneute Invasion, und darauf werden die Vereinigten Staaten und unsere Verbündeten schnell, hart und geschlossen reagieren", teilte Psaki mit. Der US-Präsident wisse aber, dass Russland "über ein umfangreiches Instrumentarium für Aggressionen" unterhalb der Schwelle militärischer Aktionen verfüge - beispielsweise Cyberangriffe und paramilitärische Taktiken. Biden habe bekräftigt, dass auch solche Aggressionen der Russen "mit einer entschlossenen, gegenseitigen und gemeinsamen Antwort beantwortet werden".
Biden: "Russland wird einen hohen Preis zahlen"
Biden sagte mit Blick auf die von den USA und ihren Verbündeten angedrohten harten Sanktionen, eine Invasion würde kein "Kinderspiel" für Russland. Militärisch habe Russland zwar eine "überwältigende Überlegenheit" gegenüber der Ukraine. "Aber wenn sie das tun, dann werden sie einen hohen Preis zahlen. Unmittelbar, kurzfristig, mittelfristig und langfristig." Er vermute, dass russische Soldaten in die Ukraine eindringen würden, glaube aber nicht, dass Putin "einen ausgewachsenen Krieg" wolle. Putin wolle den Westen auf die Probe stellen, unterschätze aber die Konsequenzen.
US-Aussenminister Antony Blinken stimmt sich am Donnerstag vor seinem Krisengespräch mit dem russischen Chefdiplomaten Sergej Lawrow mit den wichtigsten europäischen Nato-Verbündeten ab. In Berlin trifft er Bundeskanzler
Blinken hatte seine Europareise am Mittwoch in Kiew begonnen und von dort Russland erneut mit "massiven Konsequenzen" für den Fall eines Einmarsches in die Ukraine gedroht. Es würde sich um Sanktionen handeln, die finanzielle, wirtschaftliche sowie Komponenten der Exportkontrolle hätten, so Blinken weiter.
Auch Scholz verschärft Ton gegenüber Russland
Auch der lange Zeit zurückhaltende Kanzler Scholz hat in den letzten Tagen seine Tonlage gegenüber Russland verschärft. Er droht Russland nun wie Baerbock (Grüne) mit "hohen Kosten" bei einem Einmarsch in die Ukraine und schliesst keine Option mehr für diesen Fall aus. Auf die Frage, ob auch Konsequenzen für die Gaspipeline Nord Stream 2 denkbar seien, sagte Scholz am Dienstag: Es sei "alles zu diskutieren (...), wenn es zu einer militärischen Intervention gegen die Ukraine kommt". Gleichzeitig werben Scholz und Baerbock aber eindringlich dafür, alle Gesprächskanäle für eine Deeskalation zu nutzen.
Die Europareise Blinkens ist ein weiterer Versuch, die brenzlige Situation zwischen Russland und der Nato zu entschärfen. Aus Moskauer Sicht nutzt die Nato die Spannungen um die Ukraine, um ihre Existenz zu rechtfertigen - besonders nach dem Rückzug aus Afghanistan. Die USA und die Nato hingegen kritisieren einen Truppenaufmarsch mit rund 100 000 russischen Soldaten an der Grenze zur Ukraine. Moskau verweist darauf, dass es sich um eigene Truppen auf eigenem Staatsgebiet handele.
Russland fordert verbindliche Sicherheitsgarantien von der Nato, zu denen einen Verzicht auf eine Aufnahme der Ukraine und anderer Staaten östlich des Bündnisgebiet zählt. Für das westliche Bündnis kommt das nicht in Frage. Es pocht auf die Entscheidungsfreiheit jedes Staates über den Beitritt zu Bündnissen. Die Verhandlungen westlicher und russischer Spitzendiplomaten zu den Forderungen Moskaus in der vergangenen Woche in Genf, Brüssel und Wien hatten zunächst keine greifbaren Ergebnisse gebracht.
Wie wird die Hilfe für die Ukraine aussehen?
Uneins sind sich die Nato-Staaten, welche Unterstützung sie der Ukraine jetzt schon bieten wollen. Während die USA und Grossbritannien Miltärhilfe leisten, hat Deutschland Waffenlieferungen eine klare Absage erteilt. Blinken sagte Kiew am Mittwoch zu, die US- Militärhilfe fortzusetzen. "Wir haben der Ukraine im letzten Jahr mehr Sicherheitshilfe gewährt als jemals zuvor seit 2014", betonte er. Blinken drohte auch, der Ukraine "zusätzliches Material" breitzustellen, sollte Russland seine "aggressiven Absichten" weiter verfolgen und in die Ukraine einmarschieren.
In Deutschland geht die Diskussion um Waffenlieferungen weiter. In der Ampel-Koalition gibt es erste Zweifel an der harten Haltung der Regierung. Die FDP will Waffenlieferungen nicht kategorisch ausschliessen. Die Ukraine fordert seit Jahren Waffen von Deutschland, um sich gegen einen möglichen russischen Angriff verteidigen zu können - bisher ohne Erfolg. Vor allem an Kriegsschiffen und Luftabwehrsystemen aus Deutschland ist Kiew interessiert.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj drückte bei den Warnungen vor einem Einmarsch etwas auf die Bremse. "Die Risiken bestehen nicht erst seit einem Tag, und sie sind nicht grösser geworden", sagte er am Mittwochabend in einer Ansprache. "Grösser ist nur der Rummel um sie geworden." An seine Landsleute gerichtet sagte er: "Jetzt wird aktiv nicht unser Land, sondern werden Ihre Nerven angegriffen, damit bei Ihnen ein ständiges Alarmgefühl herrscht." (dpa/ska)
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