Die USA haben ungeachtet einer richterlichen Anordnung mehr als 200 mutmassliche Mitglieder einer venezolanischen Drogenbande zur Inhaftierung nach El Salvador abgeschoben. Trump nutzt dafür ein Gesetz von 1798.

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"Heute sind die ersten 238 Mitglieder der kriminellen venezolanischen Organisation Tren de Aragua in unserem Land angekommen", teilte El Salvadors Präsident Nayib Bukele am Sonntag im Onlinedienst X mit. Das Weisse Hauses wies am Sonntag (Ortszeit) Kritik am Vorgehen der US-Regierung zurück.

US-Präsident Donald Trump hatte die Abschiebung unter Verweis auf ein Gesetz von 1798 angeordnet, ein Richter hatte den Vorstoss jedoch blockiert. Trump verwies in seiner Anordnung am Freitag auf den im Jahr 1798 verabschiedeten Aliens Enemies Act, der zuletzt im Zweiten Weltkrieg angewendet wurde.

Gesetz bisher nur in Kriegszeiten angewendet

Der Präsident erklärte, er habe das Recht, die mutmasslichen Bandenmitglieder auf der Grundlage des Gesetzes zu "ausländischen Feinden" zu erklären. Die Anordnung wurde am Freitag unterzeichnet, aber erst am Samstag veröffentlicht.

Der Alien Enemies Act erlaubt es US-Präsidenten, Bürger einer feindlichen Nation festzunehmen oder abzuschieben. Er wurde in der US-Geschichte drei Mal angewendet - im Britisch-Amerikanischen Krieg von 1812, im Ersten Weltkrieg und vor allem im Zweiten Weltkrieg.

Zwei Menschenrechtsorganisationen, die American Civil Liberties Union (ACLU) sowie Democracy Forward, forderten das zuständige Bundesgericht in Washington auf, die Abschiebungen zu stoppen und argumentierten, das Gesetz von 1798 sei nicht für die Anwendung in Friedenszeiten gedacht. Richter James Boasberg ordnete daraufhin am Samstag einen 14-tägigen Stopp aller Abschiebungen auf der Grundlage von Trumps Anordnung an. Zu diesem Zeitpunkt waren die Flugzeuge mit den mutmasslichen Gang-Mitgliedern jedoch offenbar schon auf dem Weg nach El Salvador.

El Salvadors Präsident: "Ups, zu spät"

Die Sprecherin des Weissen Hauses, Karoline Leavitt, wies später Vorwürfe zurück, die Regierung würde der Anordnung des Richters nicht Folge leisten. In einer Erklärung verwies sie darauf, dass die Flugzeuge zum Zeitpunkt der richterlichen Anordnung die USA bereits verlassen hätten. Ein "einzelner Richter in einer einzelnen Stadt" könne nicht "die Flugbahn einer Maschine voller ausländischer Terroristen lenken, die physisch aus US-Staatsgebiet ausgewiesen wurden", erklärte Leavitt.

"Ups, zu spät", reagierte El Salvadors Präsident Bukele am Sonntag auf X auf Berichte über den Richterentscheid. Seinem Post fügte er ein zugleich lachendes und weinendes Emoji hinzu. Am Morgen hatte Bukele auf X ein Video veröffentlicht, in dem Männer in Handschellen und mit Fussfesseln zu sehen sind, die von einem Flugzeug zu einem schwer bewachten Fahrzeugkonvoi geführt werden.

Laut Bukele wurden die mutmasslichen Bandenmitglieder in ein Hochsicherheitsgefängnis für Terroristen gebracht. Die Strafanstalt ist für 40.000 Häftlinge angelegt, die in fensterlosen Zellen untergebracht sind und auf Metallbetten ohne Matratzen schlafen. Besuch ist nicht erlaubt.

Trump unterstellt Maduro direkte Anweisungen an Bande

Mit der Aktion seien "hunderte gewalttätige Kriminelle" ausser Landes gebracht worden, erklärte US-Aussenminister Marco Rubio. Er dankte Bukele, der "eine entscheidende Rolle bei diesem Transfer" gespielt habe. Die USA hätten auch zwei "wichtige Anführer" der salvadorianischen Bande MS-13 ausgeflogen sowie 21 der von El Salvador "meistgesuchten" MS-13-Mitglieder, die in ihrer Heimat vor Gericht gestellt werden sollten.

Trump geht seit seinem Amtsantritt schonungslos gegen Drogenkriminalität und Migranten vor und hat dabei nun auch Tren de Aragua ins Visier genommen. Im Februar wurde die Bande von der US-Regierung als "Terrororganisation" und Gefahr für die Sicherheit eingestuft.

Tren de Aragua hatte sich 2014 im venezolanischen Gefängnis Tocorón im Bundesstaat Aragua gebildet. Die Bande wird für Morde, Entführungen, Diebstähle, Drogenhandel, Prostitution, Erpressung und Menschenhandel verantwortlich gemacht.

Nach Angaben des Weissen Hauses ist die länderübergreifende kriminelle Organisation eng mit der Regierung des venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro verbunden. Die Bande führe "einen irregulären Krieg" gegen die USA, teilweise auf direkte Anweisung der Maduro-Regierung, erklärte Trump in seiner Abschiebe-Anordnung.

Venezolanische Regierung reagiert deutlich

Demnach hat US-Justizministerin Pam Bondi 60 Tage Zeit, um die Anordnung in Kraft zu setzen, wonach alle Bandenmitglieder von Tren de Aragua "umgehend festgenommen, inhaftiert und abgeschoben" werden. Die Anordnung gilt für alle Mitglieder von Tren de Aragua, die über 14 Jahre alt und weder eingebürgert sind noch eine rechtmässige dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung besitzen.

Bondi kritisierte die Aussetzung der Abschiebeanordnung durch Richter Boasberg. Diese missachte "Präsident Trumps etablierte Machtbefugnis" und gefährde die Bevölkerung und die Strafverfolgung, erklärte sie.

Unterdessen kritisierte die venezolanische Regierung die Abschiebungen am Sonntag scharf. Trump habe venezolanische Migranten "kriminalisiert", hiess es in einer Erklärung. Mehrheitlich handele es sich bei ihnen um "ehrliche" Arbeiter. (afp/bearbeitet von phs)

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