Sechs Sitze müssen die Republikaner bei der heutigen Kongresswahl in den USA dazugewinnen, um künftig die Mehrheit in beiden Parlamentskammern zu stellen. Ausgerechnet der einst überragende Wahlerfolg des Demokraten Barack Obama könnte ihnen dabei zugutekommen.
Wenn die Republikaner bei den heutigen Kongresswahlen tatsächlich die Mehrheit der Sitze erlangen sollten, dann verdanken sie das zu grossen Teilen einem Demokraten, an dem einst die grössten Hoffnungen und Erwartungen hingen, die jemals an die Wahl eines US-Präsidenten geknüpft wurden.
Als
Friedensnobelpreis sorgte für hohe Erwartungen
Tatsächlich war der Präsident noch kein volles Jahr im Amt, als ihm der Friedensnobelpreis verliehen wurde. "Als Barack Obama der Nobelpreis verliehen wurde, war das mit der grossen Hoffnung verbunden, insbesondere auf europäischer Seite, dass Barack Obama wie kein zweiter jetzt der Weltfriedenspräsident wird und Konflikte konstruktiv angeht, ohne militärische Mittel", sagte die Geschäftsführerin der Bertelsmann Stiftung in Washington, D.C., Annette Heuser, aktuell dem Deutschlandradio. "Das alles hat sich nicht als wahr erwiesen. Es waren im Prinzip Vorschusslorbeeren oder der Goodwill, den man auf ihn projizieren wollte. Und es ist ganz klar, dass man, auch wenn man Barack Obama ist, an diesen hochgesteckten Erwartungen einfach nur scheitern kann."
Denn heute, sechs Jahre später, ist Obama bei den Amerikanern unbeliebter als je zuvor. Knapp 54 Prozent der Amerikaner sind mit seiner Politik nicht einverstanden, seine Zustimmungsquote liegt aktuellen Umfragen zufolge derzeit im Schnitt bei circa 41 Prozent.
Auch Parteifreunde üben starke Kritik
Vor allem in jenen Staaten, die nicht eindeutig demokratisch sind, aber auch in traditionell demokratischen Bundesstaaten wenden sich die Bürger von ihm ab. So verliessen jüngst bei seinem Wahlkampfauftritt im Staat Maryland zahlreiche Zuschauer unter Protestrufen den Raum, Millionen Zuschauer im ganzen Land konnten das Debakel auf ihren heimischen TV-Bildschirmen verfolgen.
Dabei hätte Obama wenigstens die heutige Wirtschaftslage, die sich wie zu seiner Wiederwahl 2012 versprochen positiv entwickelte, eigentlich zugutekommen müssen. Immerhin ist die Arbeitslosigkeit in den USA mit 5,9 Prozent so niedrig wie seit 2008 nicht mehr. Das Haushaltsdefizit ist mächtig gesunken und auch die Konjunktur legt kräftig zu. Selbst scharfe Kritiker Obamas gestehen ihm diesen Erfolg zu, vor allem in Bezug auf die Rettung der Automobilindustrie und des Bankensystems mit anschliessender Finanzreform. "Dieses Land hat echte Fortschritte gemacht seit der schwersten Wirtschaftskrise unserer Lebzeiten", sagte Obama bei einem seiner wenigen Wahlkampfauftritte.
Der US-Präsident könnte nach der Kongresswahl frühzeitig zu einer "lahmen Ente" werden - der wenig schmeichelhafte Titel der Amerikaner für einen handlungsunfähigen Amtsinhaber.
Dennoch haben die Zahlen, mit denen sich der Präsident zuweilen schmückt, auch eine trügerische Komponente. Denn die Erholung der Wirtschaft kommt vor allem den reichen Amerikanern zugute, die 95 Prozent der Einkommenszugewinne auf ihren Konten verbuchten. Derweil verharren die Löhne der Mittelschicht laut dem Washingtoner Center for American Progress auf dem Niveau von 1999. Die Notenbank Fed berechnete, dass das Vermögen von Normalbürgern zwischen 2006 und 2012 von 130.000 Dollar (104.000 Euro) auf durchschnittlich 83.000 Dollar geschmolzen ist.
Umstrittene Entscheidungen im Kampf gegen IS und Ebola
Darüber hinaus waren es vor allem die jüngsten innen- und aussenpolitischen Ereignisse, die das Ansehen Obamas im eigenen Land schwächten. Sein zögerndes Verhalten im Kampf gegen die Terrorbedrohung durch den Islamischen Staat etwa. Das Debakel bei der Einführung seiner Gesundheitsversicherung. Und zuletzt das mangelnde Vertrauen in die Behörden bei der Ebola-Bekämpfung. "Die Demokraten können nicht regieren", so die Parole der Republikaner, mit denen sie erfolgreich auf Wählerstimmenfang gingen.
Schlimmer kann es für Obama kaum kommen, mag man meinen. Inzwischen aber hat sich sogar seine eigene Partei von ihm abgewendet, selbst enge Parteifreunde fürchteten eine Anti-Obama-Protestwahl und die demokratischen Kandidaten führten den Wahlkampf weitestgehend ohne ihn.
Mit gutem Grund, wie sich zeigen sollte. Als der Präsident Anfang Oktober in einer Rede erklärte, die Wahl am 4. November sei auch eine Abstimmung über seine Politik, traf er auf breite Zustimmung im ganzen Land: Innerhalb von 24 Stunden hatten die Republikaner den Ausspruch in ihre künftigen Werbespots eingebunden.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.