Wer im Weissen Haus regieren will, braucht Geld. Der Wahlkampf in den USA ist deshalb vor allem eine Geldschlacht. Doch die Regeln, mit denen die Kandidaten ihren Wahlkampf finanzieren, ändern sich.
Alle vier Jahre wird das Land der unbegrenzten Möglichkeiten zum Land der unbegrenzten Wahlkampfspenden. Spätestens am 20. Januar 2021, wenn
Bislang kennen die Summen, die in die Wahl des US-Präsidenten fliessen, nur einen Weg: nach oben. War die Wahlkampfkasse von Woodrow Wilson, dem 28. US-Präsidenten (Amtszeit von 1913 bis 1921), noch mit 2,28 Millionen Dollar gefüllt, investierte John F. Kennedy vierzig Jahre später schon rund zehn Millionen Dollar in den Wahlkampf.
Der Republikaner Richard Nixon (1969 bis 1974) versechsfachte die Summe und die Wahlkämpfer
USA: Kein Sieg ohne das Fernsehen
Nun sind die USA ein riesiges Land mit einer weit verstreuten und politisch zersplitterten Bevölkerung von 320 Millionen Menschen, und deshalb nur bedingt mit Deutschland vergleichbar. Die Kandidaten reisen kreuz und quer durch die Staaten, wer realistische Chancen auf das mächtigste Amt der Welt haben will, muss zudem mindestens in jedem der Swing States, in denen die Wähler weder traditionell dem demokratischen noch dem republikanischen Lager zugehörig sind, ein Büro unterhalten.
Während die Parteien in Deutschland kostenlose Werbespots im Fernsehen ausstrahlen dürfen, schöpfen die amerikanischen Sender das kommerzielle Potenzial politischer Werbung vollständig ab. Rund ein Drittel aller Wahlkampfausgaben fällt allein auf die umfangreichen Medienkampagnen, die eigens auf die einzelnen Bundesstaaten zugeschnitten sind. Danach folgen Ausgaben für das Fundraising – also Geld, um Geld einzutreiben. Und auf dem dritten Posten liegen die Kosten für die Verwaltung und die Gehälter der Wahlhelfer.
US-Wahlkampf ist immer auch ein Kampf um Bilder
Der Beginn des Fernsehzeitalters vor einem knappen Jahrhundert heizte die Geldschlacht um das wichtigste Amt der Welt erst richtig an. In einer Rede zum Thema "Die Kontrolle der Unternehmen" warnte Theodor Roosevelt schon 1902 vor einem übermässigen Einfluss grosser Vermögen auf die US-amerikanische Politik - und liess sich dennoch zwei Jahre später mithilfe von Spenden von Eisenbahngesellschaften, Versicherungen und Banken ins Weisse Haus befördern.
Die Kandidaten schalteten Anzeigen in Zeitungen und im Radio und nutzten die Werbeflächen auf den Fernsehscheiben, um ihre politischen Botschaften direkt ins Wohnzimmer der Wähler zu senden. Der Präsidentschaftswahlkampf war immer auch ein Kampf um die besten Bilder – und die an den Wähler zu bringen, wurde immer teurer.
Doch anders als in Deutschland beteiligt sich der Staat nicht an diesem Geschäft. Parteien erhalten in den Vereinigten Staaten keine staatliche Unterstützung durch Steuergelder. Wer politisches Gewicht haben will, muss deshalb entweder reich sein oder private Geldgeber überzeugen: allein die Hälfte der Kongressabgeordneten hat ein Vermögen von mehr als einer Million US-Dollar.
Das Oberste Gericht öffnete die Geldschleusen
Zwar verbietet das US-Wahlspendenrecht Spenden von mehr als 2.700 Dollar pro Person pro Wahlkampf für einen Kandidaten. Doch mehrere Urteile des Obersten Gerichtshofs öffneten in den letzten Jahren Schritt für Schritt die Geldschleusen.
Massgebend war die sogenannte "Citizens-United"-Entscheidung, nach der politische Unterstützer unter dem Deckmantel von Organisationen praktisch unbegrenzte Summen für den Wahlkampf spenden dürfen, ohne die eigene Identität preisgeben zu müssen. In ihrem Urteil aus dem Jahr 2010 erklärten die Richter, dass der Staat politische Zuwendungen nicht beschränken darf, solange sie nicht von einer Einzelperson oder einer Institution direkt an den Kandidaten fliessen.
Die Richter erlaubten es Gewerkschaften und anderen Organisationen, unbegrenzte Geldmengen an die sogenannten Political Action Committees (PACs) zu spenden – die damit dann Wahlkämpfe unterstützen können, wo immer sie wollen. Einzige Bedingung: Sie müssen - zumindest formal - unabhängig von den jeweiligen Kandidaten agieren.
Superreiche Investoren beeinflussen den Wahlkampf
Die Super-PACs, mit Namen wie "America Rising" oder "Restore our Future", dürfen sich zwar nicht direkt mit dem Kandidaten abstimmen. Doch sind ihre Führungsgremien zumeist mit Vertrauten und ehemaligen Mitarbeitern des Kandidaten besetzt, die auf einer politischen Linie mit dem unterstützen Kandidaten sind.
So sammelte beispielsweise Hillary Clinton im Wahlkampf 2016 mit dem Super PAC "Priorities USA" knapp 192 Millionen Dollar ein und liess sich den Wahlkampf von Investoren wie George Soros, James Simons und Donald Sussman bezahlen.
Einer der berüchtigtsten Betreiber von Super-Pacs auf republikanischer Seite sind die 42 Milliarden schweren Koch-Brüder, die für viele Amerikaner zum Symbol der Einflussnahme geworden sind. Bei den Zwischenwahlen 2014 investierten Charles und David Koch 300 Millionen US-Dollar in die republikanischen Kongresskandidaten.
Ohne Geld keine Aussicht auf Erfolg
Welche entscheidende Rolle eine prall gefüllte Wahlkampfkasse auch im aktuellen Wahlkampf spielt, zeigt das Beispiel der gescheiterten US-Senatorin und Präsidentschaftsbewerberin
"Meine Präsidentschaftskandidatur hat einfach nicht die finanziellen Mittel, die wir brauchen, um weiterzumachen", so Harris in einer Mail an ihre Unterstützer, in der sie ihren Rückzug bekanntgab. "Ich bin keine Milliardärin."
Ihr Rückzug fiel zusammen mit dem Einstieg von Michael Bloomberg in den Vorwahlkampf der Demokraten.Bloomberg ist laut "Forbes" der achtreichste Mensch der Welt. Das Vermögen des Mannes, der mit dem nach ihm benannten Medienimperium reich wurde, wird auf 35 Milliarden Dollar geschätzt. Innerhalb weniger Wochen liess er sich eine erste Runde TV-Spots rund 40 Millionen Dollar kosten.
Sinkt aktuell der Einfluss von Grossspendern?
Die Auswahl der realistischen Anwärter für das Weisse Haus deutet jedoch darauf hin, dass die Relevanz von Grossspendern - zumindest in diesem Wahlkampf - sinkt. Michael Bloomberg dürfte ob seines Vermögens auf reiche Grossspender verzichten. Auch US-Präsident Donald Trump finanzierte seinen Wahlkampf 2016 grösstenteils aus der eigenen Tasche. Daran dürfte sich 2021 nichts ändern.
Bloombergs innerparteiliche Gegner versuchen ohnehin, sich von der klassischen Art der Spendenakquise loszusagen, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, sich für den Meistbietenden zu verkaufen. Bernie Sanders, prominenter Senator aus Vermont, hatte bereits im letzten Wahlkampf auf die Unterstützung von Super-PACs verzichtet und ist damit bislang erfolgreich.
Allein im dritten Quartal akquirierte Sanders Einzelspenden in Höhe von insgesamt 1,4 Millionen US-Dollar, wobei Sanders‘ Wähler im Durchschnitt nur etwa 18 Dollar spendeten. Die Demokratin und "Wall-Street-Kritikerin" Elizabeth Warren, deren Nettovermögen von "Forbes" auf insgesamt zwölf Millionen Dollar geschätzt wird, setzt ebenfalls auf die sogenannte Graswurzel-Mobilisierung.
Einzig Joe Biden, einst Vizepräsident unter Barack Obama, lässt seinen Wahlkampf durch den Super-PAC "Unite the Country" sponsern. Zuvor hatte sich Biden vor allem auf exklusive Empfänge und Privatveranstaltungen betuchter Spender konzentriert – mit mässigem Erfolg.
Im Geldausgeben liegt hingegen einer vorn: Donald Trump. Der amtierende Präsident setzte bisher mehr als 85 Millionen Dollar für den Wahlkampf ein. 17 Millionen davon flossen allerdings nicht in TV-Spots, Radiowerbung oder Auftritte - sondern in Rechtsstreitigkeiten.
Verwendete Quellen:
- Le monde diplomatique – Die US-Justiz, das grosse Geld und der Wahlkampf
- Forbes Magazin – The Forbes 400 List
- opensecrets.org – 2020 Presidential Race
- Fortune.com – 2020 Presidential Campaign Fundraising (and Spending)
- Federal Election Committee – Contribution Limits
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