Der Fall Khashoggi zwingt US-Präsident Donald Trump zum Handeln, denn auch aus den Reihen seiner Republikaner wird die Kritik an der saudischen Führung lauter. Doch der Fall Khashoggi kommt für Trump zur Unzeit, denn gerade jetzt braucht er die Saudis dringender denn je.
Eigentlich läuft es gerade gut für
Fall Khashoggi wird zum Problem für Trump
Doch ein Thema bereitet dem US-Präsidenten derzeit gehörige Kopfschmerzen: Der Fall des im saudischen Konsulat in Istanbul getöteten Regimekritikers Jamal Khashoggi, der auch bei Trumps Republikanern für Entsetzen und Wut sorgt.
Trump hat die Tötung Khashoggis zwar scharf verurteilt, doch was die mögliche Verantwortung des Herrscherhauses in Riad angeht, ist sein Kurs weniger klar.
Erst verbreitete er die Dementis des saudischen Königshauses, an denen von Anfang an Zweifel bestand. Als die Saudis dann einräumten, dass Khashoggi getötet wurde, forderte Trump zwar die Aufklärung des Falles, nannte die Erklärung aus Riad aber glaubwürdig.
Den ersten Angaben des Königshauses zufolge starb Journalist in Folge eines Faustkampfes. Inzwischen kursiert eine weitere Version zu den Todesumständen. In beiden Fällen läuft es aber darauf hinaus, dass der Tod Khashoggis ein Unfall gewesen sei und kein staatlich angeordneter Mord. Doch daran gibt es erhebliche Zweifel.
"Schlechteste Vertuschung der Geschichte"
Trump nannte den Fall am Dienstag ein "Fiasko" und sagte zu der von Saudi-Arabien lange geleugneten Tötung Khashoggis: "Die Vertuschung war eine der schlechtesten in der Geschichte von Vertuschungen."
US-Aussenminister Mike Pompeo kündigte erste Strafmassnahmen gegen 21 saudische Verdächtige an - sie dürfen künftig nicht mehr in die USA reisen. Wer für die Tat verantwortlich ist, liessen Trump und Pompeo aber offen.
Im Zentrum des Falls steht nun die Frage, was der saudische Kronprinz
Trump sagte am Dienstagabend: "Ich habe gestern mit dem Kronprinzen gesprochen, und er hat nachdrücklich gesagt, dass er damit nichts zu tun hatte, dass das auf einer niedrigeren Ebene war." Zum wiederholten Male verwies der Präsident auch darauf, was für ein wichtiger Verbündeter Saudi-Arabien für die USA sei.
Vereint im Kampf gegen Iran
Trump setzte schon ein Zeichen damit, als er nach seiner Amtsübernahme im Januar 2017 als erstes Land Saudi-Arabien besuchte. Für Trumps Nahost-Strategie ist das Königreich ein zentraler Pfeiler: Er braucht es, um seinen lange angekündigten Friedensplan zwischen Israel und den Palästinensern voranzutreiben.
Vor allem aber benötigt Trump die Unterstützung Riads für sein zentrales Ziel: Die Eindämmung des Irans, Saudi-Arabiens regionalem Kontrahenten.
Der Fall Khashoggi kommt für Trump auch deswegen zur Unzeit, weil der Konflikt mit Teheran vor der nächsten Eskalationsstufe steht: Am 5. November treten US-Sanktionen gegen den Iran wieder in Kraft, die vor allem darauf abzielen, die wichtigen Ölexporte des Landes auf Null zu reduzieren - und der Iran führte im vergangenen Jahr täglich mehr als zwei Millionen Barrel Rohöl aus. Wenn sie auf dem Weltmarkt nicht ersetzt werden, steigt der Ölpreis.
Bereits im Juni hatte Trump mitgeteilt, er habe den saudischen König Salman um eine Erhöhung der saudi-arabischen Fördermenge um bis zu zwei Millionen Barrel gebeten.
Der saudische Energieminister Chalid al-Falih sagte der russischen Agentur Tass am Montag, Saudi-Arabien wolle sein Öl nicht als politische Waffe einsetzen. Allerdings mochte er nicht ausschliessen, dass der Ölpreis wegen der Iran-Sanktionen auf über 100 Dollar pro Barrel steigt - also um etwa ein Drittel.
Höhere Ölpreise dürften negative Auswirkungen auf die amerikanische und überhaupt auf die globale Wirtschaft haben. Und auch Trumps Wähler ärgern sich, wenn sie an der Zapfsäule tiefer in die Tasche greifen müssen. Beides schadet dem Ansehen des US-Präsidenten.
Trump: Sanktionen schmerzen "uns mehr als sie"
Nicht nur ist Saudi-Arabien einer der wichtigsten Ölproduzenten weltweit, das Königreich ist auch der grösste Abnehmer von US-Rüstungsgütern und ein wichtiger Investor.
Trump wehrt sich zwar nicht prinzipiell gegen Sanktionen gegen Saudi-Arabien, über die er erklärtermassen mit dem Kongress beraten möchte. Er wendet sich aber gegen lauter werdende Forderungen, Geschäfte mit den Saudis wegen der Tötung Khashoggis auf Eis zu legen.
Insgesamt spricht Trump von saudischen Investitionen im Umfang von 450 Milliarden Dollar, die dann gefährdet werden - 110 Milliarden Dollar davon im Rüstungssektor. Nach den Worten des Präsidenten wären Hunderttausende Arbeitsplätze in den USA betroffen. "Es wäre für uns nicht hilfreich, eine solche Bestellung abzusagen", meinte Trump. "Das schmerzt uns viel mehr als sie."
Noch bevor das Königreich Khashoggis Tod einräumte, hatte der saudische Sender Al-Arabija eine veritable Drohkulisse entworfen: Mit Sanktionen würden die USA "ihre eigene Wirtschaft erdolchen", schrieb Senderchef Turki Al-Dachil.
In Riad würden Gegenmassnahmen diskutiert, "die die US-Wirtschaft viel härter treffen würden als das Wirtschaftsklima in Saudi-Arabien". Al-Dachil deutete an, dass es nicht nur um eine Reduzierung der Ölfördermenge und um Investitionen, sondern auch um die Zusammenarbeit im Kampf gegen Terrorismus gehen könnte.
Viele Republikaner nicht von Unschuld des Kronprinzen überzeugt
Der prominente republikanische Senator Lindsey Graham, der sich vom Kritiker zum Verbündeten Trumps gewandelt hat, will sich von Drohungen der Saudis nicht einschüchtern lassen. "Sie brauchen uns mehr als wir sie", sagte Graham Trumps Haussender Fox News.
Er sei zwar nicht prinzipiell gegen Waffendeals mit Saudi-Arabien, "aber mit der derzeitigen Führung kann ich keine Geschäfte machen". An eine Unschuld des Kronprinzen glaube er keine Sekunde.
"Ich gehe davon aus, dass er verantwortlich für den Tod von Herrn Khashoggi auf die brutalstmögliche Art ist", sagte Graham. "Sie werden mich nie davon überzeugen, dass er das nicht gemacht hat."
Der Senator forderte, gegen den Kronprinzen und seine engsten Mitarbeiter vorzugehen - und das Bündnis mit Saudi-Arabien so zu retten. Graham fügte hinzu, er selber sei es gewesen, der Mohammed bin Salman bei dessen Besuch in Washington eingeführt habe. "Ich habe mich in meinem Leben noch nicht so ausgenutzt gefühlt." (jwo/dpa)
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