Der INF-Vertrag, mit dem sich 1987 die USA und die Sowjetunion zur Abschaffung von nuklearen Mittelstreckenwaffen verpflichtet hatten, galt als historische Errungenschaft. Nun ist das Abrüstungsabkommen Geschichte. Nun könnte sogar ein neues Wettrüsten drohen.

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Die USA haben den formalen Ausstieg aus dem INF-Vertrag über das Verbot landgestützter atomarer Mittelstreckenwaffen erklärt. Das verkündete US-Aussenminister Mike Pompeo bei einem Besuch in Bangkok. Zuvor hatte die russische Nachrichtenagentur Interfax darüber berichtet.

Wie Pompeo erklärte trete der Austritt "heute in Kraft". Für das Ende des Abkommens sei "ausschliesslich" Russland verantwortlich.

Russland gab hingegen den USA die Schuld. Der 1987 in Washington von der Sowjetunion und den USA unterzeichnete Vertrag habe am Freitag "auf Veranlassung" der USA seine Gültigkeit verloren, erklärte das Aussenministerium in Moskau.

USA und Nato werfen Russland Vertragsbruch vor

Mit dem INF-Vertrag erlischt einer der wichtigsten Abrüstungsverträge zwischen den USA und Russland. Die USA hatten das Abkommen Anfang Februar mit Rückendeckung der Nato-Partner gekündigt, weil sie davon ausgehen, dass Russland ihn seit Jahren verletzt. Wenig später setzte auch Moskau das Abkommen aus.

Die Amerikaner und die Nato werfen den Russen konkret vor, mit ihren Raketen vom Typ 9M729 (Nato-Code: SSC-8) gegen den Vertrag verstossen zu haben, weil sie weiter fliegen als erlaubt. Moskau bestreitet dies und beteuert, vertragstreu gewesen zu sein.

Das russische Waffensystem soll in der Lage sein, Marschflugkörper abzufeuern, die sich mit Atomsprengköpfen bestücken lassen und mehr als 2.000 Kilometer weit fliegen können.

Russland gibt die maximale Reichweite der SSC-8 hingegen mit 480 Kilometern an. Das wäre vertragskonform, da das Abkommen lediglich den Besitz landgestützter atomarer Mittelstreckenwaffen mit Reichweiten zwischen 500 und 5.500 Kilometern untersagt.

Russland plädiert für Moratorium

Kurz vor dem Auslaufen des INF-Vertrags schlug Russland den USA ein Moratorium zur Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen vor. Vize-Aussenminister Sergej Riabkow sagte der russischen Nachrichtenagentur Tass, die russische Regierung habe den USA und anderen Nato-Länder ein solches Moratorium vorgeschlagen.

Das vorgeschlagene Moratorium sei vergleichbar mit einem Moratorium, das Präsident Wladimir Putin verkündet habe, sagte Riabkow. Wenn die USA "in bestimmten Regionen" keine Waffen stationierten, werde auch Russland darauf verzichten.

Die Unterzeichnung eines neuen Abrüstungsvertrags steht seinen Angaben zufolge aber nicht auf der Tagesordnung.

Riabkow zog zugleich Angaben der Nato in Zweifel, dass es nach dem INF-Aus keine Pläne zur Stationierung neuer nuklearer Mittelstreckenraketen in Europa gebe.

Nato denkt über Reaktion auf Ende des INF-Vertrags nach

Dieser Schritt ist nach Angaben von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg derzeit nicht geplant. Russland "glaube" laut Riabkow aber nicht an diese Behauptung.

Sollte es dazu kommen, behält sich Moskau nach Darstellung des Aussenministeriums vor, analog in der Nähe der USA solche Waffen zu stationieren. Militärexperten in Moskau sehen etwa Venezuela oder Kuba als mögliche Standorte.

Die Nato will nun in den kommenden Monaten entscheiden, wie sie auf das Aus für den Abrüstungsvertrag und die russischen SSC-8 reagiert.

Eine Option ist, dass die Bündnisstaaten ihre Präsenz im östlichen Bündnisgebiet und in der Ostsee verstärken und den Schutz kritischer Infrastruktur durch Raketen- und Luftabwehrsysteme ausbauen.

Zudem könnten neue wirkungsvolle konventionelle Waffensysteme und Raketenabwehrsysteme stationiert werden, um Russland abzuschrecken. (dpa/afp/thp)

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