US-Präsident Donald Trump unterzeichnete am Freitagabend (Ortszeit) nahe Washington ein Sanktionsgesetz gegen die Gaspipeline Nord Stream 2. Die Bundesregierung wird nicht mit Gegenmassnahmen reagieren - dennoch verurteilt sie die US-Sanktionen. Die am Bau beteiligte Schweizer Firma Allseas kündigt an, die Arbeiten vorerst auszusetzen.
Die USA wollen die Gaspipeline Nord Stream 2 kurz vor der Fertigstellung stoppen und haben trotz des Widerstands Deutschlands Sanktionen gegen beteiligte Firmen erlassen.
US-Präsident
Nord Stream 2 soll vom kommenden Jahr an unter Umgehung von Polen und der Ukraine Gas von Russland nach Deutschland liefern. Bislang wurden nach Angaben des Nord-Stream-2-Konsortiums mehr als 2.100 Kilometer des Doppelstrangs in der Ostsee verlegt, rund 300 Kilometer fehlen noch.
Bundesregierung: "Einmischung in unsere inneren Angelegenheiten"
Die Bundesregierung verurteilt die Inkraftsetzung der US-Sanktionen als "Einmischung". "Die Bundesregierung lehnt derartige extraterritoriale Sanktionen ab", teilte die stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung, Ulrike Demmer, am Samstag mit. "Sie treffen deutsche und europäische Unternehmen und stellen eine Einmischung in unsere inneren Angelegenheiten dar."
Demmer erklärte weiter, die US-Massnahmen würden insbesondere mit dem Schutz der Ukraine begründet. Sie verwies in dem Zusammenhang auf die am Donnerstag in Berlin erzielte Grundsatzeinigung über einen neuen Gastransitvertrag zwischen Russland und der Ukraine. Die Inkraftsetzung der US-Sanktionen gegen Nord Stream 2 sei vor diesem Hintergrund "besonders unverständlich", erklärte Demmer.
Vizekanzler
Deutschland leitet keine Gegenmassnahmen ein
Der Transatlantik-Koordinator Beyer sagte unterdessen der dpa, die Strafmassnahmen würden sich nicht gegen Deutschland, sondern gegen privatwirtschaftliche Unternehmen richten. "Deshalb wird Deutschland keine Gegenmassnahmen einleiten. Wenn, müsste dies sowieso auf europäischer Ebene geschehen, aber auch das wird nicht passieren", sagte der CDU-Politiker.
Beyer sagte, dass sich die Sanktionen seit einem Jahr angebahnt hätten. Sie seien deshalb keine Zäsur in den deutsch-amerikanischen Beziehungen. "Die transatlantische Freundschaft ist stark – und wir haben schon ganz andere Situationen gemeinsam durchgestanden".
Kritik von der SPD
Die SPD kritisiert die Sanktionen derweil scharf. Der US-Kongress habe mit seinem Sanktionsbeschluss bereits erheblich in die energiepolitische Souveränität der Europäischen Union eingegriffen, sagte Bundestagsfraktionscher Rolf Mützenich der Deutschen Presse-Agentur.
Die unmittelbare Inkraftsetzung durch Präsident Trump sei ein zusätzlicher Schritt, der das transatlantische Verhältnis weiter belaste. "Die EU und Deutschland sind für Trump offenbar keine verbündeten Partner, sondern tributpflichtige Vasallen." Eigenständigkeit werde sanktioniert. "Diesen erpresserischen Methoden werden wir uns nicht beugen", sagte der SPD-Fraktionschef.
Der aussenpolitische SPD-Fraktionssprecher Nils Schmid sagte der dpa: "Die europäische Energiepolitik wird in Europa entschieden, nicht in den USA." Er warnte, dass die Sanktionen auch die unter EU-Vermittlung laufenden russisch-ukrainischen Verhandlungen über die Durchleitung von Gas durch die Ukraine nach Ost- und Mitteleuropa gefährden könnten, weil auf beiden Verhandlungsseiten die Hardliner gestärkt werden könnten.
Kritik aus Russland an US-Sanktionen
In Russland stossen die Sanktionen ebenfalls auf scharfe Kritik. Die USA versuchten damit, Russland als Konkurrenten vom europäischen Energiemarkt zu verdrängen und amerikanische Firmen zu etablieren, sagte der russische Parlamentsabgeordnete Dmitri Nowikow am Samstag der Agentur Interfax. Ziel sei es, die Europäer zum Kauf des teuren Flüssiggases aus den USA zu zwingen, obwohl das unwirtschaftlich sei.
"Aber es gibt auch noch grössere politische Aufgaben im Zusammenhang mit einer maximalen Schwächung Russlands", sagte Nowikow. Der Aussenpolitiker erwartet, dass ein Teil der europäischen Wirtschaft mit politischer Hilfe Widerstand leisten werde gegen die Sanktionen.
Drohung gegen Schweizer Firma
Die US-Strafmassnahmen des "Gesetzes zum Schutz von Europas Energiesicherheit" zielen auf die Betreiberfirmen der hoch spezialisierten Schiffe ab, mit denen die Leitungsrohre durch die Ostsee verlegt werden. Washington argumentiert, dass sich Deutschland mit der Pipeline in Abhängigkeit von Moskau begeben würde.
Ins Visier der USA ist die Schweizer Firma Allseas geraten. Zwei prominente US-Senatoren forderten den Offshore-Verlegespezialisten zum sofortigen Stopp der Arbeiten auf. "Wir verstehen, dass die russische Regierung Allseas eine sehr bedeutende Geldmenge dafür bezahlt, die Nord-Stream-2-Pipeline fertigzustellen", hiess es in einem Brief der republikanischen Senatoren Ted Cruz - der das Sanktionsgesetz eingebracht hat - und Ron Johnson an Allseas-Chef Edward Heerema.
Sollte die Firma die Arbeiten aber "auch nur für einen einzigen Tag" nach Unterzeichnung des US-Sanktionsgesetzes fortführen, drohten ihr "potenziell vernichtende rechtliche und wirtschaftliche Sanktionen".
Die Firma kündigte am frühen Samstagmorgen - "in Erwartung der Verfügung" - auf ihrer Homepage an, die Arbeiten zunächst auszusetzen. Man werde die Arbeiten wieder aufnehmen im Einklang mit der Gesetzgebung und erwarte Orientierungshilfe der zuständigen US-Behörde - bestehend aus nötigen regulatorischen, technischen und ökologischen Klarstellungen, teilte Allseas mit.
Vor Unterzeichnung des Gesetzes hatte der Kreml allerdings deutlich gemacht, nicht davon auszugehen, dass die Fertigstellung der Gastrasse von Russland nach Deutschland noch zu verhindern ist.
Konsequenzen bei einem Verstoss gegen die Sanktionen
Die beiden US-Senatoren verweisen in ihrem Schreiben unter Berufung auf das Nord-Stream-2-Konsortium darauf, dass Allseas mit der "Pioneering Spirit" mindestens ein Schiff im Einsatz habe, das Rohre für die Pipeline verlege. In dem von Cruz' Büro veröffentlichten Schreiben heisst es, dass die US-Regierung dem Kongress zwar erst 60 Tage nach Unterzeichnung des Gesetzes berichten werde, gegen welche Firmen Sanktionen verhängt würden. Allerdings würden bei Verstössen rückwirkend Strafmassnahmen auch für diesen Zeitraum verhängt.
Eine 30-tägige Übergangsfrist nach Inkrafttreten gelte nur, wenn Unternehmen überzeugend darstellten, dass sie ihre Arbeiten an dem Projekt abwickelten, warnten die Senatoren. "Sollten Sie versuchen, die Pipeline in den nächsten 30 Tagen fertigzustellen, würden Sie ihren Aktionärswert vernichten und die künftige finanzielle Existenzfähigkeit ihres Unternehmens zerstören." Ziel der Sanktionen sei es, sicherzustellen, dass die Pipeline nicht fertig werde.
Die Senatoren verwiesen auf die Konsequenzen, sollte Allseas gegen die Sanktionen verstossen: Wer Schiffe für die Verlegung der Rohre zur Verfügung stelle, werde bestraft, hiess es in dem Brief. Gegen betroffene Personen würden Einreiseverbote in die USA verhängt. Etwaiger Besitz von Allseas in den Vereinigten Staaten würde eingefroren. Das würde auch das Vermögen von Allseas USA mit Sitz in Houston (Texas) sowie Schiffe des Unternehmens betreffen, die US-Hoheitsgewässer befahren sollten. (awa/dpa)
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