Gegenseitige Schuldzuweisungen, Angst vor Eskalation und gestiegene Ölpreise - rund um den mutmasslichen Angriff auf zwei Tanker im Golf von Oman gibt es viele offene Fragen. Was wir wissen und was wir nicht wissen:

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Was genau ist eigentlich passiert?

Ein norwegischer und ein japanischer Tanker sind am Donnerstagmorgen mutmasslich angegriffen worden. Auf beiden Frachtern ereigneten sich Detonationen.

Nach Angaben der norwegischen Seefahrtsbehörde gab es an Bord des Tankers "Front Altair" drei Explosionen. Bei dem zweiten betroffenen Tanker handelt es sich um die "Kokuka Courageous" der japanischen Firma Kokuka Sangyo Ltd. Das Schiff wird von der Hamburger Reederei Bernhard Schulte Shipmanagement (BSM) betrieben.

Die Schiffe setzten Notrufe ab und wurden daraufhin evakuiert. Die Matrosen wurden gerettet, es gab nur einen Leichtverletzten. Die US-Armee entsandte den Zerstörer "USS Mason" zum Ort des Geschehens, um "Unterstützung zu leisten".

Torpedos, Raketen, Flugobjekte - was haben die Crewmitglieder gesehen?

Die Besatzung des japanischen Tankers hat vor der zweiten Explosion an Bord ein "fliegendes Objekt" gesehen. "Die Besatzungsmitglieder sagen, dass sie von einem fliegenden Objekt getroffen wurden", sagte der Chef der Schifffahrtsgesellschaft Kokuka Sangyo, Yutaka Katada, am Freitag vor Journalisten. "Sie sagen, sie haben es mit eigenen Augen gesehen", fügte er hinzu.

Dass sein Schiff von einem Torpedo getroffen wurde, bestritt der Betreiber. Am Donnerstag hatte er noch gesagt: "Der Tanker wurde von einer Art Granate angegriffen."

Wer ist für die Angriffe verantwortlich?

US-Aussenminister Mike Pompeo beschuldigte am Donnerstag den Iran, hinter den mutmasslichen Attacken auf die beiden Tankschiffe zu stecken. "Es ist die Einschätzung der US-Regierung, dass die Islamische Republik Iran verantwortlich für die Angriffe ist, zu denen es heute im Golf von Oman kam", sagte Pompeo in Washington. Es handele sich um eine "nicht hinnehmbare Eskalation der Spannung durch den Iran".

Bei einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates in New York bekräftigte US-Botschafter Jonathan Cohen, alle Hinweise liessen auf eine Verantwortung Teherans schliessen.

Die Regierung in Teheran wies den Vorwurf zurück und sprach von "lächerlichen Behauptungen". In einer Mitteilung der Vertretung Irans bei den Vereinten Nationen hiess es: "Der ökonomische Krieg und Terrorismus der USA gegen das iranische Volk sowie ihre massive Militärpräsenz in der Region sind weiterhin die Hauptursachen für Unsicherheit und Instabilität in der weiteren Persischen Golfregion."

Iran weist Anschuldigungen zurück

Aussenminister Mohammed Dschawad Sarif wies die Anschuldigungen der USA als "gegenstandslos" zurück. Sarif schrieb bei Twitter, die US-Regierung habe "sofort" den Iran beschuldigt, ohne einen "Schnipsel" Beweise oder Indizien vorzulegen. Damit sei "mehr als klar", dass die US-Regierung nun zu einem "Plan B" und "Sabotage-Diplomatie" übergehe, um ihren "Wirtschaftsterrorismus" gegen den Iran zu verschleiern. Sarif nannte es äusserst "verdächtig", dass sich die Vorfälle während "freundschaftlicher Gespräche" des japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe mit Irans geistlichem Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei ereigneten.

Gibt es irgendwelche Beweise?

Die Vereinigten Staaten haben dem UN-Sicherheitsrat trotz öffentlicher Schuldzuweisungen an Teheran offensichtlich keine Belege für die Verantwortung des Irans für die Angriffe auf Öltanker am Golf vorgelegt. "Wir haben keinerlei Beweise diskutiert", sagte der kuwaitische UN-Botschafter Mansur al-Otaibi nach einem Treffen des Gremiums am Donnerstag. Kuwait steht dem Gremium momentan vor.

Auch habe der Sicherheitsrat zunächst keine Massnahmen angesichts der steigenden Spannungen beschlossen. Es müsse seiner Ansicht nach eine unabhängige und gründliche Untersuchung geben.

US-Militär veröffentlicht Video

Das US-Militär hat allerdings ein Video veröffentlicht, das die iranischen Revolutionsgarden belasten soll. Das US-Zentralkommando Centcom, das die amerikanischen Truppen im Nahen Osten führt, teilte am Donnerstag (Ortszeit) mit, das grobkörnige Schwarz-Weiss-Video zeige, wie ein Boot der Revolutionsgarden auf den Tanker "Kokuka Courageous" zufahre. Die Menschen an Bord des iranischen Schnellbootes vom Typ "Gaschti" seien dabei "beobachtet und aufgenommen" worden, wie sie eine nicht explodierte Haftmine wieder vom Schiffskörper entfernten.

Auf dem Video ist zu erkennen, wie sich Menschen an Bord eines Schnellbootes an der Wand eines Öltankers zu schaffen machen und von dort etwas zu entfernen scheinen. Das Boot fährt danach wieder weg von dem Tanker. Centcom sprach von einem "Haftminenangriff" im Golf von Oman.

Müssen wir bald mit einem neuen Golfkrieg rechnen?

Der Vorfall schürt weltweit die Sorge vor einer Eskalation im Konflikt zwischen den USA und dem Iran. Die Spannungen am Golf sind brandgefährlich.

Die mutmasslichen Tanker-Angriffe ereigneten sich einen Monat nach mutmasslichen Sabotageakten gegen vier Schiffe vor der Küste der Vereinigten Arabischen Emirate. Auch in diesen Fällen verdächtigten die USA den Iran, der Urheber zu sein. Teheran wies dies zurück.

Die Spannungen zwischen Washington und Teheran hatten bereits in den vergangenen Wochen deutlich zugenommen. Unter Verweis auf eine angebliche Bedrohung durch den Iran verstärkten die USA seit Anfang Mai ihre Militärpräsenz in der Golfregion.

So verlegte das Pentagon den Flugzeugträger "Abraham Lincoln" und eine Flugabwehrbatterie dorthin. Zudem wurden 1.500 weitere US-Soldaten in die Region beordert. Auch die US-Wirtschaftssanktionen gegen den Iran wurden ausgeweitet.

Drohungen und mutmassliche Attacken

Trump war im Mai 2018 aus dem Atomabkommen mit Teheran ausgestiegen, das dem iranischen Nuklearprogramm Restriktionen auferlegt. Er hält die Vereinbarung für völlig unzulänglich und beschreibt den Iran als Hauptquelle von Gewalt und Instabilität im Nahen Osten.

Zwar haben US-Aussenminister Mike Pompeo und Irans geistliches Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei betont, sie wollten am Golf keinen Krieg. Dennoch hat die Diplomatie einen schwierigen Stand.

Chamenei sagt am 13. Juni, er betrachte Trump "nicht als Person, die es verdient, mit ihr Botschaften auszutauschen". Der US-Präsident twitterte am 19. Mai: "Wenn der Iran kämpfen will, wird dies das offizielle Ende des Iran sein. Bedroht nie wieder die USA!"

Steigen jetzt die Preise für Öl und Benzin?

Die betroffene Meerenge ist eine der wichtigsten Seestrassen der Welt. Über die Strasse von Hormus läuft ein grosser Teil des weltweiten Öltransports per Schiff. "Die ganze Region ist von herausgehobener Bedeutung", sagte Alexander von Gersdorff, Sprecher des Mineralölwirtschaftsverbandes. Wenn dort etwas vorfalle, habe das Einfluss auf den weltweiten Ölpreis.

Die Preise für Rohöl sind bereits stark gestiegen. Das könnte für Autofahrer auch zu höheren Kraftstoffpreisen führen. Zwar hängt der Benzinpreis an der Tankstelle nach Angaben der Mineralölwirtschaft nicht direkt am Ölpreis. Wenn der Ölpreis aber zulegt, steige "über kurz oder lang meistens" auch der Produktpreis für Benzin und Diesel. "Und das kommt dann auch an der Tankstelle an", sagte von Gersdorff.

Was passiert mit dem angegriffenen deutschen Tanker?

Die 21 Seeleute sind inzwischen wieder an Bord des Frachters. Wie die Bernhard Schulte Shipmanagement (BSM) am Freitag in Singapur weiter mitteilte, besteht keine Gefahr, dass der Tanker namens "Kokuka Courageous" sinkt. Er verliere auch keine Ladung. Das Schiff, das unter der Flagge Panamas fährt, soll nun in den Hafen Khor Fakkan in den Vereinigten Arabischen Emiraten geschleppt werden.

Eigentlich war der Tanker auf dem Weg von Saudi-Arabien nach Singapur. Zum Ablauf des mutmasslichen Angriffs am Donnerstag machte die Reederei weiterhin keine näheren Angaben. Die 21 Seeleute kommen nach Angaben eines Firmensprechers alle von den Philippinen. Ein Mann wurde leicht verletzt, ist inzwischen aber ebenfalls wieder an Bord. Die BSM gehört zur Reederei Schulte Group, die ihren Sitz in Hamburg hat. (hub/dpa/afp)

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