Gezielte Falschmeldungen, um Unsicherheit zu stiften. Immer öfter nutzen Rechtsradikale die sozialen Medien zur Verbreitung ihrer Hass-Propaganda gegen Flüchtlinge – und sind dabei erfolgreich.

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"Junge Flüchtlinge mit Herz, schenken Obdachlosen deutschen Frau ihre Einkaufsgutscheine."

"Flüchtling aus Syrien findet 50 Euro und übergibt sie feierlich dem Rathaus."

Es sind scheinbar positive Geschichten von Flüchtlingen, die in den letzten Monaten vor allem in sozialen Medien die Runde gemacht haben. Tatsächlich handelt es sich aber um gezielt lancierte Falschmeldungen in teilweise erschreckend schlechtem Deutsch.

Obdachlose Frau ist Journalistin

Die obdachlose Frau stellte sich bald als Journalistin heraus. Für Deutschlandradio Kultur hatte Ellen Häring letztes Jahr über Flüchtlinge berichtet, die mit den von der Ausländerbehörde ausgestellten Lebensmittelgutscheinen in einem normalen Supermarkt nicht einkaufen konnten.

Dass ihr eigenes Foto mit den Scheinen in einem falschen Kontext in einem rechtsradikalen Forum auf Facebook veröffentlicht wurde, erfuhr Häring nur zufällig.

"Die klauen sich doch sowieso alles zusammen. Wozu brauchen die noch Lebensmittelgutscheine?", stand unter den Kommentaren zum Foto.

Und auch sexuelle Anspielungen blieben nicht aus. "Die kaufen sich Frauen mit Lebensmittelgutscheinen", hiess es da. Ihr Ziel hatten die Urheber der erfundenen Geschichten damit erreicht: Das Bild wurde vielfach geteilt und mit ihm der Eindruck, Flüchtlinge wären nur Schmarotzer und hätten es auf deutsche Frauen abgesehen.

Die Wahrheit interessiert nicht

Einen Grund für den Erfolg der Methode sieht Christoph Schulze vom Aktionsbündnis Brandenburg, das sich gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit wendet, in der Kommunikationsstruktur von sozialen Netzwerken. "Es geht um Vertrauen. Man ist eher geneigt, Inhalte zu glauben und offen gutzuheissen, wenn diese von Familie und Freunden geteilt werden."

Wer ausserdem über Rechtschreibfehler und verdächtige Formulierungen grosszügig hinwegsehe, so Schulze, der hege wahrscheinlich den Wunsch, die eigenen Verschwörungstheorien bestätigt zu bekommen. "Quellenkritik wird so zur Nebensache."

Die fehlende Medienkompetenz beklagt auch der österreichische Verein Mimikama, der verdächtigen Internetinhalten nachgeht. Mehrere Mitarbeiter recherchieren Geschichten wie die des Flüchtlings mit den 50 Euro haarklein und transparent nach.

In diesem Fall lautete die im Westfalen Blatt veröffentlichte, echte Version, dass ein Busfahrer einem syrischen Flüchtling die Fahrt verweigerte, weil er nicht ausreichend Wechselgeld hatte. Die falsche Findermeldung wurde spieglein.de zugeschrieben – eine inhaltsleere Quelle, wie ein blosser Klick beweist.

Nicht nur online problematisch

Verbreitet werden manipulierte Nachrichten mit Titeln wie "Gastwirt in Spielfeld: 'Flüchtlinge' plünderten Kühltruhen, verteilten Dreck und Fäkalien" von rechtsextremen Plattformen wie "Netzplanet" und "PI-News". Hinzu kommen unzählige regionale Websites.

"Alleine in Brandenburg haben wir zurzeit 65 solcher Hetzseiten, wöchentlich kommen neue hinzu", rechnet Christoph Schulze vor.

Doch nicht nur Schulze zeigt sich genervt. Über die Häufung von gezielten Desinformationen sagte der Leipziger Polizeisprecher Andreas Loepki dem MDR: "Am Ende glauben die Leute, weil es 1.000 oder 2.000 andere irgendwo verlinken, dass das Gerücht wahr sein muss, weil so viele es schreiben".

Für ihn und seine Kollegen bedeuten Falschmeldungen besorgte Bürgeranfragen und unnötige Arbeitseinsätze, weil man "irgendeine Halbwahrheit oder einen erfunden Sachverhalt" nachprüfen müsse.

Pferde geschlachtet, Minderjährige vergewaltigt

Und Falschmeldungen gibt es genug. In Mecklenburg-Vorpommern kursierte das Gerücht, Flüchtlinge hätten Pferde aus der Stallung der deutschen Reitsport-Ikone Paul Schockemöhle gestohlen, um sie zu schlachten und zu essen.

Am folgenschwersten sind jedoch gezielt gestreute Vergewaltigungsvorwürfe. Jüngst blamierte sich in diesem Zusammenhang der AfD-Politiker Uwe Wappler, der sich im Interview über die Vergewaltigung eines zwölfjährigen Mädchens echauffierte, auf Rückfrage des Reporters aber keinerlei Fakten liefern konnte.

Auch in Heidelberg kursierte ein Vergewaltigungsfall, den die Polizei nach einsetzender Bürger-Empörung ins Reich der Fabeln verweisen musste. Ebenso die Erstürmung eines Supermarktes durch Flüchtlinge - und auch in Heidelberg wurden angeblich Pferde gestohlen und verspeist. Eine Lüge.

Richtigstellung verhindert Propaganda nicht

Werden Falschmeldungen als unwahr entlarvt, geraten die Urheber selbst fast nie in Verruf. Stattdessen, so die Ergebnisse von Mimikama, versuche man die Fälschung den Medien zuzuschreiben.

"False Flag" nennt sich das Phänomen, wenn man einem Gegner anhängt, was einen selbst in ein schlechtes Licht rücken könnte. Dabei würden echte und falsche Meldungen vermischt, sodass man nicht mehr wisse, wer oder was noch glaubwürdig ist.

Auf diese Weise gelingt die Stimmungsmache nicht nur gegen Flüchtlinge. Denn am Ende sind die Medien der zweite Verlierer, weil sie das Stigma der "Lügenpresse" auch durch Richtigstellungen nicht mehr loswerden können.

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