Nur noch rund zwei Wochen bleiben Griechenland, bis das aktuelle Hilfsprogramm ausläuft. Dann droht der Staatsbankrott. Dennoch sind die Verhandlungen festgefahren, Athen dringt auf mehr Zeit - und greift zu solch spektakulären Massnahmen, wie von Deutschland elf Milliarden Euro zu fordern.
Alexis Tsipras hat seinen Wählern viel versprochen in den vergangenen Wochen: höhere Mindestlöhne, Renten und eine Steuerreform. Nun muss Griechenlands neuer Ministerpräsident seine Versprechen auch erfüllen. Dabei hat er allerdings mit zwei entscheidenden Problem zu kämpfen: Die Staatskasse ist leer - und Tsipras läuft die Zeit davon.
Am 28. Februar endet das aktuelle Hilfsprogramm für Griechenland. Sollte sich die Regierung in den verbleibenden gut zwei Wochen nicht mit den Geldgebern einigen können, erhält Athen keine neuen Hilfen mehr - muss aber im Laufe des Jahres Rückzahlungen in Milliardenhöhe leisten. Doch wie soll das gelingen bei rund 320 Milliarden Euro Schulden, was rund 175 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) entspricht? Hellas würde der Staatsbankrott drohen und der "Grexit" - der Austritt Griechenlands aus dem Euro - wieder über allem schweben.
Das regierende Bündnis Syriza versucht derzeit, beide Probleme anzugehen: Zeit und Geld. Wer die Debatte verfolgt - inklusive Tsipras' erster grosser Rede vor dem Parlament am Sonntagabend -, der erkennt im Wesentlichen zwei Forderungen, eine an Deutschland und eine an Europa. Sie betreffen jahrzehntealte Reparationszahlungen und den Wunsch nach einem Übergangsprogramm.
Elf Milliarden Euro als Folge des Zweiten Weltkriegs
Um den klammen Haushalt aufzubessern, scheinen Tsipras viele Weg recht zu sein: Elf Milliarden Euro fordert die griechische Regierung von Deutschland als Wiedergutmachung für die Folgen des Zweiten Weltkriegs. Es geht dabei um einen Zwangskredit von 1942 über 476 Millionen Reichsmark, den die Bank von Griechenland der Deutschen Reichsbank einräumen musste, um die Besatzung zu stemmen. Die nun geforderte Summe soll Zinsen und Tilgung abdecken.
Die Bundesregierung jedoch weist jegliche Forderungen zurück. "Bild" zitierte aus einer Stellungnahme des Finanzministeriums, wonach bereits alle Ansprüche mit dem Reparationsvertrag von 1960 abgegolten seien. Damals zahlte die Bundesrepublik 115 Millionen D-Mark. Zudem erwähnt der Zwei-plus-Vier-Vertrag zur deutschen Einheit von 1990 das Thema Reparationen nicht mehr - nach deutscher Lesart sind damit alle Anrechte erloschen.
Auch wenn elf Milliarden nur einen winzigen Teil der griechischen Gesamtschulden ausmachen, für Tsipras haben sie einen symbolischen Wert. "Die Forderung ist eher eine rhetorische Taktik als eine substanzielle Politik-Entscheidung", erklärt Theocharis Grigoriadis, Juniorprofessor am Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin. Griechenland hoffe damit, seine Position in Verhandlungen zu stärken - eine "falsche Entscheidung", wie Grigoriadis sagt. Die Forderung lenke von wichtigen Fragen ab und schwäche Athens Position in Europa sogar noch.
Mehr Zeit dank eines Übergangsprogramms?
Wichtige Fragen - zuvorderst eine mögliche Einigung mit den europäischen Partnern. Doch Syriza läuft die Zeit davon, um den Spagat zwischen den radikalen Versprechen des Wahlkampfs und den schwierigen Verhandlungen mit den Geldgebern zu schaffen. Haben andere Regierungen oft Wochen und Monate, um sich nach der Amtsübernahme einzuarbeiten, bleiben in Athen nur wenige Tage. Daher auch die Forderung nach einer Übergangsfinanzierung.
Finanzminister Gianis Varoufakis hat in den vergangenen Tagen klar gemacht: Griechenland braucht mehr Zeit. Die Regierung fordert deshalb eine Art Brückenprogramm, dass die Finanzierung bis Ende Mai sichert und zugleich mehr Zeit für Verhandlungen schafft. Die jüngste Meldung dazu: Ein Zehn-Punkte-Plan, an dem das griechische Finanzministerium gemeinsam mit den USA und Experten von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker arbeiten soll.
Tags zuvor hatte die griechische Zeitung "Kathimerini" von einem Vier-Punkte-Plan des Finanzministeriums berichtet. Demnach wolle Griechenland zum Beispiel nur noch einen Primärüberschuss von etwa 1,5 Prozent statt bisher 4,5 Prozent erzielen. Ausserdem möchte die Regierung ein Sozialpaket umsetzen, etwa um die 300.000 ärmsten Haushalte mit kostenlosem Storm zu versorgen. Doch auch dafür müsste Athen neue finanzielle Hilfen aus Europa fordern.
Können sich beide Seiten rechtzeitig einigen?
Offizielle Erklärungen fehlen bisher - klar scheint nur, dass unzählige Punkte offen sind. Details für einen möglichen Übergang dürfte Griechenland beim Treffen der EU-Finanzminister am Mittwoch präsentieren. Doch auch dann bleibt es fraglich, ob das die verhärteten Fronten aufweicht. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) beharrt weiter auf Reformen, die britische Regierung spielte bereits die Folgen eines Euro-Austritts durch.
Nicht weniger starr sieht die griechische Seite aus. "Die Rettungsprogramme haben versagt", hatte Tsipras erst am Sonntag bei seiner Regierungserklärung wieder bekräftigt. Hier blitzte abermals der Kern der griechischen Forderungen auf: Das Land will sich nicht mehr bedingungslos Vorschriften von aussen erteilen lassen und die Belastungen reduzieren.
Für Osteuropa-Forscher Grigoriadis ist diese Haltung nur logisch. "Die erste Priorität der Regierung bleibt, das Volk zu begeistern - nicht, was das Beste für das Land ist." Solange das so sei, hat der Wissenschaftler wenig Hoffnung für eine Zwischenlösung. "Ein Übergang kann nur klappen, wenn Griechenland gleichzeitig ein längeres Programm annimmt."
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