Vier auf einen Streich: Bei der Volksabstimmung am 18. Mai entscheidet die Schweiz über vier Vorlagen. Medizinische Grundversorgung, Berufsverbot für pädophile Sexualstraftäter, ein höherer Mindestlohn und: Sollen 22 Kampfjets des Typs Gripen gekauft werden? Vier ganz unterschiedliche Themen fordern die Schweizer heraus, sich eine Meinung zu bilden und abzustimmen.
Die Stärkung der medizinischen Grundversorgung
Die Initiative hat die medizinische Grundversorgung in der Schweiz zum Thema. Auf die Tagesordnung wurde das Thema durch Hausärzte gesetzt, die sich auch mit Demonstrationen und der Volksinitiative "Ja zur Hausarztmedizin" dafür einsetzen, dass Hausärzte mehr verdienen. Der Beruf werde immer weniger attraktiv für Medizinstudenten: Nur noch 10 Prozent entscheiden sich für die Hausarztmedizin. Zuwenig in Zeiten einer alternden Gesellschaft und der Zunahme chronischer Krankheiten.
Ein Verfassungszusatz soll nun die Rechte der Hausärzte stärken und dafür sorgen, dass die Aus- und Weiterbildung sowie Abgeltung von Leistungen durch Bund und Kantone geregelt und gefördert wird. Die Politik hat auf die Volksinitiative mit Sympathie reagiert und einen eigenen, weitergehenden Bundesbeschluss vorgelegt. Nicht nur Hausärzte, sondern alle in der medizinischen Grundversorgung tätigen Berufsgruppen sollen gestärkt werden, also z.B. auch Physio- und Ergotherapeuten sowie Krankenschwestern.
Darüber hinaus werden zur Behebung des Hausärztemangels weitere Massnahmen entwickelt, wie z.B. ein "Masterplan Hausarztmedizin und medizinische Grundversorgung". Den Bundesbeschluss über die medizinische Grundversorgung unterstützen neben Bundesrat und Parlament fast alle Parteien sowie alle gesamtschweizerischen Verbände und Organisationen und sogar die Promotoren der ursprünglichen Hausarztmedizin-Volksinitiative.
Sollen verurteilte Pädophile noch mit Kindern arbeiten dürfen?
Die Initiative sieht vor, dass, wer einmal für ein sexuelles Vergehen an einem Kind oder Schutzbefohlenen verurteilt wurde, nie mehr mit Kindern arbeiten darf.
Sie wird unterstützt von der rechtskonservativen SVP und einem Teil der Christdemokraten. Das Parlament hat jedoch im November vergangenen Jahres ein Gesetz zu dem Thema beschlossen, welches einen differenzierteren Umgang mit Sexualstraftätern, die sich an Minderjährigen oder Abhängigen vergangen haben, vorsieht. So wird gegen die Sexualstraftäter ein zehnjähriges Berufsverbot verhängt, das jeweils um fünf Jahre verlängert werden kann. Anders als bei der Volksinitiative gibt es jedoch kein automatisches lebenslanges Berufsverbot ohne richterlichen Beschluss. Das Gesetz sieht ausserdem ein sogenanntes Rayonverbot vor, also das Verbot, sich öffentlichen Aufenthaltsorten von Kindern zu nähern.
Der Bundesrat empfiehlt, gegen die aus seiner Sicht zu unpräzise, unvollständige und rechtlich zweifelhafte Volksinitiative zu stimmen – die bisherigen rechtlichen Mittel reichten aus und müssten nur auch von Behörden und Gerichten ausgeschöpft werden.
Soll ein allgemeiner Mindestlohn von 22 Franken eingeführt werden?
In der Volksinitiative "Für den Schutz fairer Löhne" geht es um die Frage der gesetzlichen Regelung eines Mindestlohns von 22 Franken. Zwei Drittel der Niedriglöhner in der Schweiz sind laut der Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik aus dem Jahr 2012 Frauen, oft in den Bereichen Beherbergungen, Detailhandel und weitere Dienstleistungen.
Die Arbeitgeber befürchten im Falle der Einführung eines Mindestlohns, der das Lohnniveau für die unteren Beschäftigungsgruppen auf 22 Franken erhöht, Wettbewerbsnachteile und den Verlust von Arbeitsplätzen. Befürworter der Initiative setzen auf die Anpassungsfähigkeit der Betriebe und gehen von einem positiven Effekt auf den Binnenkonsum der Volkswirtschaft aus, da das zusätzliche Geld bei Niedriglohnempfängern meist auch direkt wieder in den lokalen Konsum fliesst. Letztendlich ginge es bei der Volksabstimmung aber darum, ob jemand, der Vollzeit arbeitet, auch von seiner Arbeit würdig leben kann.
Sollen 22 Kampfjets des Typs Gripen angeschafft werden?
Bei der Volksinitiative geht es vor allem um die Frage ob die Schweiz 22 Saab Gripen Kampfflugzeuge anschaffen soll. Verteidigungsminister Ueli Maurer fordert den Kauf der Jets, um "die Interventionskapazitäten der Luftwaffe nachhaltig zu sichern". Gegner der Initiative meinen, die Flotte der 32 F/A-18 Jets reicht aus, um die Lufthoheit zu sichern. Angefacht wird die Diskussion durch den Fall der Entführung eines Linien-Flugzeugs nach Genf am 16. Februar 2014. Der Flieger wurde durch französische und italienische Kampfjets abgefangen und begleitet, während die Schweizer Luftwaffe durch Abwesenheit glänzte – der Vorfall ereignete sich ausserhalb der üblichen Bürozeiten. Nun sollen mehr Geld und mehr Personal helfen, ab 2020 rund um die Uhr einsatzfähig zu sein.
Der Verteidigungsminister möchte nun aber auch zusätzlich Mittel für den Kauf der 22 Gripen-Kampf-Jets, während die Gegner sagen, dass die mit 400 Millionen Franken modernisierten 32 F/A-18 Jets vollkommen ausreichten. Schliesslich komme auch das doppelt so grosse Österreich mit 15 Flugzeugen aus. Einige Luftfahrtexperten halten die Neuanschaffung hingegen für sinnvoll, da die bestehende Flotte von 32 F/A-18 Flugzeugen bei erweiterter Einsatzfähigkeit auch mehr Wartung benötigen und daher bei einer Bereitschaft rund um die Uhr nur für drei Wochen ausreichen würde.
Schliesslich gibt es jedoch auch Diskussion um den zu beschaffenden Flugzeugtyp: Während Bundesrat und Parlament den schwedischen Gripen vorziehen, wollen andere Befürworter lieber den Eurofighter oder den französischen Rafaele anschaffen. Auch die Frage, ob die Schweiz ihre Luftraumüberwachung nicht auch an Frankreich oder Italien abgeben könne, stand im Raum – die Kooperation habe ja auch beim letzten Mal gut funktioniert. Dies steht jedoch am 18. Mai erst einmal nicht zur Debatte – hier geht es nur um die 22 zusätzlichen Gripen-Jets, bei der das Schweizer Stimmvolk nun das letzte Wort haben wird.
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