Nach wochenlangem Hin und Her gibt es endlich einen Personalvorschlag für das mächtige Amt des EU-Kommissionschefs, mit dem Kanzlerin Merkel offenkundig leben kann. Aber es deutet sich eine Revolte an.

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Die EU-Staats- und Regierungschefs haben am Sonntagabend erneut über die neue Führung für die Europäische Union gestritten. Bei einem Sondergipfel in Brüssel lag zwar ein Personalvorschlag vor: EU-Kommissionschef sollte demnach nicht der CSU-Politiker Manfred Weber, sondern ein Sozialdemokrat werden - wohl der Niederländer Frans Timmermans. Doch dagegen kam heftiger Widerspruch.

Bei einem Treffen der Europäischen Volkspartei (EVP), der auch CDU und CSU angehören, sei Merkel am Sonntagnachmittag isoliert gewesen und heftig kritisiert worden, meldete «Die Welt» (Montag). Mehrere EVP-Regierungschefs, darunter Bulgariens Ministerpräsident Boiko Borissow, hätten Merkel vorgeworfen, Parteiinteressen missachtet und sich nicht genug für den EVP-Spitzenkandidaten Weber eingesetzt zu haben. Der irische Premier Leo Varadkar sagte beim Gipfel, der Vorschlag Timmermans sei noch längst nicht durch und es sei offen, ob es überhaupt eine Einigung geben werde.

Merkel hatte am Rande des G20-Gipfels in Japan Vorgespräche geführt, um einen Kompromiss anzubahnen. Seit der Europawahl Ende Mai ringen die EU-Staaten und das Europaparlament um die Besetzung des Spitzenamts in der Kommission und andere Topjobs. Beim Ankommen in Brüssel sagten die meisten Gipfelteilnehmer, die Zeit sei reif für eine Entscheidung. «Ich bin der Meinung, dass wir heute zum Abschluss kommen müssen», betonte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Knifflig war aber vor allem seine eigene Nachfolge im Herbst.

"Keine sehr einfachen Beratungen"

Eine Mehrheit im EU-Parlament will nur einen der Europawahl-Spitzenkandidaten als Kommissionschef wählen - das betonte Parlamentspräsident Antonio Tajani beim Gipfel nochmals. Damit blieben eigentlich nur Weber, dessen Europäische Volkspartei (EVP) bei der Europawahl im Mai stärkste Fraktion wurde, und Timmermans, dessen Sozialdemokraten zweite Kraft wurden.

Weber hat aber im Rat der Staats- und Regierungschefs keine Mehrheit. Der Rat fühlt sich auch an das Spitzenkandidatenprinzip nicht gebunden. Andererseits braucht jeder Kandidat letztlich die Mehrheit im Parlament. Angesichts dieser Ausgangslage sagte Merkel: «Es werden keine sehr einfachen Beratungen.» Der Start des Gipfels wurde am Abend mehrfach verschoben.

EU-Ratschef Donald Tusk hatte nach Gesprächen mit Merkel und anderen Regierungschefs am Sonntag erstmals ein mögliches Personalpaket vorgelegt: Ein Sozialdemokrat als Kommissionschef, EVP-Politiker für die Ämter des Parlamentspräsidenten und der EU-Aussenbeauftragten und ein Liberaler als neuer Ratschef, also Tusks Nachfolger. Merkel, deren CDU zur EVP gehört, akzeptierte dies offenbar, um das Prinzip des Spitzenkandidaten zu retten. Damit schien Timmermans in der besten Startposition.

Der französische Präsident Emmanuel Macron, der an den Vorberatungen beteiligt war, zeigte sich offen für Timmermans - aber auch für den Brexit-Unterhändler Michel Barnier und die dänische Liberale Margrethe Vestager für den Posten des Kommissionschefs. Vestager hatte sich zwar im Wahlkampf präsentiert, war aber nicht alleinige Spitzenkandidatin ihrer Parteienfamilie.

Wer könnte Europa einigen?

Doch zeichnete sich bei der EVP breiter Widerstand dagegen ab, Timmermans und den Sozialdemokraten das Amt des Kommissionschefs zu überlassen. Bei parteiinternen Vorberatungen am Sonntagnachmittag hätten sich die meisten Teilnehmer gegen Timmermans ausgesprochen, hiess es aus Parteikreisen. Der irische Regierungschef Leo Varadkar betonte, Timmermans sei als Kommissionschef noch längst nicht durch. Varadkars Partei gehört ebenfalls zur Parteienfamilie EVP.

Der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis, der zu den Liberalen gehört, sprach sich ebenfalls gegen Timmermans aus. «Diese Person ist nicht die Richtige, um Europa zu einen», sagte Babis. Die vier Visegrad-Staaten Polen, Slowakei, Ungarn und Tschechien hätten in der Vergangenheit das Gefühl gehabt, dass Timmermans dieser Region nicht besonders positiv gegenübergestanden habe. Der ungarische Premier Viktor Orban protestierte in einem Brief an die EVP gegen Timmermans.

"Wir sind flexibel"

Babis antworte auf die Frage, ob die Zustimmung für Timmermans eine rote Linie sei, jedoch: «Wir sind flexibel, wir müssen verhandeln.» Am Ende soll ein ausgewogenes Paket herauskommen, mit dem alle Seiten leben können. Babis betonte, auch Frauen müssten vertreten sein.

Beim EU-Gipfel muss für den Posten des Kommissionspräsidenten eine Einigung gefunden werden, die von mindestens 21 Staaten mitgetragen wird, die 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren.

Gesucht wird auch ein neuer Präsident für die Europäische Zentralbank. Am Sonntag war aber unklar, ob über diese Position in diesem Personalpaket mitentschieden wird. (best/dpa)

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