Ein Regierungsdeal zu Waffen-Bauplänen sorgt in den USA für Aufsehen. Mit diesen könnte jeder Mensch Schusswaffen per 3D-Drucker herstellen. Ein Gericht hat die digitale Verbreitung der Blaupausen nun vorerst gestoppt. Doch das Thema besitzt das Potenzial, das Waffenrecht in den USA für immer zu verändern.

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Dass Amerika ein Problem mit Waffen hat, ist kein Geheimnis. Schon ein Blick auf die Statistiken des "Gun Violence Archive" macht das deutlich. Laut Angaben der regierungsunabhängigen Organisation starben in den USA 2017 insgesamt 15.108 Menschen durch Schusswaffen.

Von Beginn dieses Jahres bis Anfang August waren es demnach bereits 8.478 Personen, die durch Waffen ums Leben kamen. Auch die Zahl der "Mass Shootings", also Amokläufe, Massaker etc. in den USA ist erschreckend hoch. Alleine im vergangenen Juli kommt das "Gun Violence Archive" auf mehr als 40 Fälle. In Zukunft könnte dieses Problem in den Vereinigten Staaten sogar noch schlimmer werden.

Schuld daran sind die Pläne der "Defense Distributed". Die von Cody Wilson gegründete Organisation kämpft seit Jahren dafür, Baupläne ins Internet stellen zu dürfen, mithilfe derer sich Waffen per 3D-Drucker herstellen lassen.

Eine aussergerichtliche Einigung mit der US-Regierung hatte im Juni Bewegung in den Fall gebracht. Darin erteilte die Trump-Administration dem Vorhaben eine Genehmigung. "Defense Distributed" erklärte daraufhin, ab dem 1. August entsprechende Blaupausen online zu stellen. Bereits vor diesem Datum waren die Pläne für solch eine Waffe am Dienstag zeitweise zum Download verfügbar.

Als Reaktion auf den Regierungsdeal reichten mehrere Bundesstaaten eine Klage ein. Mittels einer einstweiligen Verfügung des Bundesgerichts von Seattle wurde die dauerhafte Veröffentlichung nun in letzter Minute verhindert. Zumindest vorerst.

Eine Waffen-Blaupause für das Internet

Das Thema ist allerdings noch nicht vom Tisch. Seit 2013 tobt der Rechtsstreit bereits. Wilson hatte damals der Öffentlichkeit eine von ihm entworfene Waffe namens "Liberator" (zu Deutsch "Befreier") vorgestellt.

Selbige lässt sich per 3D-Drucker herstellen und besteht nahezu komplett aus Kunststoff. In dem Prototyp waren nur zwei Teile aus Stahl verbaut. Zum einen der Schlagbolzen der Waffe und zum anderen ein weiteres Stahlteil, ohne Funktion für die Waffe. Letzteres stellt sicher, dass der "Liberator" von Metalldetektoren erfasst werden kann. Das ist in den USA durch den "Undetectable Firearms Act" gesetzlich vorgeschrieben.

Die Pläne für die Waffe stellte Wilson anschliessend online zum freien Download zur Verfügung. Innerhalb kürzester Zeit wurde die Blaupause mehr als 100.000 Mal heruntergeladen. Die Behörden reagierten schnell. Nur wenige Tage nachdem die Pläne veröffentlicht wurden, forderte das US-Aussenministerium Wilson in einem Brief auf, sie wieder aus dem Netz zu nehmen.

Überraschende Wende unter Trump-Administration

Die Regierung unter Obama berief sich dabei auf die in den USA geltenden rechtlichen Regelungen bezüglich des internationalen Waffenhandels. Festgelegt sind diese in den "International Traffic in Arms Regulations" (ITAR).

Mit der Bereitstellung der Pläne für den "Liberator" hätte Wilson, praktisch und ohne gültige Lizenz, Waffen in andere Länder exportiert, so das grundsätzliche Argument. Hinzu kommt, dass auch Personen in Ländern, an welche die USA keine Waffen verkaufen, Zugang zu den Blaupausen hätten.

Der damals 25-Jährige entfernte daraufhin die Baupläne aus dem Internet. Zwei Jahre später ging er mit Unterstützung der Waffenlobby-Organisation "Second Amendment Foundation" in die Offensive und reichte Klage gegen das Aussenministerium ein.

Dabei stützte er sich auf den ersten Zusatzartikel der US-Verfassung, in welchem das Recht auf freie Rede verankert ist. Wilson zufolge hätte das Aussenministerium ihn in diesem eingeschränkt, als es ihn zwang, die Pläne aus dem Netz zu nehmen.

Obwohl Wilson mit seiner Argumentation zunächst erfolglos blieb, schloss die Regierung von Obamas Nachfolger Donald Trump überraschend besagten Vergleich mit ihm, beziehungsweise seiner Organisation "Defense Distributed" ab.

Als Entschädigung für die Prozesskosten wurden den Klägern knapp 40.000 US-Dollar versprochen. Zudem sichert das Übereinkommen ihnen das Recht zu, digitale Waffen-Blaupausen veröffentlichen zu dürfen.

Wikipedia für Waffennarren

Ziel der "Defense Distributed" ist nicht nur die Pläne des "Liberators" wieder online zu stellen. Wilson und seine Organisation planen, eine frei zugängliche Datenbank zu generieren, in der die Baupläne für unzählige Schusswaffen enthalten sind.

"Wir übernehmen die enzyklopädische Arbeit, diese Daten zu sammeln und sie zum Allgemeingut zu machen", so Wilson gegenüber dem US-Magazin "Wired". Mithilfe dieses Waffen-Wikipedias könnte sich prinzipiell jede Person Schusswaffen zu Hause selber bauen.

Zumindest in den USA ist die private Fertigung von Waffen weder illegal, noch neu. Durch die neue Technik wird das dafür notwendige Wissen allerdings auf ein Minimum reduziert. Auch absolute Laien auf dem Gebiet können so an Schusswaffen gelangen, solange sie über das notwendige Equipment verfügen. Darunter auch Personen wie verurteilte Straftäter, Terroristen oder psychisch kranke Menschen.

Nicht nur Plastik-Pistolen

"Do it Yourself"-Waffen sind ausserdem mangels einer Seriennummer oftmals nicht nachverfolgbar. Bislang gibt es nur im Bundesstaat Kalifornien ein Gesetz, das es für Waffen-Bastler zur Pflicht macht, ihre selbstgebauten Schusswaffen registrieren zu lassen und sich einem Hintergrund-Check zu unterziehen.

Die Kosten für 3D-Drucker, die leistungsfähig genug für die Herstellung von Waffenteilen sind, fallen bislang sehr hoch aus. Höher jedenfalls als für eine Pistole auf dem Schwarzmarkt. Schusswaffen aus Metall sind ausserdem viel zuverlässiger und haltbarer. Doch Wilsons Organisation bietet dafür seit längerem eine Alternative an.

Mit dem sogenannten Ghost Gunner vertreibt "Defense Distributed" eine computergesteuerte Metallfräse. Das Gerät ist in der Lage, nahezu vollautomatisch Waffenteile aus wesentlich haltbarerem Aluminium zu bauen.

Auch der Ghost Gunner ist nicht gerade erschwinglich. Die Fräse kostet aktuell 2.000 US-Dollar. Bislang kann das Gerät nur Teile für drei verschiedene Waffentypen herstellen. Doch in Zukunft könnte es um zusätzliche Funktionen erweitert werden.

Ob es dazu kommt und ob sich bald wirklich jeder Waffen-Blaupausen aus dem Internet herunterladen kann, wird sich erst noch zeigen müssen. Obwohl US-Präsident Trump eigentlich als Fürsprecher der amerikanischen Waffenlobby gilt, zeigte er sich bezüglich des Themen-Komplexes, wenn auch eher zögerlich, skeptisch. "Scheint nicht sehr sinnvoll zu sein", schrieb er am Dienstag auf Twitter.

Verwendete Quellen:

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