Während in weiten Teilen Syriens nach wie vor geschossen und gebombt wird, wird sich Syriens Machthaber Baschar al-Assad am Dienstag erneut zum Präsidenten wählen lassen. Am Ausgang dieser Pseudo-Abstimmung gibt es keinen Zweifel. Auf die Lage in dem Land dürfte das Ergebnis der Wahl in Syrien deshalb auch kaum spürbaren Einfluss haben.

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Damaskus – Die Zahl der Toten im syrischen Bürgerkrieg hatte nach Angaben der Vereinten Nationen schon im September 2013 die Marke von 120.000 durchbrochen. Inzwischen dürften nach jüngsten Schätzungen schon mehr als 150.000 Menschen in dem Krieg gestorben sein – ein Konflikt, bei dem kein Ende in Sicht ist und in dem nach wie vor auch Gotteskrieger aus dem Westen kämpfen. Erst vor wenigen Tagen sprengte sich in der syrischen Stadt Idlib ein junger Amerikaner in die Luft und tötete dabei mehrere Angehörige der syrischen Armee. Die genaue Zahl der Opfer dieses Selbstmordanschlag ist noch immer unbekannt.

Umgekehrt gehen die syrischen Streitkräfte nach wie vor täglich gegen Aufständische in dem arabischen Land vor – mit Gewehren und anderen leichten Waffen ebenso wie mit Panzern und Hubschraubern. Und immer wieder geraten Zivilisten zwischen die Fronten. Die Vereinten Nationen haben inzwischen mehrfach Kriegsverbrechen angeprangert, die sowohl durch das Regime als auch durch Aufständische verübt worden sind. Und inmitten dieses Chaos' hängen seit einigen Wochen Wahlplakate.

Unter anderem in der syrischen Hauptstadt Damaskus ist das Konterfei des syrischen Machthabers Baschar al-Assad deshalb nun noch häufiger zu sehen als in der Vergangenheit. Am Dienstag will der 48-Jährige sich nun erneut zum Präsidenten wählen lassen. Zwei jeweils siebenjährige Amtszeiten steht er nun schon offiziell an der Spitze Syriens. Im Jahr 2000 hatte er die Macht von seinem Vater Hafez al-Assad geerbt. 2007 war er als Präsident wiedergewählt worden. Andere Bewerber um das Amt hatte es offiziell nie gegeben.

Syrien: Die Wahl ist eine Farce

Dass Assad jetzt auch diese Abstimmung gewinnen wird, daran besteht kein Zweifel, weshalb die Wahl im Westen auch weithin als eine Farce betrachtet wird. Daran ändert auch nichts, dass der amtierende Machthaber, dessen zweite Amtszeit auf dem Papier im Juli ausgelaufen wäre, sich diesmal gegen zwei Mitbewerber behaupten muss: gegen Maher Abdel Hafiz Hajjar und Hassan Abdallah al-Nuri. Beide Männer gelten als reine Schaufenster-Bewerber, deren Kandidatur nur dazu dienen soll, dem Wahlgang eine noch pseudo-demokratischere Anmutung zu verleihen, die dann den zu erwartenden haushohen Sieg Assads nur umso grösser aussehen lassen soll.

Allerdings: Weder die Wahlplakate, noch die zwei Gegenkandidaten, noch die Abstimmung am turnusmässigen Ende der zweiten Amtszeit von Assad können ob der anhaltenden Kämpfe in dem Land darüber hinwegtäuschen, wie sehr diese Wahl eigentlich eine Wahl unter unmöglichen Bedingungen ist. Einerseits. Denn tatsächlich werden überhaupt nur die Syrer zur Wahl gehen oder gehen können, die im Machbereich des Assad-Regimes leben. In den von den Aufständischen kontrollierten Gebieten Syriens wird es schlicht und einfach keine Wahlurnen geben – abgesehen davon, dass dort wohl ohnehin kaum jemand Assad oder seine Show-Gegner wählen würde. Die syrische Opposition hatte bereits unmittelbar nach der Verkündung des Wahltermins bekräftigt, sie lehne die Wahl kategorisch ab.

Gewalt in Syrien gehört zum Alltag

Andererseits ist diese Abstimmung im Machtbereich des alten Regimes inmitten des Krieges auch ein Zeichen dafür, wie alltäglich Gewalt und Teilung in Syrien inzwischen geworden sind. Seit der Bürgerkrieg im März 2011 als Folge des Arabischen Frühlings ausbrach, ist das Land tief gespalten, in Anhänger und Gegner des Regimes, wobei keines der Lager als homogener Block verstanden werden darf. Im Zuge dieses Krieges sind nicht nur viele Menschen getötet und noch viel mehr verletzt worden.

Zu den Umständen, unter denen nun gewählt werden soll, gehört auch, dass Millionen Syrer inzwischen Flüchtlinge geworden sind. Die Vereinten Nationen sprachen im September 2013 von mehr als 6,5 Millionen Syrern, die infolge des Konfliktes aus ihren Heimatdörfern oder -städten vertrieben worden waren und entweder in anderen Landesteilen oder in den Nachbarstaaten Syriens Zuflucht suchen.

Warum der Syrien-Konflikt medial kaum noch eine Rolle spielt

Dass sich an dieser Situation in dem Land – die geprägt ist von Gewalt und Gegengewalt – seit vielen Monaten im Wesentlichen nichts verändert, dass sich das Kräftegleichgewicht zwischen Regime und Aufständischen immer nur wenig, nicht aber entscheidend verschoben hat, erklärt auch, warum die Weltöffentlichkeit den syrischen Bürgerkrieg seit langem mehr oder weniger teilnahmslos beobachtet. Die mediale Aufmerksamkeit für das Thema ist ein Spiegel dafür: Schaffte es der Arabische Frühling und damit auch der syrische Bürgerkrieg zum Beispiel 2011 noch auf die Titelseiten so mancher Zeitungen und Magazine, tauchten Nachrichten aus dem Bürgerkriegsland bald nur noch auf den hinteren Seiten solcher Publikationen auf.

Nur als im Sommer 2013 die Weltgemeinschaft das Assad-Regime beschuldigte, Giftgas gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt zu haben und ein militärisches Eingreifen westlicher Länder in dem Konflikt zumindest ein bisschen wahrscheinlich schien, da war dieser Krieg noch einmal eine ganz grosse Geschichte.

Und dass Assad von seinen Anhängern sehr bald nach der Abstimmung vom Dienstag erneut zum gewählten Präsidenten ausgerufen werden wird, das dürfte wieder nur für kleine Schlagzeilen sorgen; wahrscheinlich auch nicht zu Unrecht. Denn am Alltag in Syrien wird dieser angebliche Sieg in absehbarer Zeit kaum etwas ändern. Kugeln und Bomben sind in Syrien in diesen Tagen nach wie vor prägender als Pseudo-Wahlzettel.

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