Taipeh - In einem Rückschlag für China haben die Menschen in Taiwan William Lai von der Demokratischen Fortschrittspartei zum neuen Präsidenten gewählt. Bei der Parlaments- und Präsidentschaftswahl in dem ostasiatischen Inselstaat errang der 64-Jährige rund 40 Prozent der Stimmen.

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Taiwan entschied sich damit für den Status quo, vor allem in Bezug auf das Verhältnis zum mächtigen Nachbarn China. Lais Partei steht für eine Unabhängigkeit Taiwans, Peking betrachtet sie deshalb als Separatisten. Im Parlament verlor die Fortschrittspartei (DPP) jedoch ihre absolute Mehrheit, was die künftige Regierungsarbeit erschweren dürfte.

"Wir sagen der internationalen Gemeinschaft, dass wir zwischen Demokratie und Autoritarismus auf der Seite der Demokratie stehen", erklärte Lai am Abend in Taipeh.

Spannungen mit China

Das angespannte Verhältnis zu China war ein bestimmendes Wahlkampfthema in dem Land mit mehr als 23 Millionen Einwohnern. Die Kommunistische Partei in Peking zählt Taiwan zum Territorium Chinas, obwohl sie die Insel im Indopazifik bislang nie regierte und Taiwan seit Jahrzehnten eine unabhängige, demokratisch gewählte Regierung hat. Lai rief China noch am Abend dazu auf, den Frieden in der Meerenge zwischen beiden Staaten zu wahren. "Ein globaler Frieden hängt vom Frieden in der Taiwanstrasse ab", sagte er. Zugleich zeigte er sich für Zusammenarbeit mit China bereit.

Auch Lais Kontrahenten hatten sich für Austausch mit Peking stark gemacht. Für Hou Yu-ih von der chinafreundlichen und konservativen Kuomintang (KMT) und Ko Wen-je von der populistischen Taiwanischen Volkspartei (TPP) stimmten jedoch nur 33,49 Prozent beziehungsweise 26,46 Prozent der Wähler. Insgesamt waren 19,5 Millionen Menschen zur Wahl aufgerufen. Die Beteiligung lag mit rund 72 Prozent geringfügig niedriger als 2020.

Wahlen in Taiwan
Die Menschen jubeln bei einer Kundgebung der Demokratischen Fortschrittspartei. © dpa / Louise Delmotte/AP/dpa

Expertin: Mehr Spannungen möglich

"Lais Sieg wird die Spannungen in der Taiwanstrasse erhöhen, und es gibt die Erwartung, dass Peking damit reagiert, den Druck auf Taiwan zu erhöhen", sagte die Expertin für Aussen- und Sicherheitspolitik am China-Institut Merics in Berlin, Helena Legarda, der Deutschen Presse-Agentur. Möglich seien etwa Militärübungen oder handelspolitische Zwangsmassnahmen. Einen Krieg in der Meerenge hielt die Expertin allerdings für unwahrscheinlich. Peking werde das aktuelle Mass an Druck beibehalten, um eine Eskalation zu verhindern.

Die Spannungen in der Taiwanstrasse, einer äussert wichtigen internationalen Handelsroute, nahmen über Jahre zu. Mittlerweile lässt die Volksbefreiungsarmee fast täglich als Machtdemonstration Kampfflieger in Taiwans Luftverteidigungszone fliegen. Schon 2016 brach China den Kontakt zur taiwanischen Regierung ab, nachdem die DPP unter Tsai Ing-wen die Präsidentschaftswahl gewann. Ausserdem droht Peking immer wieder mit militärischen Mitteln, sollte eine "Wiedervereinigung" scheitern. China begründet historisch, dass Taiwan zum Gebiet der Volksrepublik zähle.

Sollte Taiwan offiziell die Unabhängigkeit erklären, wäre das für Peking ein Grund, die Situation in der Taiwanstrasse eskalieren zu lassen. Lai will die Verteidigung Taiwans deshalb aufrüsten und China so abschrecken, einen Konflikt zu beginnen. Er hält es nach eigenen Worten aber nicht für nötig, die Unabhängigkeit Taiwans offiziell zu erklären.

Reaktion aus Peking

China sieht keinen Grund für einen Kurswechsel in den Beziehungen zu dem Inselstaat. Diese Wahl könne den generellen Trend hin zu einer "unausweichlichen Wiedervereinigung" mit dem Festland nicht verändern, teilte der Sprecher des Büros für Taiwan-Angelegenheiten, Chen Binhua, in Peking mit.

"Die Ergebnisse der beiden Wahlen zeigen, dass die Demokratischen Fortschrittspartei nicht in der Lage ist, die vorherrschende öffentliche Meinung zu repräsentieren", sagte er. Taiwan gehöre zu China.

Taiwan-Wahl
Präsidentschaftskandidat William Lai von der Demokratischen Fortschrittspartei gibt in Tainan seine Stimme ab. © dpa / Ng Han Guan/AP/dpa

Schwierige Parlamentsarbeit

Laut dem Politik-Experten Wu Rwei-ren von der taiwanischen Academia Sinica dürfte die DPP nun Taiwans politische und wirtschaftliche Allianz mit den USA aufrechterhalten. Die Vereinigten Staaten sind ein Verbündeter der Insel. US-Präsident Joe Biden hatte Taipeh Unterstützung im Fall einer Verteidigung zugesichert. Schon länger liefern US-Firmen Waffen an Taiwan, was Peking kritisiert. Im Parlament könnte es die DPP nach dem Verlust der absoluten Mehrheit nun schwerer haben. Von den 113 Sitzen entfielen 52 auf die KMT und 51 auf die DPP. Das Kabinett, das Lai als Präsident ernennt, muss daher zum Beispiel mit der TPP zusammenarbeiten, die acht Sitze erhielt.

Die von Lai ernannte Regierung dürfte innenpolitisch auf mehr Widerstand stossen, was die weitere Verflechtung mit dem US-Lager verlangsamen könnte, sagte Wu. Lai kündigte bereits an, auch Vertreter anderer Parteien mit einzubinden, und zunächst an politischen Vorhaben arbeiten zu wollen, bei denen ein Konsens herrsche.

Aktivist: Klare Unterscheidung zwischen China und KP

Lai sollte in den Augen von Wang Dan, einem Aktivisten und 1989 Studentenanführer bei den Protesten auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking, ausserdem eine klare Unterscheidung zwischen China und der Kommunistischen Partei machen. "Er sollte offen Chinas Demokratisierung unterstützen und Chinas Demokratisierung als wichtige Grundlage für die zukünftige Entwicklung auf beiden Seiten der Taiwanstrasse erachten", sagte Wang der dpa. Der heute in Taiwan lebende Dissident forderte zudem, dass sich die Inselrepublik international aktiv bei globalen Themen einbringt, um als Mitglied anerkannt zu werden.

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