Die Türken haben Premierminister Recep Tayyip Erdogan mit absoluter Mehrheit zum Präsidenten gewählt. Damit ist der Grundstein für einen Umbau des politischen Systems des Landes gelegt. Erdogans Ziel ist klar: mehr Macht.

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Recep Tayyip Erdogan hat die Präsidentschaftswahl in der Türkei im ersten Wahlgang gewonnen. Mehr als 52 Prozent der Wähler stimmten für den Mann, der bislang ihr Premierminister war. Als Regierungschef durfte er nach den Regeln seiner Partei AKP nicht ein viertes Mal antreten - also ging Erdogan nun den Weg über das Präsidentenamt. Es war das erste Mal, dass die Türken direkt darüber abstimmen konnten, wer ihr Staatsoberhaupt wird. Diese Änderung hatte Erdogans konservative Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) durchgesetzt.

Als Präsident wird Erdogan seine Macht nun wohl weiter ausbauen – und seinen autoritären Führungsstil. "Die Türkei steht vor einem politischen Wendepunkt", sagt Burak Copur, Politikwissenschaftler an der Universität Duisburg-Essen. "Es droht eine Veränderung des politischen Systems weg von einer westlich orientierten parlamentarischen Demokratie hin zu einem autoritären Präsidialsystem wie in Russland." Erdogan hat es geschafft, die absolute Mehrheit zu erringen, zudem ist der Abstand zum Zweiplatzierten deutlich. Das wird Erdogan in seinem Führungsanspruch bestätigen.

Es besteht die Gefahr, dass die Demokratie im Land weiter ausgehöhlt wird. Am liebsten würde Erdogan die Verfassung ändern, um den Präsidenten mehr Macht einzuräumen. Dazu braucht es eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Daran ist er bislang gescheitert. Nach den Parlamentswahlen im nächsten Jahr könnte es klappen. Doch selbst wenn nicht: Als Präsident wird Erdogan auch so politisch mitmischen.

Recep Tayyip Erdogan definiert Präsidenten-Rolle neu

Die türkische Verfassung beschreibt die Rechte des Präsidenten nur vage und lässt ihm damit grossen Spielraum. Bislang haben die Staatschefs ihr Amt eher repräsentativ ausgeübt, ähnlich wie in Deutschland. Erdogan hat anderes im Sinn: Er verkündete bereits, ein Präsident, der direkt vom Volk gewählt wurde, könne nicht sein wie seine Vorgänger. Er werde kein Präsident fürs Protokoll sein, sagte er laut Spiegel Online. "Erdogan wird Exekutive spielen", sagt Copur. "Es droht eine 'Putinisierung' der Türkei, also die Machtanhäufung bei einem starken Mann. Das ist schädlich für die Demokratie."

Tatsächlich gibt es bereits jetzt einige Parallelen zwischen Putin und Erdogan: Sie handeln nach einem Gefühl der Unfehlbarkeit, träumen vom Glanz historischer Vorbilder – der Sowjetunion beziehungsweise dem Osmanischen Reich -, sind sehr machtbewusst und empfindlich gegenüber Kritik. Erdogans autoritäre Züge offenbaren sich immer wieder: Die Proteste rund um den Gezi-Park liess er gewaltsam niederschlagen, er sprach von Verschwörungen "ausländischer Mächte". Als Reaktion auf das Bekanntwerden von Korruptionsvorwürfen liess er Twitter und Youtube sperren, er kontrolliert die Medien und mischt sich in Entscheidungen der Justiz ein.

Die Liste liesse sich noch fortsetzen. Trotzdem wurde er mit absoluter Mehrheit gewählt. Viele Türken verbinden mit Erdogan noch immer den wirtschaftlichen Aufschwung, für den er in den Jahren nach seinem ersten Amtsantritt 2003 gesorgt hatte. Auch hat er durchaus andere Erfolge vorzuweisen, wie die Integration der konservativen Kräfte, die Abschaffung der Todesstrafe sowie die Verbesserung der Lage der Kurden.

Erdogan strebt Machtausbau an

Inzwischen jedoch geht es ihm nicht mehr um Demokratisierung, sondern um seinen Machtausbau. Erdogan ist auf dem Weg zur Alleinherrschaft. Für die Türkei könnte das verheerende Konsequenzen haben. "Es besteht die Gefahr, dass er das Land weiter spaltet, Konflikte anheizt und es so zu einer weiteren Destabilisierung der Türkei kommt", sagt der Türkei-Experte Copur. Die Türkei galt lange als Musterbeispiel einer Demokratie in der Region. Erdogan ist dabei, dieses Image zu zerstören. Das wiederum kann negative wirtschaftliche und aussenpolitische Folgen haben.

Kehrt sich die Türkei weiter von demokratischen Prinzipien ab, könnte das beispielsweise Investoren abschrecken. Die EU-Beitrittsverhandlungen sind bereits jetzt de facto zum Erliegen gekommen. Das Land muss aufpassen, dass es sich nicht immer weiter isoliert. Erdogans Träume von einer Regionalmacht sind bereits so gut wie gescheitert. "Die Türkei betreibt eine sunnitisch geprägte konfessionelle Aussenpolitik, die im Nahen Osten erhebliche Spannungen und Konflikte auslöst", sagt Copur. "Die einzigen Verbündeten der Türkei in der Region sind heute die bis vor wenigen Jahren nicht akzeptierten irakischen Kurden."

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