- Mit der Wahl in Ungarn könnte die Amtszeit von Viktor Orban nach zwölf Jahren enden.
- Die sechs wichtigsten Oppositionsparteien haben sich zusammengetan, um den Ministerpräsidenten zu stürzen.
- Doch Wahlbetrug ist nicht auszuschliessen.
Ihren Wahlkampf führt Ungarns Opposition hauptsächlich auf der Strasse. Plakatflächen, reichweitenstarke Medien, das staatliche Fernsehen und Radio bleiben ihr weitgehend verwehrt. Denn all das kontrollieren der rechtsnationale Ministerpräsident Viktor Orban und Geschäftsleute, die von seiner Fidesz-Partei abhängen.
Und Viktor Orban ist fest entschlossen, die Macht auch nach der Parlamentswahl am kommenden Sonntag nicht aus der Hand zu geben. Er strebt eine fünfte Amtszeit an, die vierte in Folge.
Opposition gibt nicht klein bei
Die Opposition gibt dennoch nicht klein bei. An einem frostigen Spätnachmittag im März macht Peter Marki-Zay, der Spitzenkandidat der vereinten Opposition, Wahlkampf im Budapester Vorort Dunakeszi. Plattenbauten rahmen einen kleinen Platz mit Geschäften und einer Bank ein.
An die 100 Interessierte sind gekommen. Marki-Zay schüttelt Hände, spricht ermunternde Worte, präsentiert sich als Kandidat zum Anfassen.
Denn zumindest ein Novum gibt es bei dieser Wahl: Die sechs wichtigsten Oppositionsparteien, darunter linke, grüne, liberale und rechte Formationen, haben sich zu einem Wahlbündnis zusammengeschlossen. Denn das komplizierte ungarische Wahlsystem begünstigt die Fidesz-Partei massiv.
Die Oppositionsallianz "Ungarn in Einheit" tritt mit einer gemeinsamen Liste für die Listenwahl an, mit jeweils gemeinsamen Kandidaten in den Direktwahlkreisen - und mit Marki-Zay als dem gemeinsamen Spitzenkandidaten.
Der 49 Jahre alte Marketing-Fachmann ist Bürgermeister der südostungarischen Kleinstadt Hodmezövasarhely. Zu Orbans Herausforderer wurde er völlig überraschend. Die Opposition organisierte eigene Vorwahlen, um die gemeinsamen Kandidaten zu ermitteln.
Marki-Zay, parteiloser Konservativer, bekennender Katholik und Vater von sieben Kindern, setzte sich gegen politische Schwergewichte durch wie die sozialdemokratische Europaabgeordnete Klara Dobrev und den grün-liberalen Budapester Oberbürgermeister Gergely Karacsony.
Jetzt ziehen sie alle an einem Strang. Beim Auftritt in Dunakeszi vergleicht Marki-Zay das Ungarn unter Orban mit Putins Russland. "Orban und seine Leute machen - ganz wie Putin - den dekadenten Westen herunter, sie haben die Medien gleichgeschaltet, schikanieren die Zivilorganisationen, und sie stehlen.
In diesem Modell werden Sie, das Volk, ärmer, und sie, die Privilegierten, reicher." Der Deutschen Presse-Agentur sagt Marki-Zay: "Im Ukraine-Krieg hat Orban unser Land international völlig isoliert. Wegen ihm und seiner Korruption müssen wir uns vor der ganzen Welt schämen."
Orban inszeniert sich wiederum als Friedensapostel, der "Ungarn aus dem Krieg heraushält". Während die gesamte freie Welt mit der von Russland angegriffenen Ukraine solidarisch ist, meint Ungarns starker Mann: "An der Diskussion darüber, aus wie vielen Staaten, aus wie vielen Nationen das grosse slawische Meer östlich von uns besteht, haben wir uns nie beteiligt."
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Wahlbetrug ist nicht auszuschliessen
Nach dem Schock über den Krieg in der Nachbarschaft schien die Friedensrhetorik bei den Wählern zu verfangen - hatten die Meinungsumfragen zuvor die beiden Blöcke Kopf an Kopf gesehen, so legte die Fidesz-Partei zuletzt um etliche Prozentpunkte zu. Ausschlaggebend dürfte aber auch das enorme Mobilisierungspotenzial von Orbans Macht-Maschinerie sein.
Wahlbetrug ist nicht auszuschliessen: mit Schein-Wohnsitzen, Stimmkauf und Manipulationen bei der Stimmabgabe der ethnischen Ungarn in den Nachbarländern. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) entsendet deshalb - völlig unüblich für ein EU-Land - eine vollwertige Beobachtermission mit 200 Mitgliedern zur Wahl nach Ungarn.
Ein erster Zwischenbericht der OSZE-Mission wies bereits auf schwere Mängel hin. Unter anderen würde die Staatsverwaltung in den Dienst der wahlwerbenden Regierungspartei gestellt, würden die Medien systematisch für die Regierung Partei ergreifen und würde das Risiko von taktischen "Wohnsitznahmen" in umkämpften Direktwahlkreisen bestehen.
Schon die letzten beiden Wahlen 2014 und 2018 hatten die OSZE-Beobachter als "frei, aber nicht fair" eingestuft. Für den Oppositionskandidaten Marki-Zay steht bereits fest: "Diese Wahl ist nicht frei, selbst wenn wir sie gewinnen." (dpa/msc)
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